TE OGH 1988/7/19 1Ob617/88

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Veröffentlicht am 19.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg P***, geboren am 24. August 1955 in Wien, Trafikantin, Wien 2., Gredlerstraße 10/3, vertreten durch Dr. Hans Peter Egger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Leopold P***, geboren am 2. Oktober 1949 in Wien, ohne Beschäftigung, Wien 10., Hintere Liesingbachstraße 14, vertreten durch Dr. Otto Kunze, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1988, GZ 17 R 9/88-51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Oktober 1987, GZ 33 Cg 9/86-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile, die österreichische Staatsbürger sind, schlossen am 30. November 1973 die Ehe. Aus der Ehe entstammen zwei mj. Kinder, die sich bei der Klägerin befinden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 1986, 4 d E Vr 12.073/86, Hv 7886/86-10, bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Juli 1987, 25 Bs 266/87-17, wurde der Beklagte u.a. rechtskräftig für schuldig erkannt, am 9. Jänner 1986 die Klägerin durch Faustschläge und Versetzen von Peitschenschlägen leicht verletzt zu haben (Blutergüsse an beiden Armen und beiden Oberschenkeln sowie im Bereich des linken Auges, Striemen am Körper). Noch in der Nacht vom 9. Jänner auf den 10. Jänner 1986 verließ die Klägerin die Ehewohnung. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte beschimpfe und mißhandle sie, bedrohe sie mit dem Umbringen, neige dem Alkohol zu und bemühe sich seit Juni 1985 nicht ernstlich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren grundsätzlich nicht entgegen, wendete aber ein, das Alleinverschulden treffe die Klägerin, die mit Helmut F*** Ehebruch begangen habe; dieser wohne bei der Klägerin.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Es stellte fest: Seit Herbst 1983 sei es zu immer häufigeren vom Beklagten vom Zaun gebrochenen Streitigkeiten gekommen, die darin ihren Grund hatten, daß über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet worden war, die Klägerin Verpflichtungen für den Beklagten übernommen hatte, der Beklagte aber nur zeitweise berufstätig war. Im Zuge dieser Streitigkeiten sei es vorgekommen, daß der Beklagte die Klägerin an den Haaren gerissen und Bier über ihren Kopf geschüttet habe. Seit der Eröffnung des Konkurses sei der Beklagte zwei- bis dreimal wöchentlich alkoholisiert. In diesem Zustand werde er gegen die Klägerin aggressiv. Der Beklagte habe die Klägerin mehrmals mit dem Umbringen bedroht, so unter Tätlichkeiten am 12. Jänner 1986 und in der Woche vor dem 3. Juli 1986. Am 12. Jänner 1986 habe der Beklagte in Gegenwart der beiden Kinder zur Klägerin gesagt, sie könne machen, was sie wolle, er aber werde sich ins "Häfen" setzen, denn er werde sie umbringen. Helmut F*** sei zunächst ein Bekannter des Beklagten gewesen. Er habe sich später sehr oft in der Wohnung der Streitteile aufgehalten, jeden Sonntag sei tarockiert worden. Es könne nicht festgestellt werden, daß Helmut F*** mit der Klägerin Geschlechtsverkehr gehabt habe. Im Mai 1986 sei es zu zwei Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und Helmut F*** gekommen, in deren Verlauf der Beklagte Helmut F*** beschuldigt habe, er habe ein Verhältnis mit der Klägerin.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die Ehe seit den Mißhandlungen der Klägerin durch den Beklagten am 9. Jänner 1986 aus dem Alleinverschulden des Beklagten unheilbar zerrüttet sei. Der vom Beklagten behauptete Ehebruch der Klägerin sei nicht erwiesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten, mit der er den Ausspruch des gleichteiligen Verschuldens der Klägerin anstrebte, nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Selbst wenn man den in der Berufung aufgestellten Behauptungen folge, sei der Kontakt der Klägerin mit Helmut F*** nicht als Eheverfehlung zu werten. Der Umgang der Ehegattin mit einem anderen Mann verstoße dann nicht gegen die ehelichen Pflichten, wenn er freundschaftlich und harmlos sei und sich im Rahmen der Sitte und des Anstandes halte. Nur wenn ein solcher Umgang eine besondere Intensität erreiche, vor allem wenn ein häufiges Zusammentreffen unter Ausschluß anderer Personen stattfinde oder der Großteil der Freizeit mit dem anderen Partner verbracht werde, könne von einer Eheverfehlung gesprochen werden. Der Jugoslawienurlaub der Klägerin (im Jahre 1986) sei im Rahmen einer größeren Personengruppe nur teilweise gemeinsam mit Helmut F*** verbracht worden. Bei gelegentlichen gemeinsamen Ausflügen seien jeweils die Kinder der Klägerin mit gewesen. Der Vorwurf, Helmut F*** habe im Hause des Beklagten eingebrochen, habe sich als ungerechtfertigt erwiesen. Es habe sich um Hilfeleistung bei der Übersiedlung der Klägerin gehandelt. Es verblieben somit zwei Nächtigungen Helmut F*** in der Wohnung der Klägerin, die nach ihrer Aussage im Februar 1986 in nicht aufeinanderfolgenden Nächten erfolgt seien. Helmut F*** gebe hiezu an, die Klägerin habe insbesondere vor Gerichtsverhandlungen jemanden benötigt, mit dem sie sich habe aussprechen können. Die Klägerin habe behauptet, die Nächte seien durchdiskutiert worden. Die Rechtsprechung habe zwar ausgeführt, daß auch nach Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft die Treueverpflichtung der Partner aufrecht bleibe, da durch spätere Eheverfehlungen die Zerrüttung vertieft werden könne, doch müsse der Klägerin eine gewisse Reaktion auf die schweren körperlichen Mißhandlungen und Bedrohungen durch den Beklagten zugebilligt werden, so daß sie nicht verpflichtet werden könne, auch nach den Vorfällen im Jänner 1986 mit fremden Personen ausschließlich oberflächliche gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Wenn die Klägerin daher einen intensiveren auf menschlichen Beistand in ihrer Situation gerichteten Kontakt gesucht habe, insbesondere Hilfe bei der Übersiedlung in Anspruch genommen oder mit einem Familienfremden ihre Situation habe besprechen wollen, könne darin, auch wenn das Ausmaß üblicher gesellschaftlicher Kontakte etwas überschritten worden sei, keine solche Eheverfehlung gesehen werden, daß sie gegenüber den schweren Ehewidrigkeiten des Beklagten so ins Gewicht fiele, daß ein Mitverschulden der Klägerin anzunehmen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten, in der er den Berufungsantrag wiederholt, ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor. Auch die Rechtsrüge versagt. Der Beklagte brachte in erster Instanz nur vor, der eigentliche Grund, warum die Klägerin aus der Ehe strebe, sei, daß sie mit Helmut F*** Ehebruch begangen habe. Soweit der Beklagte in der Revision nunmehr vorbringt, er habe die freundschaftlichen Kontakte Helmut F*** zur Klägerin, die die Ehe hätten beeinträchtigen können, auch schon vor deren Auszug aus der gemeinsamen Wohnung nicht gebilligt, er habe sich (schon damals) dagegen ausgesprochen, handelt es sich ebenso um unbeachtliche Neuerungen wie bei der erstmals in der Revision aufgestellten Behauptung, die Klägerin habe die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Beklagten zu den beiden ehelichen Kindern verhindert. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung über das Vorbringen des Beklagten in erster Instanz hinaus ergänzende Feststellungen über die Kontakte der Klägerin zu Helmut F*** getroffen. Diese fanden aber nach den Tätlichkeiten des Beklagten am 9. Jänner 1986 und der dadurch hervorgerufenen unheilbaren Zerrüttung der Ehe durch das Verhalten des Beklagten statt. War es aber durch das ausschließlich dem Beklagten zurechenbare Verhalten bereits zu einem völligen Erlöschen der ehelichen Gesinnung, zu einer nicht mehr verstärkbaren und irrevisiblen Zerrüttung der Ehe gekommen, dann kann dem vom Berufungsgericht festgestellten Verhalten der Klägerin keine einen Mitschuldensausspruch rechtfertigende Bedeutung am Scheitern der Ehe zugemessen werden (vgl. EFSlg. 51.649, 51.650, 34.051; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 49 EheG). Der Revision ist der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14816

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00617.88.0719.000

Dokumentnummer

JJT_19880719_OGH0002_0010OB00617_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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