TE OGH 1988/7/19 1Ob634/88

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Veröffentlicht am 19.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard S***, Rechtsanwalt, Dortmund 1, Hamburger-Straße 2, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Franz B***, Schiffahrtsunternehmer, Wallsee, Ufer, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Herausgabe (Streitwert S 35.000,-), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Jänner 1988, GZ 14 R 251/87-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei als Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 14. Juli 1987, GZ 3 Cg 196/85-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 28.288,18 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (hievon S 1.822,88 Umsatzsteuer und S 8.236,50 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte vergibt als Mitpächter des Gemeindejagdreviers Dorfstetten Abschüsse von Rehböcken gegen Leistung eines Entgelts. In der Zeit vom 5. August bis 15. August 1983 jagte der Kläger zusammen mit Dr. Willy F***, den der Kläger mit Zustimmung des Beklagten zur Jagd mitgebracht hatte, im Revier Dorfstetten. Der Kläger und Dr. Willy F*** wurden auf den Pirschgängen vom Aufsichtsjäger Johann H*** im Jagdwagen geführt. Der Kläger schoß einen ungeraden Achter und einen Sechser, Dr. Willy F*** schoß einen geraden Sechser. Der Kläger und Dr. Willy F*** nahmen nach der Jagd die vom Aufsichtsjäger präparierten Trophäen mit, übermittelten diese aber vereinbarungsgemäß zur Trophäenschau im März 1984 dem Aufsichtsjäger. Der Kläger bezahlte für die von ihm erlegten Böcke DM 2.500,-, während des anhängigen Verfahrens leistete er einen weiteren Betrag von S 2.000,- an den Beklagten. Der Kläger begehrt die Herausgabe der zwei Rehgehörne der von ihm erlegten Rehböcke und brachte vor, zwischen den Streitteilen sei keine bestimmte Vergütung vereinbart worden, doch habe Einigkeit darüber bestanden, daß sich das zu leistende Entgelt an den Entgelten zu orientieren habe, die er als Jagdgast des Beklagten in den Jahren 1979, 1980 und 1982 bezahlt habe. Der Beklagte verlange nunmehr ein Entgelt von DM 5.000,-, wovon ein Betrag von DM 1.000,-

auf den von Dr. Willy F*** geschossenen Bock entfalle, für den der Kläger aber auch bei Angemessenheit des vom Beklagten geforderten Preises nicht zahlungspflichtig sei.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er sei zur Zurückbehaltung der Rehgehörne berechtigt, weil sich der Kläger weigere, das von ihm geforderte angemessene Entgelt zu bezahlen. Sein Vertragspartner sei nur der Kläger gewesen, der Dr. Willy F*** als Gast mitgebracht habe. Der Kläger schulde daher das Entgelt für die drei erlegten Böcke.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest:

Zwischen den Streitteilen sei keine Vereinbarung über die für den Abschuß zu leistende Vergütung getroffen worden; es sei auch nicht vereinbart worden, daß der Kläger für den von Dr. Willy F*** getätigten Abschuß zahlungspflichtig sei. Das angemessene Entgelt für die Gehörne betrage S 11.500,- für den Sechser, S 8.000,- für den ungeraden Achter und S 4.500,- für den Dr. Willy F*** erlegten Bock. Weiters sei eine Pirschführergebühr von S 300,- pro Gast und Tag und für die Benützung des Jagdwagens der Type Lada Taiga ein Entgelt von S 7,50 pro Kilometer angemessen. Während des Jagdaufenthaltes hätten täglich zwei Ausfahrten mit dem Lada Taiga stattgefunden; bei jeder Pirschfahrt seien mindestens 20 km zurückgelegt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, auf den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag sei mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Rechtswahl österreichisches Recht anzuwenden. Gemäß § 1052 ABGB müsse derjenige, der auf die Übergabe dringen will, seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder zu erfüllen bereit sein. Mangels ausdrücklicher Preisvereinbarung sei vom Kläger das ortsübliche Entgelt für die in Anspruch genommenen Jagdleistungen zu entrichten, das S 19.500,- für die Trophäen zuzüglich der Pirschführergebühr und des Fahrtkostenbeitrages, insgesamt sohin S 24.300,- betrage. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung sei der Kläger aber nicht verpflichtet, auch das Entgelt für die Jagdleistungen zu entrichten, die Dr. Willy F*** in Anspruch genommen habe. Durch die vom Kläger geleisteten Zahlungen seien nicht sämtliche jagdlichen Leistungen abgegolten, so daß dem Kläger kein Anspruch auf Herausgabe der Jagdtrophäen zustehe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-, jedoch nicht S 300.000,- übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig. Eigentümer des erlegten Wildes werde, auch wenn der Abschuß durch einen Jagdgast erfolge, der Jagdberechtigte. Die Ausfolgung der Trophäen des erlegten Wildes stelle nach der Gerichtserfahrung einen Teil der Leistungen dar, die der Jagdberechtigte seinem zahlendem Jagdgast für das geleistete Entgelt versprochen habe. Demgemäß gehe das Eigentum an den Trophäen mit der Übergabe bzw. Übernahme durch den Jagdgast auf diesen über. Es sei gerichtsbekannt, daß ein Aufsichtsjäger im Auftrag des Jagdberechtigten dem Jagdgast einen Abschuß gestatten oder verweigern dürfe, woraus zu folgern sei, daß er auch über den Eigentumserwerb des Jagdberechtigten durch den Abschuß bestimme. Der Jagdgast als Erklärungsempfänger dürfe daher darauf vertrauen, daß der über das Eigentum des Jagdberechtigten verfügende Aufsichtsjäger auch befugt sei, ihm die Trophäen des Jagdberechtigten auszufolgen. Eine Beschränkung der Ausfolgeerlaubnis des Aufsichtsjägers Johann H*** habe der Beklagte nicht behauptet. Mit der körperlichen Übergabe der Trophäen durch den Aufsichtsjäger an den Kläger habe dieser Eigentum erworben. Dem stehe nicht entgegen, daß der Kläger zu diesem Zeitpunkt für die von ihm in Anspruch genommenen Jagdleistungen noch nichts bezahlt gehabt habe, ja noch gar keine Einigung über den Jagdpreis erfolgt sei. Gegenteilige Äußerungen des Sachverständigen Dipl.Ing. Dr. Herbert T*** stellten eine unbeachtliche Rechtsausführung dar. An der Tatsache des Eigentumserwerbes des Klägers vermöge auch nichts zu ändern, daß dieser als Beklagter im Verfahren C 218/86 des Bezirksgerichtes Amstetten die Einwendung erhoben habe, nicht Eigentümer der Trophäen geworden zu sein. Dabei handle es sich offensichtlich um eine Schutzbehauptung im Zuständigkeitsstreit. Die Pflicht, die Trophäen gemäß § 86 nö. JagdG bei der öffentlichen Trophäenschau auszustellen, treffe nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur den Jagdberechtigten. Es sei daher seine Sache, mit seinen Jagdgästen entsprechende Vereinbarungen zu treffen, um dieser Verpflichtung nachkommen zu können. Mangels anderer Behauptungen müsse die vom Kläger mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung, die Trophäen zur Ausstellung wieder zur Verfügung zu stellen, als eine Leihe auf bestimmte Zeit in Form einer Nebenabrede zum Hauptvertrag beurteilt werden. Gemäß § 972 ABGB sei der Entlehner aber verpflichtet, nach Ablauf der sich aus der Natur des Geschäftes ergebenden Leihzeit die geliehene Sache zurückzustellen. Gemäß § 1440 zweiter Satz ABGB seien entlehnte Sachen kein Gegenstand der Zurückbehaltung. Auch aus der Bestimmung des § 1052 ABGB sei für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen, weil die Trophäen dem Kläger bereits vor Bekanntgabe des Preises übergeben worden seien und somit keine Abhängigkeit der beiden Leistungen voneinander mehr bestanden habe. Feststellungen über die Angemessenheit des Jagdpreises sowie die vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellungen des Erstrichters, es habe keine Absprache darüber bestanden, daß der Kläger für den von ihm mitgebrachten Jagdgast Dr. Willy F*** bezahlen werde, seien daher entbehrlich.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Beklagten kommt Berechtigung zu. Die Ausführungen des Revisionswerbers zu den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs.3 letzter Satz ZPO).

Dem zur Ausübung der Jagdberechtigten (vgl. § 5 nö. JagdG 1974) steht das Recht zur Jagd und zur Aneignung des erlegten Wildes zu. Der Jagdausübungsberechtigte kann das Recht zu jagen auch einer dritten Person (Jagdgast) einräumen (Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher, Österreichisches Sachenrecht2 81). Berechtigung käme dem Begehren des Klägers nur zu, wenn er auf Grund eines Vertrages zur Jagdausübung und zur Aneignung der Trophäen berechtigt gewesen wäre und auf Grund der Ausfolgung durch den Aufsichtsjäger an den Trophäen auch tatsächlich Eigentum erworben hätte. Die Überlassung der Trophäen zur Trophäenschau wäre dann als Leihe zu qualifizieren; dem Beklagten stünde also gegenüber dem Herausgabeanspruch des Klägers gemäß § 1440 ABGB kein Zurückbehaltungsrecht zu. Ein bloß obligatorischer Anspruch des Klägers auf Übertragung des Eigentums an den Trophäen wäre hingegen, sofern nicht ausdrücklich oder schlüssig eine Vorleistung des Beklagten vereinbart war, gemäß § 1052 ABGB von der Erfüllung der dem Kläger obliegenden Gegenleistung abhängig. Der Eigentumserwerb durch Übergabe setzt aber gemäß § 380 ABGB ein gültiges Titelgeschäft voraus (Koziol-Welser, Grundriß8 II 56, 71). Ein solches ist auch Voraussetzung der Berechtigung eines Erfüllungsanspruches auf Übertragung des Eigentums. Im vorliegenden Fall waren sich die Streitteile zwar darüber einig, daß dem Kläger ein Abschuß in dem vom Beklagten gepachteten Revier gestattet wird; welches Entgelt hiefür zu leisten ist, wurde zwischen ihnen jedoch nicht geregelt; es wurde nicht einmal geklärt, auf welcher Grundlage die Ermittlung des Entgelts erfolgen soll. Der Beklagte hat zugestanden (ON 2 S 2), daß der Kläger schon in den Jahren 1979, 1980 und 1982 sein Jagdgast war und in jedem Jahr zwei Böcke geschossen hat. Er ist auch dem Vorbringen des Klägers, daß er hiefür eine Gesamtvergütung von DM 750,-, DM 1.000,- bzw. DM 2.000,-

bezahlte, nicht entgegengetreten, so daß auch dieses Vorbringen als zugestanden gelten kann. Eine ausdrückliche Vereinbarung, daß das Preisgefüge der Jahre 1979, 1980 und 1982 auch für den Abschuß im Jahre 1983 zu gelten hätte, ist jedoch nicht erwiesen; der Kläger hat nur erwartet, daß das Entgelt unter Bedachtnahme auf die in den Vorjahren bezahlten Beträge festgesetzt werde, wogegen der Beklagte vom Kläger nach dem Abschuß DM 4.000,- und für den von Dr. Willy F*** getätigten Abschuß einen weiteren Betrag von DM 1.000,-

insgesamt somit DM 5.000,-, begehrte. Es liegt demnach ein (versteckter) Dissens über das zu leistende Entgelt und damit über einen wesentlichen Punkt des zwischen den Streitteilen beabsichtigten Vertrages vor. In einem solchen Fall ist zunächst der objektive Erklärungswert unter Heranziehung der Auslegungsregeln zu ermitteln, ohne daß es darauf ankommt, ob der objektive Erklärungswert den subjektiven Vorstellungen der Parteien entspricht. Läßt sich der Dissens auf diesem Weg nicht beseitigen, ist das Rechtsgeschäft nicht zustandegekommen (Koziol-Welser, Grundriß8 I 104). Im vorliegenden Fall kann nicht unterstellt werden, daß der Ermittlung des vom Kläger zu bezahlenden Entgelts die Vergütungen zugrundezulegen waren, die er in den Vorjahren bezahlt hatte; es kann auch nicht angenommen werden, daß der Kläger bereit war, den dann vom Beklagten geforderten Betrag von DM 4.000,-, der wesentlich über dem vom Sachverständigen ermittelten ortsüblichen Entgelt lag, zu bezahlen. Es kann aber auch nicht gesagt werden, daß eine vertragliche Einigung der Streitteile auf der Grundlage des im Rechtsstreit vom Sachverständigen ermittelten angemessenen Entgelts, das der Kläger im übrigen gar nicht angeboten hat, anzunehmen ist. Ein rechtswirksamer Vertrag über den Abschuß gegen Leistung eines bestimmten Entgelts ist dann nicht zustandegekommen, so daß der Kläger mangels Titels durch Übergabe nicht Eigentümer der Trophäen wurde; ihm steht aber auch kein obligatorischer Herausgabeanspruch zu.

Demzufolge ist der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Bei der Festsetzung der Kosten des Verfahrens erster Instanz ist auf den gerechtfertigten Kostenrekurs des Beklagten Bedacht zu nehmen.

Anmerkung

E14808

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00634.88.0719.000

Dokumentnummer

JJT_19880719_OGH0002_0010OB00634_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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