TE OGH 1988/7/28 7Ob626/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hannelore S***, Haushalt, Wien 19., Gustav Tschermak-Gasse 31/8/5, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Oskar S***, Angestellter, derzeit Bundeswirtschaftskammer, Außenstelle Damaskus, Syrien, vertreten durch Dr. Franz Marschall, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 529.200 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 22. März 1988, GZ 47 R 2011/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 11. Dezember 1987, GZ 1 C 23/87-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind miteinander verheiratet. Es ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Die Klägerin lebt derzeit getrennt vom Beklagten.

Der Beklagte ist für drei Kinder, von welchen zwei aus der Ehe mit der Klägerin stammen und eines außerehelich ist, unterhaltspflichtig. Die Klägerin verfügt über kein eigenes Einkommen.

Das Erstgericht hat der Klägerin unter nicht mehr bekämpfbarer Abweisung eines Mehrbegehrens von 4.300 S monatlich einen monatlichen Unterhalt von 14.700 S ab 7. August 1987 zuerkannt. Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Beklagte bezog im Jahre 1987 ein durchschnittliches Monatsbruttoeinkommen von 90.000 S. Davon wurden Miete und Möbelbenützung im kammereigenen Wohnhaus abgezogen. Unter Berücksichtigung verschiedener Zulagen und Abzüge verfügte der Beklagte im Jahre 1987 über ein aufgerundetes Nettoeinkommen von 735.000 S. Dies entspricht einem monatlichen Nettoeinkommen von rund

61.250 S.

Dem Beklagten steht ein Dienstauto zur Verfügung, wofür er lediglich 10 % der Betriebskosten zu zahlen hat. Hiebei handelt es sich um derart geringfügige Beträge, daß deren Vernachlässigung gerechtfertigt ist.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, unter Berücksichtigung des Nettoeinkommens des Beklagten und seiner sonstigen Sorgepflichten stehe der Klägerin ein monatlicher Unterhalt von 24 % der Bemessungsgrundlage von 561.250 S zu. Dies ergebe einen monatlichen Betrag von 14.700 S. Da der Beklagte der Klägerin nach seinem eigenen Vorbringen lediglich 13.000 S im Monat bezahle, sei die Voraussetzung für den urteilsmäßigen Zuspruch eines Unterhaltes gegeben.

Das Berufungsgericht hat das gesamte Klagebegehren abgewiesen. Es hat hiebei ergänzend festgestellt, daß der Beklagte für die Klägerin eine freiwillige Zusatzkrankenversicherung mit einer monatlichen Prämie von 1.660 S abgeschlossen hat. Ferner sei nicht bestritten worden, daß der Beklagte für eine Krankenversicherung für die Familie monatliche Prämien von 5.730 S und für eine Lebensversicherung monatlich 2.112 S bezahlt. Rechne man zu der von der Klägerin zugestandenen monatlichen Zahlung von 13.000 S die monatliche Prämie von 1.660 S hinzu, so übersteige die Leistung des Beklagten bereits den selbst vom Erstgericht als angemessen angesehenen Unterhaltsbetrag, so daß von einer Unterhaltsverletzung durch den Beklagten nicht ausgegangen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs. 1 Z 2 bis 4 ZPO erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist allerdings nicht gegeben, weil das Berufungsgericht von den erstrichterlichen Feststellungen nicht abgegangen, sondern diese nur ergänzt hat. Es war demnach zu einer allgemeinen Beweiswiederholung nicht verpflichtet, sondern hatte nur die ihm erheblich erscheinenden Beweise aufzunehmen (3 Ob 510/84 u.a.). Daß aber weitere Beweise erforderlich gewesen wären, um die ergänzenden Feststellungen zu treffen, oder daß diese Feststellungen unrichtig wären, behauptet nicht einmal die Klägerin.

Gemäß § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO ist zwar gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ein weiterer Rechtszug unzulässig, doch zählt zum Grund des Anspruches und nicht zur Bemessung die Frage, in welchem Ausmaß der Unterhaltsschuldner die ihm auferlegte Leistung bereits erbracht hat und ob bestimmte Zahlungen als Erfüllung der auferlegten Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen sind (SZ 57/84, EFSlg. 28.421 ua).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob eine bestimmte Versicherungsprämie als Unterhaltszahlung zu werten ist oder nicht. Nach dem Dargelegten gehört die Beantwortung dieser Frage zum Grund des Anspruches, nicht aber zur Bemessung.

Was die entscheidende Frage anlangt, muß dem Berufungsgericht tatsächlich eine Aktenwidrigkeit zur Last gelegt werden. Der Beklagte hat nämlich in dem vom Berufungsgericht zitierten Schriftsatz ON 9 keinesfalls die Behauptung aufgestellt, die von ihm zu zahlende monatliche Versicherungsprämie von 1.660 S für eine Zusatzkrankenversicherung seiner Familie sei als Unterhaltszahlung zu werten, sondern Versicherungsprämien lediglich als Abzugsposten von seinem Bruttoeinkommen angeführt. Demnach vertritt nicht einmal der Beklagte selbst den Standpunkt, daß diese Versicherungsprämien Unterhaltszahlungen seien. Inwieweit sie die Bemessungsgrundlage für den Unterhalt schmälern können, ist allerdings eine Frage der Unterhaltsbemessung, die jedoch vom Berufungsgericht, ausgehend von seiner aktenwidrigen Ausführung, nicht gelöst worden ist. Geht man davon aus, daß mit dem Unterhalt die Lebensführung des Unterhaltsberechtigten gesichert werden soll, so kann nicht in jeder Leistung, die der Unterhaltspflichtige auf eine ihm gutdünkende Art erbringt, eine Unterhaltsleistung erblickt werden. Der Unterhaltspflichtige ist nicht berechtigt, die dem Unterhaltsberechtigten für die Deckung seiner unmittelbaren Lebensbedürfnisse zu leistenden Zahlungen mit der Begründung zu vermindern, er erbringe dafür eine andere Leistung, die vielleicht einmal dem Unterhaltsberechtigten zugute kommen könnte. Der Abschluß einer Lebensversicherung zugunsten des Unterhaltsberechtigten mag für diesen vorteilhaft sein, kann jedoch als Unterhaltsleistung nur dann angesehen werden, wenn es sich hiebei um eine Lebensversicherung handelt, die unter den gegebenen Umständen für die Aufrechterhaltung der entsprechenden Lebensumstände notwendig und in diesem Ausmaß auch üblich ist. Ob dies bezüglich einzelner Versicherungen der Fall ist, kann generell nicht beantwortet werden. Es wird hier immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. Keinesfalls muß es sich aber der Unterhaltsberechtigte gefallen lassen, daß der Unterhaltspflichtige, anstatt ihm unmittelbar die Mittel für die Lebensführung zu überlassen, für ihn eine über das Nützliche und Notwendige hinausgehende Versicherung abschließt. Immerhin darf nicht übersehen werden, daß im Ablebensfall eines angestellten Unterhaltspflichtigen der notwendige Lebensunterhalt der unterhaltsberechtigten Ehegattin häufig durch die Sozialversicherung gedeckt ist, weshalb in solchen Fällen größte Vorsicht bei der Beurteilung der Notwendigkeit des Abschlusses einer Lebensversicherung für die Ehegattin geboten ist.

Mit der generellen Bewertung der Versicherungsprämien als Unterhaltsleistung hat demnach das Berufungsgericht nicht nur in aktenwidriger Weise gegen das Vorbringen des Klägers verstoßen, sondern auch die Frage einer Unterhaltsverletzung dem Grunde nach unrichtig gelöst. Nur am Rande sei bemerkt, daß selbst nach der Berechnung des Berufungsgerichtes der vom Erstgericht als angemessen angesehene Unterhalt nicht erreicht wird. Schon dieser Umstand hätte das Berufungsgericht verpflichtet, die Richtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung bezüglich der Unterhaltshöhe zu überprüfen.

Da demnach das berufungsgerichtliche Urteil an wesentlichen Mängeln leidet, die eine abschließende Beurteilung nicht zulassen, mußte diese Entscheidung aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E15228

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00626.88.0728.000

Dokumentnummer

JJT_19880728_OGH0002_0070OB00626_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten