TE OGH 1988/7/28 7Ob629/88

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Veröffentlicht am 28.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ludwig J***, Berufsschuloberlehrer, Gmunden, Pfarrhofgasse 24, vertreten durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Margit J***, Hausfrau, Wels, Flemingstraße 2, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. April 1988, GZ 6 R 189/87-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 19. Dezember 1985, GZ 4 Cg 215/85-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 23. November 1968 die Ehe geschlossen, die für beide Parteien die erste war. Der Ehe entstammt ein Kind, die am 25. Februar 1970 geborene Sabine. Beide Ehegatten sind römisch-katholischen Religionsbekenntnisses und besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft. Ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten sie in Wels.

Mit der am 9. Juli 1985 eingelangten Klage begehrt der Kläger die Scheidung seiner Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte spreche immer mehr dem Alkohol zu, sie betrinke sich wöchentlich und beschimpfe den Kläger, auch wenn sie nüchtern sei, mit "Sau", "Arsch", "Gfrast", "Putz Dich", "Hau doch endlich ab" und auf ähnliche Weise. Seit Jahren nörgle die Beklagte am Kläger herum und weigere sich oft grundlos, ihm ein Frühstück oder die Hauptmahlzeit zuzubereiten. Auch die Tochter leide unter den Alkoholexzessen der Beklagten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, für den Fall der Scheidung die Feststellung des überwiegenden Verschuldens des Klägers. Die Beklagte habe keine Eheverfehlungen begangen. Der Kläger kümmere sich mehr um seine Mutter als um seine Familie, lehne geschlechtliche Beziehungen ab und habe im Juli 1985 die häusliche Gemeinschaft eigenmächtig und grundlos aufgehoben.

Das Erstgericht, das das Verfahren auf die Erörterung der behaupteten Eheverfehlungen der Beklagten einschränkte, wies die Klage ab, da die Beklagte schwere Eheverfehlungen nicht begangen habe.

Im Verfahren vor der zweiten Instanz trat nach ergänzender Vernehmung der Parteien in der Tagsatzung vom 24. April 1986 Ruhen des Verfahrens ein. Über Antrag des Klägers vom 6. Juli 1987, das Verfahren fortzusetzen, beraumte das Berufungsgericht eine Tagsatzung für den 17. Dezember 1987 an, in der es beschloß, "die Einschränkung des Verfahrens auf die Eheverfehlungen der Frau fallen zu lassen". Nach neuerlicher Ergänzung der Parteienvernehmung beantragte die Beklagte "zum Beweis der Eheverfehlungen des Mannes, daß sein Ausziehen und Verlassen der häuslichen Gemeinschaft unbegründet war, weiters, daß er seine Unterhaltspflicht verletzt habe", die Vernehmung weiterer Zeugen (AS 110 und 112). Zu einer weiteren Tagsatzung für den 21. April 1988 lud das Berufungsgericht die Vertreter der Streitteile mit dem Beisatz: "Aufhebungsbeschluß im Sinne JBl 1987, S 189, wird voraussichtlich zu Beginn des nächsten Verhandlungstermines verkündet werden". Dieser Ankündigung entsprechend verkündete die zweite Instanz in dieser Tagsatzung den Beschluß, daß "die Einschränkung des Verfahrens auf die Eheverfehlungen der Frau fallengelassen und gleichzeitig die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben" wird. Das Berufungsgericht führte das Beweisverfahren neu durch und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten schied und aussprach, daß den Kläger eine Mitschuld treffe. Folgende Feststellungen liegen der Entscheidung zugrunde:

Die Beklagte entwickelte schon in den ersten Ehejahren eine stärkere Neigung zum Alkoholkonsum als der Kläger. Diese Neigung hat sie sodann bis 1984 in einer Weise verstärkt, daß sie, insbesonders bei gesellschaftlichen Veranstaltungen, bei Zusammentreffen mit Bekannten in der Wohnung der Nachbarin Emilie W***, aber auch in der eigenen Wohnung, in ein- bis zweiwöchigen Abständen angeheitert und fallweise auch betrunken war. Wiederholt hat sich der Kläger bei solchen Anlässen schon in den späten Abendstunden in die Ehewohnung zurückgezogen oder von vornherein mit der Beklagten und deren Verwandten die Wohnung der Nachbarin Emilie W*** gar nicht aufgesucht. Die Beklagte hingegen kehrte fallweise auch mit ihren Verwandten (Bruder oder Vater) erst im Morgengrauen in die Ehewohnung zurück. Schon daraus vermochte sie zu erkennen, daß der Kläger mit dieser Lebensform nicht einverstanden war. Tiefgreifendere Auseinandersetzungen fanden aber deshalb vor dritten Personen nicht statt. Die Tochter, die an diesen nächtlichen Gelagen nicht teilnahm, hielt der Beklagten aber einmal vor, es gäbe keine internen Spannungen, wenn sie, die Beklagte, nicht soviel trinken würde, sie solle nicht zu Emilie W*** hinaufgehen. Wenn sich das Zusammensein durch viele Stunden hinzog, ging aber der Alkoholkonsum der Beklagten auch über einen Liter Wein hinaus. Bis zu einem Grad unterhielten beide Ehegatten Kontakte zu den Verwandten des anderen. Die Mutter der Beklagten ist im August 1984 an einem Krebsleiden gestorben, die Mutter des Klägers, die an Asthma und Bluthochdruck litt, im März 1986. Die Eltern der Beklagten lebten bzw. leben in Laakirchen, die Mutter des Klägers hatte ein Haus in Gmunden. Bis August 1984 benutzte der Kläger die Besuche bei den Eltern der Beklagten, um von dort aus schon am Vormittag des Sonntags zu seiner Mutter nach Gmunden weiterzufahren und lehnte es ab, sich zu einem bestimmten Termin der Rückkehr, wie er von der Beklagten mit 16 Uhr gewünscht worden wäre, zu verpflichten. Seine Besuche bei der Mutter fanden auch in der Folge in etwa ein- bis zweichwöchigen Abständen, gelegentlich aber auch noch zusätzlich während der Woche statt. Statt um 16 Uhr kehrte der Kläger vielfach erst gegen Abend, etwa 19 Uhr, nach Laakirchen bzw. in die Ehewohnung in Wels zurück. Die Mutter des Klägers war nicht so kontaktfähig wie die Eltern und Verwandten der Beklagten, wiewohl gerade von dieser Seite versucht wurde, auch die Mutter des Klägers zu integrieren. Dies scheiterte auch in der Form, daß die Mutter des Klägers gelegentlich von Einladungen zum Heiligen Abend schon um etwa 21 Uhr ihren Sohn ersuchte, sie nach Gmunden zu bringen, von wo er fallweise erst am Weihnachtstag zu seiner Familie zurückkehrte. Die Mutter des Klägers ist 1967, also ein Jahr vor der Eheschließung der Streitteile, Witwe geworden. Der Kläger sah sich aus diesem Grunde veranlaßt, sich um seine Mutter zu kümmern. Er verband die Besuche in Gmunden mit Reparaturen am Haus der Mutter und dem Ausbau einer Mansardenwohnung. Der Kläger baute auch einen PKW der Marke Mercedes zu einem Wohnmobil aus, zumal er als gelernter Karosseriespengler handwerklich geschult ist. Die Beklagte hat nur einem Sommerurlaub nach dem Stil des Klägers mit Wohnmobil und Übernachtung auf einem Campingplatz mitgemacht und im übrigen erklärt, sie wolle in den "Affenkäfig" nicht einsteigen, wo sie sich nur den "Arsch gefrieren" würde.

Der Kläger war als Lehrer vielfach schon im Laufe des Nachmittags zu Hause, so, wenn die Tochter von Mag. Ferdinand K*** Mathematiknachhilfe erhielt. Wenn sich die Besuche des Klägers bei seiner Mutter über den von der Beklagten erwarteten Termin der Rückkehr (16 Uhr) hinaus erstreckten und er erst am Abend zu seiner Familie zurückkehrte, schwieg die Beklagte oft zwei bis drei Tage lang und weigerte sich nicht nur, das Frühstück, sondern auch andere Mahlzeiten zuzubereiten. Fallweise hat der Kläger es in solchen Situationen auch von sich aus vorgezogen, selbst das Frühstück zu machen. Der Kläger ging aber auch auf Wünsche der Beklagten ein, er veranlaßte ihre Einverleibung als Miteigentümerin der Ehewohnung im Grundbuch, verbrachte Urlaube im Ausland und im Winter und zuletzt noch zu Pfingsten 1985 im Burgenland. Eine Vernachlässigung der Haushaltsführung ist der Beklagten nicht anzulasten.

Eine Verletzung der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten liegt nicht vor.

In stark alkoholisiertem Zustand hat die Beklagte den Kläger gelegentlich auch in der in der Klage angeführten Weise beschimpft. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, die Ehe der Streitteile sei unheilbar zerrüttet, weil sich der Kläger schon seit Jahren weigere, die Ehe mit der Beklagten fortzusetzen. Mit der bei ihr festgestellten Neigung zu Alkohol, verbunden mit froher Geselligkeit, hätte sich die Beklagte wesentlich mehr den Wünschen des Klägers anpassen müssen. Es gehöre auch zu der in einer Ehe gebotenen Rücksicht, dem Ehegatten Besuche bei seiner alten und kranken Mutter zu ermöglichen. Habe aber der Kläger in Gmunden eine Mansardenwohnung ausgebaut, an seinem Auto gearbeitet, um daraus ein Wohnmobil zu machen und sei er überdies fallweise auch an Wochentagen nach Gmunden gefahren, hätte dies von der Beklagten ein Höchstmaß an Toleranz verlangt, wenngleich andererseits eine um einige Stunden verspätete Rückkehr nicht zu einem längeren Schweigen und zu einer Vernachlässigung der Mahlzeiten hätte führen dürfen. Die Eheverfehlungen der Beklagten rechtfertigten nicht den Auszug des Klägers aus der Ehewohnung, wenn auch diese Eheverfehlung des Klägers dadurch in einem etwas milderen Licht erscheine, daß sich die Beklagte im Frühjahr 1985 geweigert habe, gemeinsam mit dem Kläger einen Eheberater aufzusuchen. An der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens iS des § 49, letzter Satz, EheG bestehe kein Zweifel. Die Eheverfehlungen eines Teils träten auch nicht gegenüber jenen des anderen völlig in den Hintergrund. Es sei daher von einem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden auszugehen.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, in eventu, die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Untergerichte zurückzuverweisen, in eventu das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß den Kläger die überwiegende Mitschuld treffe. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vertritt die Beklagte die Ansicht, das Berufungsgericht hätte das vom Erstgericht auf die vom Kläger behaupteten Eheverfehlungen der Beklagten eingeschränkte Verfahren nicht erweitern und nicht Beweise über ein neues Thema aufnehmen und darüber entscheiden dürfen. Denn dadurch sei den Parteien, besonders der Beklagten, eine gesamte Tatsacheninstanz entzogen worden. Der Beklagten sei es infolge des Vorgehens des Berufungsgerichtes nicht möglich gewesen, ein weiteres Tatsachenvorbringen über das Verhalten und die Eheverfehlungen des Klägers ab der Streitverhandlung vom 6. September 1985 - in der das Verfahren auf die angeblichen Eheverfehlungen der Beklagten eingeschränkt worden sei - zu erstatten. Die zweite Instanz habe sich über das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren hinweggesetzt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist jedoch nicht gegeben. In der Entscheidung JBl 1987, 189, auf die die zweite Instanz ihr verfahrensrechtliches Vorgehen gründete, hat sich der Oberste Gerichtshof in ausführlicher Weise damit befaßt, ob die Bestimmung des § 496 Abs 3 ZPO - sei es in der Fassung vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983, sei es in der durch die genannte Novelle geänderten Fassung - es dem Berufungsgericht ermögliche, das zu erneuernde oder zu ergänzende Verfahren selbst durchzuführen. Er kam zum Ergebnis, daß die genannte Bestimmung zwar nicht dahin verstanden werden könne, sie wolle nur im Interesse der Vermeidung von Verzögerungen auch in Fällen, in welchen das Erstgericht sein Verfahren so mangelhaft geführt habe, daß es noch einer Erörterung des Sachverhalts bedürfe, eine Tatsacheninstanz nehmen. Es schließe jedoch § 496 Abs 3 ZPO eine neue Verhandlung vor dem Berufungsgericht auch im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO nicht aus. Das Berufungsgericht habe, entschließe es sich zur Verfahrensergänzung nach § 496 Abs 3 ZPO, zunächst einen Aufhebungsbeschluß zu fassen. Dadurch trete das Verfahren in das Stadium vor Schluß der mündlichen Verhandlung zurück. Die Bestimmung des § 482 Abs 2 ZPO finde in diesem Fall nicht Anwendung, sondern es könnten gemäß § 179 ZPO bis zum Schluß der Verhandlung neue Behauptungen und Beweismittel angebracht werden. Wird von der dargestellten Möglichkeit, wie ein Erstgericht selbst zu verhandeln, von den Berufungsgerichten in der jüngeren Rechtsprechung - von Ausnahmsfällen wie hier abgesehen - nicht Gebrauch gemacht und wird sie vom Obersten Gerichtshof auch nicht verlangt (vgl. JBl 1987, 189), entspricht die Vorgangsweise der zweiten Instanz doch dem Gesetz. Sie kam für die Parteien auch nicht überraschend, weil sie ihnen bei der Ladung zur Tagsatzung vom 21. April 1988 doch ausdrücklich und unter Hinweis auf die oben angeführte Entscheidung angekündigt wurde. Gerade die Beklagte hat die ihr hiedurch gebotene Möglichkeit, neues Vorbringen zu erstatten und neue Beweise anzubieten, auch genützt (AS 110, 112 und 124). Die Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens durch das Berufungsgericht berechtigt die Beklagte nicht zur Bekämpfung der Beweiswürdigung (Fasching IV 310). Daß die Feststellungen der zweiten Instanz aktenwidrig iS des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO wären, behauptet die Beklagte nicht. Dies träfe auch nicht zu. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht die Sache auch nicht unrichtig rechtlich beurteilt. Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe ist gegeben, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg 51.601 ua). Es genügt, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 51.602 ua). Dem guten Willen der Beklagten, die eheliche Gemeinschaft mit dem Kläger fortzusetzen, steht die Entschiedenheit des Klägers entgegen, der seit Einbringung der Scheidungsklage im Juli 1985 stets betont hat, er sei nicht bereit, die Ehe mit der Beklagten fortzusetzen. Er hat damit dargetan, die eheliche Gesinnung verloren zu haben.

Das Recht des Klägers auf Scheidung wegen Verschuldens der Beklagten ist nicht gemäß § 57 Abs 1 EheG erloschen, zumal der Kläger keineswegs nur Eheverfehlungen der Beklagten geltend gemacht hat, die mehr als 6 Monate zurückliegen. Darüber hinaus können gemäß § 59 Abs 2 EheG Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, auch nach Ablauf der Fristen des § 57 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. Die neuen Eheverfehlungen dürfen zwar nicht vollkommen belanglos sein, müssen aber auch nicht für sich allein für eine Scheidung ausreichen. Es genügt, daß alle Eheverfehlungen insgesamt schwer sind und einen Ehescheidungsgrund bilden (EFSlg 51.641, 48.814).

Von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens, weil dieses vom 24. April 1986 bis 8. Juli 1987 geruht habe, kann nicht gesprochen werden. § 1497 ABGB kommt auf Grund der Fassung der §§ 57, 59 EheG, die nur auf die Klageerhebung abstellen, nicht in Betracht. Aus der Tatsache, daß das Verfahren längere Zeit geruht hat, kann daher nicht der Ablauf der Frist des § 57 EheG abgeleitet werden (EFSlg 8.629, 1 Ob 726/76). Daß aber dem Ruhen des Verfahrens die Bedeutung beizumessen sei, daß die mit der Klage geltend gemachten Eheverfehlungen verziehen worden seien (1 Ob 726/76), hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes hat die Beklagte dadurch eine Eheverfehlung begangen, daß sie eine Neigung zu Alkohol und gesellschaftlichen Veranstaltungen hatte, die - geht man vom festgestellten Sachverhalt aus - erheblich über jene des Klägers hinausging, ohne daß sie bis zur Einbringung der Klage bereit gewesen wäre, diese Neigung den Vorstellungen des Klägers entsprechend anzupassen, und zwar auch nicht über Vorhalt ihrer Tochter Sabine, es gäbe keine Spannungen, wenn sie nicht so viel trinken und nicht zu ihrer Nachbarin Emilie W*** gehen würde. Es stellt auch eine Eheverfehlung dar, daß die Beklagte den Kläger beschimpft, seine Arbeit (Ausbau eines PKW's zu einem Wohnmobil) verächtlich gemacht hat und den - wenn auch in ihrer Intensität überzogenen und zeitmäßig zugegebenerweise sogar mutwillig ausgedehnten (AS 26) - Kontakten des Klägers zu seiner Mutter stets ablehnend und mit dem Bestreben gegenübergestanden ist, den Kläger hiefür zu "bestrafen" ("Stummfilm", kein Frühstück, keine Hauptmahlzeit durch mehrere Tage), ohne um einen Konsens bemüht zu sein. Die Verfehlungen der Beklagten sind insgesamt als schwer zu bewerten und bilden daher einen Scheidungsgrund nach § 49 EheG. Daß die Beklagte seit Einbringung der Klage keinen Alkohol mehr trinkt und daß die Mutter des Klägers im Jahre 1986 gestorben ist, so daß es ihretwegen zu Differenzen nicht mehr kommen kann, vermag das Verfahrensergebnis nicht zu beeinflussen, da die Ehe bereits bei Einbringung der Klage zerrüttet war.

Die dem Kläger anzulastenden Eheverfehlungen wurden vom Berufungsgericht aufgezeigt und sind unbekämpft geblieben. Ob sie gewichtiger sind als jene der Beklagten, kann dahingestellt bleiben. Keinesfalls kann gesagt werden, daß das Verschulden der Beklagten gegenüber jenem des Klägers fast völlig in den Hintergrund tritt und daß der Unterschied des beiderseitigen Verschuldens offenkundig hervortritt. Nur unter dieser Voraussetzung aber wäre der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Scheidung der Ehe gerechtfertigt (EFSlg 51.658 f).

Der Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15236

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00629.88.0728.000

Dokumentnummer

JJT_19880728_OGH0002_0070OB00629_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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