TE OGH 1988/8/30 15Os105/88

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Veröffentlicht am 30.08.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.August 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Hörburger, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef M*** wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 18 U 348/87 des Bezirksgerichtes Donaustadt, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Endverfügung vom 19.Mai 1987 (S 426) und gegen den Beschluß vom 7.September 1987 (ON 17) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren zum AZ 18 U 348/87 des Bezirksgerichtes Donaustadt wurde durch die folgenden in der Endverfügung vom 19. Mai 1987 (S 426) sowie im Beschluß vom 7.September 1987 (ON 17) zum Ausdruck gebrachten Rechtsansichten das Gesetz verletzt, und zwar:

1. durch die Annahme des Zeitpunktes der Zustellung der Strafverfügung ON 13 mit dem Tag des ersten Zustellversuches - in den Bestimmungen der §§ 17 Abs. 3, 21 Abs. 2 ZustG;

2. durch die Annahme des Zeitpunktes des Eintritts der Rechtskraft der Strafverfügung ON 13 mit dem 11.Mai 1987 statt mit dem 29.April 1987 - in dem sich aus den Bestimmungen der §§ 285 a

Z 1, 294 Abs. 4, 470 Z 1 StPO ergebenden Grundsatz, daß ein wirksamer Rechtsmittelverzicht zum Eintritt der Rechtskraft führt; und

3. durch die Annahme, daß die Tilgungsfrist zu der in Rede stehenden Verurteilung schon vor dem Eintritt von deren Rechtskraft zu laufen begonnen habe - in den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 TilgG iVm § 398 StPO.

Die bezeichnete Endverfügung wird dahin abgeändert, daß die Strafverfügung ON 13 mit dem 29.April 1987 in Rechtskraft übergegangen ist; der angeführte Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

I. In dem im Spruch bezeichneten Strafverfahren wurde über Josef M*** mit Strafverfügung vom 7.April 1987 (ON 13) wegen zweier Vergehen eine Geldstrafe verhängt. Diese Strafverfügung, gegen die der Bezirksanwalt am 14.April 1987 auf einen Einspruch verzichtet hatte, ist nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 28.April 1987 beim Zustellpostamt hinterlegt worden; auf der in das Hausbrieffach eingelegten Verständigung hievon wurde als Beginn der Abholfrist der 29. April 1987 angeführt (Rückschein bei S 426). Am selben Tag bezahlte Josef M*** die Geldstrafe (Posterlagschein bei S 428). In der Endverfügung vom 19.Mai 1987 bezeichnete das Bezirksgericht Donaustadt den 11.Mai 1987 als den Tag des Eintritts der Rechtskraft der Strafverfügung und den 29.April 1987 als den Beginn der Tilgungsfrist (S 426).

Nach einem Hinweis des gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 4, 4 Abs. 2 StrRegG verständigten Strafregisteramtes darauf, daß dessen - einem Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 13.Februar 1973, Zl. 18.976-9 d/72, entsprechender - Auffassung nach der Beginn der Tilgungsfrist nicht vor dem Eintritt der Rechtskraft liegen könne (ON 15, 16), beharrte es mit Beschluß vom 7.September 1987 auf seiner gegenteiligen Rechtsansicht, die es damit begründete, daß nach dem klaren Wortlaut des § 2 TilgG die Tilgungsfrist zwar in den Fällen des Abs. 2 mit der Rechtskraft der Verurteilung zu laufen beginne, daß es aber jemand, an dem (noch) eine (nicht schon durch die Anrechnung einer Vorhaft zur Gänze verbüßte) Freiheits- oder Geldstrafe zu vollziehen sei, nach Abs. 1 in der Hand habe, den Fristenlauf, insbesondere (wie im vorliegenden Fall am 29. April 1987) durch die Bezahlung einer über ihn verhängten Geldstrafe, auch bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft auszulösen; die hier aktuelle Einspruchsfrist berechnete es für den Beschuldigten ab dem Tag der Zustellung der Strafverfügung an ihn, die "am 27.4.1987 durch Hinterlegung (erster Zustellversuch)" vorgenommen worden sei (ON 17).

Rechtliche Beurteilung

II. Die in diesem Beschluß gleichwie (in Ansehung ihres Ergebnisses) auch in der Endverfügung zum Ausdruck gebrachten Rechtsansichten des Bezirksgerichtes Donaustadt stehen in mehrfacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1. Nach den (gemäß § 80 Abs. 1 StPO hier anzuwendenden) Bestimmungen der §§ 21 Abs. 2, 17 Abs. 3 ZustG gelten hinterlegte Sendungen (nicht mit dem Tag des ersten Zustellversuchs, sondern) mit dem ersten Tag der Abholungsfrist als zugestellt; die Einspruchsfrist für den Beschuldigten begann daher (nicht am 27., sondern erst) am 29.April 1987 zu laufen.

2. Aus §§ 285 a Z 1, 294 Abs. 4, 470 Z 1 StPO, wonach Rechtsmittel einer Person, die darauf verzichtet hat, zurückzuweisen sind, ergibt sich, daß ein (insbesondere unter Bedacht auf § 268 Abs. 2 StPO) wirksamer Rechtsmittelverzicht gegenüber dem Verzichtenden zur sofortigen (allenfalls partiellen) Rechtskraft der betreffenden Entscheidung führt; dieser Grundsatz gilt im Fall einer Strafverfügung, im Hinblick auf § 460 Abs. 2 StPO jedoch nur dann, wenn der Bezirksanwalt keinen Einspruch erhoben hat, auch für einen Einspruchsverzicht des Beschuldigten (§ 461 Z 4 StPO). Die Bezahlung einer Geldstrafe innerhalb offener

(Rechtsmittel- oder) Einspruchsfrist ist aber - gleichermaßen wie die Erklärung, eine Freiheitsstrafe sofort antreten zu wollen (vgl. Mayerhofer/Rieder StPO2 ENr. 16, Foregger-Serini StPO3 Anm. II, jeweils zu § 285 a) - insoweit regelmäßig (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 18 zu § 285 a, ENr. 3 zu § 462; Foregger-Serini aaO Anm. II zu § 462) als konkludente Erklärung (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 7, Foregger-Serini aaO Anm. II, jeweils zu § 285 a) eines (Rechtsmittel- oder) Einspruchsverzichts zu verstehen, und zwar insbesondere dann, wenn sie durch die folgende Nichterhebung eines (Rechtsmittels oder) Einspruchs durch den Erklärenden als solche verifiziert wird (vgl. Mayerhofer/Rieder aaO Anm. zu § 462 ENr. 3 und Nebengesetze2 Anm. 3 zu § 2 TilgG. Kunst-Petrik TilgG2 Anm. 2 zu § 2 Abs. 2).

Im vorliegenden Fall ist dementsprechend die Strafverfügung nicht erst am 11. (und auch nicht erst mit dem Ablauf der Einspruchsfrist am 13.) Mai, sondern im Hinblick darauf, daß der Bezirksanwalt schon am 14.April 1987 auf einen Einspruch verzichtet hatte, bereits mit der Bezahlung der Geldstrafe (als konkludentem Einspruchsverzicht) durch den Beschuldigten am 29.April dJ in Rechtskraft übergegangen.

3. Die in der Endverfügung beurkundete weitere Rechtsansicht des Bezirksgerichtes, daß die Tilgungsfrist zu dieser Verurteilung schon am zuletzt bezeichneten Tag zu laufen begonnen habe, erweist sich daher im Ergebnis als richtig; die ihr zugrundeliegende Auffassung jedoch, daß mit der Bezahlung einer Geldstrafe (ersichtlich gemeint:

gleichwie mit der vollständigen Verbüßung einer einstweilen angetretenen Freiheitsstrafe) die Tilgungsfrist zu der betreffenden Verurteilung auch dann zu laufen beginne, wenn die Strafe schon vor dem Eintritt von deren Rechtskraft bezahlt (oder solcherart verbüßt) werde, ist gleichfalls verfehlt.

Denn die Bezahlung einer Geldstrafe während offener Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist oder während der Anhängigkeit eines Rechtsmittelverfahrens entfaltet ebenso wie die bereits in jenem Verfahrensstadium vollständige Verbüßung einer einstweilen angetretenen Freiheitsstrafe erst dann die (den Beginn der Tilgungsfrist auslösende) Rechtswirkung, daß die Strafe im Sinn des § 2 Abs. 1 (erster Fall) TilgG "vollzogen ist", wenn deren Ausspruch in Rechtskraft erwächst: erst mit dem Eintritt der Rechtskraft erhält das vom Verurteilten vorweg auf sich genommene Strafübel seinen (für eine Zuordnung als dessen Vollzug vorauszusetzenden) endgültigen Bezugspunkt (§ 398 StPO); auch die Bestimmungen der §§ 294 Abs. 1, 466 Abs. 6 StPO, die lediglich einen einstweiligen Strafvollzug ermöglichen, ändern daran nichts.

Die Unrichtigkeit der Gegenansicht wird insbesondere etwa in Fällen deutlich, in denen eine vorzeitig, jedoch ohne Rechtsmittel- oder Einspruchsverzicht bezahlte Geldstrafe auf Verlangen zurückerstattet wird oder in denen ein Rechtsmittelverfahren nach vollständiger Verbüßung einer einstweilen angetretenen Freiheitsstrafe (etwa wegen Abwesenheit des Angeklagten) während eines der Tilgungsfrist entsprechenden Zeitraums nicht abgeschlossen werden kann: daß die Annahme des Beginns der Tilgungsfrist mit der Bezahlung der Geldstrafe und mit der Verbüßung der einstweilen angetretenen Freiheitsstrafe diesfalls den sachlogischen Zielsetzungen des TilgG augenscheinlich widerspräche, liegt auf der Hand.

III. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren daher die dem Bezirksgericht Donaustadt bei der Erlassung der Endverfügung und bei der erörterten Beschlußfassung unterlaufenen Gesetzesverletzungen wie im Spruch festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO zu beheben.

Mit Bezug auf darnach unrichtige frühere Mitteilungen an das Strafregisteramt wird nach § 5 Abs. 1 StrRegG vorzugehen sein.

Anmerkung

E15634

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00105.88.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19880830_OGH0002_0150OS00105_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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