TE OGH 1988/9/22 7Ob639/88

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Emil Wolfgang D***, Facharzt, Wels, Schillerstraße 7, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei mj. Jürgen D***, geboren 9. April 1978, Wels, Kalkofenstraße 20, vertreten durch Dr. Ursula Hager, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, sowie die auf Seite des Beklagten beigetretene Nebenintervenientin Renate D***, Hausfrau, Wels, Kalkofenstraße 20, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 14. März 1988, GZ R 97/88-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 8. Oktober 1987, GZ 5 C 1032/86-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten und der Nebenintervenientin die mit je 2.719,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen;

2) den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Die Eingabe des Klägers vom 13. September 1988 wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte entstammt der am 20. Mai 1972 zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin geschlossenen Ehe, die inzwischen geschieden worden ist. Er wurde am 9. April 1978 geboren. Im Zeitraum von 302 bis 180 Tagen vor der Geburt des Beklagten hat die Nebenintervenientin einerseits viele Male mit dem Kläger, einmal jedoch auch mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt. Nachdem eine nach der Geburt bei dem Kind vorgenommene Blutprobe den Befund "A-Rhesusfaktor positiv" ergeben hatte, war dem Kläger klar, daß er bei Richtigkeit dieses Blutbefundes nicht Vater des Beklagten sein könne, weil er die Blutgruppe O und die Nebenintervenientin die Blutgruppe B hatte. Auch eine einige Tage später vorgenommene Wiederholung der Blutuntersuchung ergab kein anderes Ergebnis. Hierauf teilte der Kläger der Nebenintervenientin mit, er könne nach der Blutgruppenuntersuchung nicht der Vater des Kindes sein. Die Nebenintervenientin gestand ihm hierauf ihren Seitensprung, worüber sich der Kläger bestürzt zeigte und erklärte, er müsse sich das erst durch den Kopf gehen lassen und auf zwei bis drei Tage ins Gebirge fahren, um wieder klar zu sehen. Die Nebenintervenientin sagte hierauf, falls der Kläger dies nicht ertragen könne, sei sie bereit die Konsequenzen zu ziehen und sich scheiden zu lassen.

Nach zwei oder drei Tagen kam der Kläger zurück, erklärte der Nebenintervenientin zu verzeihen, er sei selber zum Teil schuld an dieser Situation und dies solle ein Geheimnis zwischen den Gatten bleiben.

In den folgenden Jahren behandelte der Kläger den Beklagten wie seinen eigenen Sohn. Zwischen den Ehegatten wurden die Zweifel an der Vaterschaft des Klägers nicht mehr erwähnt.

Erst nach erfolgter Scheidung ließ der Kläger beim Beklagten neuerlich eine Blutuntersuchung vornehmen, die dieselben Ergebnisse erbrachte, wie die Untersuchungen nach der Geburt.

Die vorliegende Ehelichkeitsbestreitungsklage wurde am 18. Juni 1986 eingebracht. Sie wurde von beiden Vorinstanzen wegen Versäumung der in § 156 ABGB normierten Jahresfrist abgewiesen, wobei das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes ausführte:

Die erwähnte Frist beginne zu laufen, wenn dem Ehemann Umstände von so großer Beweiskraft bekannt werden, daß er die Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft als höchstwahrscheinlich ansehen müsse und erwarten könne, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozeß nachkommen zu können. Die bekanntgewordenen Umstände müssen die Ehelichkeit des Kindes ernsthaft in Frage stellen und die Möglichkeit der unehelichen Abstammung begründen. Eine absolute Gewissheit über die Unehelichkeit des Kindes sei für den Beginn des Fristlaufes hingegen nicht erforderlich. Diese Frist sei nicht der willentlichen Beeinflussung durch den bestreitenden Mann unterworfen. Sei er in Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, also solchen, die einem vernünftigen, an der Klärung familienrechtlicher Verhältnisse Interessierten seine Vaterschaft zu einem von seiner Ehefrau geborenen Kind unwahrscheinlich erscheinen lassen müssen, obliege ihm auch die Sammlung der Beweismittel zur Widerlegung der Vaterschaftsvermutung. Das folge aus der ihm in Form der Klagsführung auferlegten Bestreitungslast und der prozessualen Dilligenzpflicht. Den Ehemann könne eine nach seiner Ansicht noch notwendige Begutachtung, welche Gewißheit über die Abstammung des Kindes bewirken soll, nicht nach seiner Willkür hinausschieben, um erst zu einem ihm genehmen Zeitpunkt die Bestreitungsfrist beginnen zu lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit unternimmt der Kläger ausschließlich den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen. Im übrigen werden hier gar keine Feststellungen, sondern nur eine Argumentation bekämpft. Bei der Ausführung der Rechtsrüge entfernt sich der Kläger von den festgestellten Tatsachen. Nach diesen Feststellungen lagen bereits unmittelbar nach der Geburt des Beklagten derart schwerwiegende Verdachtsmomente gegen die Vaterschaft des Klägers vor, daß sie bei jedermann, insbesondere aber bei einem Fachmann, wie dem Kläger, ernsthafteste Zweifel an der Vaterschaft begründet hätten. Tatsächlich ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen auch, daß der Kläger seine Vaterschaft ernstlich in Zweifel gezogen hat. Die vielleicht noch notwendige restliche Aufklärung hat er nicht aus Unkenntnis, sondern bewußt unterlassen, weil er an seiner familiären Situation nichts ändern wollte. Demnach wurde trotz der ernsten Zweifel das letzte noch fehlende Glied einer Aufklärungskette vom Kläger bewußt nicht angefügt. Daß ein derartiges Verhalten eines Mannes, der seine Vaterschaft zu einem Kind in Zweifel zieht, die Bestreitungsfrist des § 156 ABGB nicht verlängern kann, hat das Berufungsgericht unter ausführlicher Zitierung der Judikatur und Literatur richtig dargelegt. Dieser rechtlichen Beurteilung ist vom Obersten Gerichtshof nichts hinzuzufügen. Sie entspricht voll der Sach- und Rechtslage. Die Revision erweist sich sohin als nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, doch war weder dem Beklagten noch der Nebenintervenientin ein Streitgenossenzuschlag zuzusprechen, weil ein solcher gemäß § 15 RAT-Gesetz nur dann gebührt, wenn ein Anwalt entweder mehrere Personen vertritt oder mehreren Personen gegenübersteht. Dies war bei den Anwälten der genannten Parteien nicht der Fall. Die Eingabe des Klägers vom 13. September 1988 war zurückzuweisen, weil derartige Schriftsätze, die noch dazu nur Neuerungen enthalten, im Revisionsverfahren nicht zulässig sind.

Anmerkung

E15473

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00639.88.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19880922_OGH0002_0070OB00639_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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