TE OGH 1988/9/27 2Ob585/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Christian H***, geboren

26. November 1977, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Hans H***, 3001 Mauerbach, Hauptstraße 120, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Juni 1988, GZ 44 R 3207/88-195, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 30. März 1988, GZ 8 P 155/87-189, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes zum mj. Christian ab, wobei es zur Begründung im wesentlichen ausführte, daß der minderjährige, aus der geschiedenen Ehe stammende Christian ein körperlich altersgemäß entsprechend entwickeltes Kind sei, das allerdings erst im Alter von vier bis fünf Jahren zu sprechen begonnen habe. Der mj. Christian werden als intellektuell unterdurchschnittlich befähigt beurteilt, wobei auch ein deutlicher Entwicklungsrückstand mit Beeinträchtigung der Feinmotorik und Sprachstörungen diagnostiziert worden sei. Das Kind neige zu Jähzornsanfällen und aggressiven Handlungen, wobei laufende psychotherapeutische Behandlungen notwendig seien, um wesentliche Verbesserungen zu erzielen. Auffällig sei, daß das im 11. Lebensjahr stehende Kind noch ein kleinkindhaft anmutendes Weltbild aufweise und übermäßig stark an die Mutter gebunden erscheine. Zum nunmehrigen Lebensgefährten der Mutter bestehe ein guter, vor allem durch gemeinsame Sportaktivitäten und Lernunterstützung geförderter Kontakt, ebenso zur älteren Halbschwester Nina. Der Kontakt zum Vater bestehe seit vier Jahren überhaupt nicht mehr und die vor zwei Jahren durchgeführten Versuche des Vaters, den Minderjährigen nach der Schule zu besuchen, hätten zu Irritationen des Kindes geführt. Auf Grund des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. Erwin S*** wurde weiters vom Erstgericht festgestellt, daß beim Minderjährigen derzeit keine Anzeichen für ein positives Vaterbild bestünden und durch die mehrjährige Kontaktlosigkeit zwischen Vater und Sohn eine weitgehende Entfremdung eingetreten sei. Im derzeitigen Familienverband (Mutter - deren Lebensgefährte und Halbschwester) erlebe der Minderjährige ein negatives Vaterbild, insbesondere geprägt durch die lange Jahre andauernden Konflikte zwischen den leiblichen Eltern, wobei das Fehlen jeglicher Gesprächsbasis und Kommunikation zwischen den Eltern als hauptverantwortlich dafür bezeichnet wird. Auch die Erinnerungen des Kindes an seinen Vater werden als durchwegs negativ beschrieben. Der Minderjährige mache derzeit einen günstigen psychosozialen Reifungsprozeß durch, der nach den Sachverständigenerkenntnissen durch ein Besuchsrecht des Vaters erheblich gestört würde. Psychische Irritationen wären die Folge, wobei derzeit für das positive Erleben eines Besuchskontaktes zum Vater beim Kind jegliche Voraussetzungen fehlten, insbesondere eine positive Gesprächsbasis zwischen den Eltern. Eine weitere Steigerung der Aggressivität des Kindes und eine Potenzierung der Lernschwierigkeiten sei zu erwarten, so daß das Erstgericht aus Rücksicht auf das primär zu beachtende Kindeswohl zum Schluß gelangte, daß eine Besuchsrechtsausübung abzulehnen sei.

Der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Erstgerichtes blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, die intellektuelle Minderbegabung und der Entwicklungsrückstand des Minderjährigen sei durch einen psychiatrisch-psychologischen Befund der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters vom 12. November 1986 festgestellt worden. Ein weiterer klinischer Befundbericht derselben Anstalt vom 28. September 1987 habe eine wesentliche Verbesserung sowohl des Verhaltens als auch der Leistungsfähigkeit des Minderjährigen aufgezeigt, wobei sich laut diesem Befund auch das Verhältnis zwischen dem Knaben und seiner Mutter wesentlich gebessert habe. Ein Kontrolltest vom November 1987 ergab, daß die meisten Testwerte noch unter den Mittelwerten der Altersgruppe des Kindes gelegen und sowohl soziales Reifeniveau als auch Bildungsniveau unterdurchschnittlich sind, ebenso Kritikfähigkeit und vasomotorische Leistungen. Eine deutlich erkennbare Schwäche im Umgang mit Zahlen sei testmäßig erfaßbar gewesen. Eine deutliche Verbesserung habe sich im kombinatorischen Denken, in der allgemeinen Lernfähigkeit und im begrifflichen Denken gezeigt. Das Verhältnis zur Mutter sei laut diesem Test realitätsbezogener als früher, die Aggressionspotentiale seien deutlich gemindert. Ein diesbezüglicher psychologischer Testbefund habe ergeben, daß der Knabe ein lieb und bemüht wirkendes Kind sei, das intellektuell, sprachlich und feinmotorisch nach wie vor einen deutlichen Entwicklungsrückstand aufweise und vermutlich bei herabgesetzter Impulskontrolle auch vermehrte Aggressionsneigungen zeige. Der mj. Christian sei emotional stark an seine Mutter gebunden, Anzeichen für irgendeine Art einer positiven Vaterbeziehung hätten sich weder in den Testprotokollen noch auch in den anderen Explorationsversuchen gefunden. Im Zeichen- und Figurentest habe der Minderjährige nur mit Kindern und weiblichen Figuren testmäßig arbeiten können und keine männliche Figur in seine szenischen Gestaltungen einbezogen. Dies passe auch zu dem Ergebnis, daß im Satzergänzungstest zu dem Satzbeginn "mein Vater ......" kein Ergänzungsstatement abgegeben worden sei. Das kontaktbereite und zugängliche Kind zeige auch verlangsamte Reaktionsweisen, wobei die Ausdrucksmotorik eines wesentlich jüngeren Kindes im Vordergrund stehe. Bemerkenswert sei auch noch die undeutliche Sprache, wobei gewisse Lautkombinationen nur schwer gelingen und auch der Satzbau noch Mängel aufweise. Die derzeitige familiäre Einbindung des Kindes, insbesondere die durch den Lebensgefährten der Mutter erfolgte sinnvolle Freizeitgestaltung und Lernhilfe habe Anzeichen eines psychosozialen Konsolidierungsgeschehens erbracht, wobei auch im Anpassungsprozeß an Gleichaltrige und beim Abschluß von Freundschaften keine Anpassungsprobleme auftreten. Das derzeit gegebene gesamte familiäre Bild des Minderjährigen habe den Vater in die Position des krassen Außenseiters gedrängt, dem eine wohl geschlossene Ablehnungsfront sowohl der Mutter als auch des Kindes gegenüberstehe. Sicherlich könne nicht negiert werde, daß hier eine Übernahme des mütterlichen Verhaltens und die massive Ablehnung und Feindlichkeit der Mutter gegenüber dem Vater für den Minderjährigen massiv und prägend seien, jedoch sei durch die Gesamtsituation infolge der mehrjährigen tatsächlich gegebenen Kontaktlosigkeit zwischen Vater und Sohn eine derart tiefgreifende und weitgehende Entfremdung im Vaterbezug eingetreten, daß der Minderjährige sogar so weit gehe, zu behaupten, die väterlichen Verwandten gar nicht mehr zu kennen. Dieses komplette Fehlen eines positiven Vaterbildes ließe aus kinderneuropsychiatrischer Sicht den Schluß zu, daß durch Gewährung eines Besuchsrechtes und die unweigerlich zu erwartenden Streitigkeiten zwischen den Elternteilen das Kind in ein schweres seelisches Dilemma gestürzt und in seinem derzeit laufenden, günstig zu beurteilenden psychosozialen Reifungsprozeß empfindlich gestört würde, was sehr wahrscheinlich wieder in erhöhter Aggressivität als Versuch des Angstabbaues seinen Niederschlag finden würde. Gepaart wäre diese Entwicklung erfahrungsgemäß noch mit zusätzlich auftretenden Lernschwierigkeiten infolge der seelischen Belastungen. Das Wohl des Kindes sei der oberste Grundsatz jeder Besuchsrechtsregelung. Der Sachverständige habe indes deutlich und auf Grund der wissenschaftlichen Leitlinien logisch nachvollziehbar aufgezeigt, daß das Kind im Falle der Besuchsrechtsgewährung durch die neuerlich aufflammenden Spannungen zwischen den Eltern in ein derartiges Spannungsfeld geraten würde, daß die weitere psychische Entwicklung, hier sogar der eingetretene Konsolidierungsprozeß, gefährdet würde. Auf Grund dieser Voraussetzungen habe das Erstgericht daher derzeit zu Recht den Besuchsrechtsregelungsantrag des Vaters abgewiesen. Es werde nicht verkannt, daß mit dieser Entscheidung die Haltung der Mutter, die das Kind dem Vater offenbar bewußt entfremdet habe, "belohnt" werde, doch könne die bisherige Entwicklung nicht ungeschehen gemacht werden und es handle sich außerdem hier um ein Problemkind, bei dem jegliche seelische Erschütterung - und die Aufnahme des Besuchskontaktes zum Vater wäre eine solche - vermieden werden müsse.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG des Vaters aus den Anfechtungsgründen der Nichtigkeit, der Aktenwidrigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Einräumung des beantragten Besuchsrechtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt; schließlich wird beantragt, die Entscheidung eines verstärkten Senates gemäß § 8 OGHG herbeizuführen und allenfalls einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 BVG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 148 ABGB insbesondere in Hinblick darauf zu stellen, ob die Untersagung des Besuchsrechtes bei einer unerträglichen Störung der Beziehungen des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwächst, mit Art. 8 MRK vereinbar sei.

Zu dem Antrag, die Sache vor einen verstärkten Senat des Obersten Gerichtshofes zu bringen, ist der Rechtsmittelwerber darauf zu verweisen, daß das Gesetz ein derartiges Antragsrecht der Parteien nicht vorsieht; ein dennoch gestellter Antrag kann daher nur als Anregung zu einer Beschlußfassung im Sinne des § 8 Abs 1 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof vom 19. Juni 1968, BGBl. 328/1968, aufgefaßt werden. Demzufolge hat eine formelle Beschlußfassung über einen solchen Antrag nicht stattzufinden (vgl. SZ 50/97 ua). Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 8 des zitierten Bundesgesetzes nicht gegeben sind. Es sieht sich daher zu einer Beschlußfassung auf Verstärkung des Senates im Sinne der genannten Gesetzesstelle nicht veranlaßt. Nach Auffassung des erkennenden Senates bestehen auch gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 148 ABGB, insbesondere auch im Hinblick auf Art. 8 MRK, keinerlei Bedenken (vgl. hiezu Frowein-Peukert, EMRK Komm. S. 205, Anm. 22), so daß zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Art. 140 BVG kein Anlaß besteht. Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt.

Zu den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der Nichtigkeit führt der Rechtsmittelwerber aus, das Rekursgericht schließe sich im wesentlichen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes und des Sachverständigen an, daß das Kind im Falle der Besuchsrechtsgewährung durch die neuerlich aufflammenden Spannungen zwischen den Eltern in ein derartiges Spannungsfeld geraten würde, daß die weitere psychische Entwicklung, hier sogar der eingetretene Konsolidierungsprozeß gefährdet wäre. Diese Feststellungen seien aktenwidrig, zumal unmittelbar daran anschließend festgestellt werde, ".... Es wird nicht verkannt, daß mit dieser Entscheidung die Haltung der Mutter, die das Kind dem Vater offenbar bewußt entfremdet hat, belohnt wird, doch kann die bisherige Entwicklung nicht ungeschehen gemacht werden und handelt es sich außerdem hier um ein Problemkind, bei dem jede seelische Erschütterung, und die Aufnahme des Besuchskontaktes zum Vater wäre eine solche, vermieden werden muß." Das Kind habe den Vater im Jänner 1988 an seinem Wohnort mit dem Fahrrad aufgesucht, jedoch nicht angetroffen. Die Feststellungen des Gerichtes, das Kind kenne ihn nicht und lehne jeden Kontakt zu ihm ab, seien daher ebenfalls aktenwidrig und es stelle die Nichtberücksichtigung bzw Unterlassung der Überprüfung dieses Vorbringens von grundsätzlicher Bedeutung allenfalls auch den Revisionsgrund der Nichtigkeit dar. Nichtig sei ferner die im gesamten Verfahren erfolgte Außerachtlassung des Kindeswohles und die ausschließliche Anlehnung an das mehr als zweifelhafte, ja sogar mit sonstigen Feststellungen im Widerspruch stehende Gutachten des Sachverständigen Dr. S***. In gesetzwidriger Weise sei auch von der Anhörung des zehnjährigen Kindes Abstand genommen worden.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nur dadurch erfüllt wird, daß das Gericht die Tatsache oder den Inhalt einer Verfahrenserklärung eines Beteiligten oder eines schriftlichen oder schriftlich beurkundeten Auskunftsmittels abweichend von ihrer aktenkundigen Abfassung als tragende Entscheidungsgrundlage heranzieht (EFSlg 52.813 ua). Eine derartige Aktenwidrigkeit vermag der Rechtsmittelwerber jedoch nicht aufzuzeigen. Seine Ausführungen stellen vielmehr, soweit sie nicht die Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S*** in Zweifel ziehen und damit der im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung zu unterstellen sind (vgl. EFSlg 52.746 ua), eine Bekämpfung der rechtlichen Schlußfolgerungen des Rekursgerichtes dar. Auch mit dem Vorbringen, der Minderjährige habe ihn im Jänner 1988 mit dem Fahrrad an seinem Wohnort aufgesucht, jedoch nicht angetroffen, die Feststellung des Gerichtes, das Kind kenne ihn nicht und lehne jeden Kontakt zu ihm ab, sei daher aktenwidrig, zeigt der Rechtsmittelwerber schon deshalb keine Aktenwidrigkeit auf, weil das Rekursgericht Tatsachenfeststellungen in der im Revisionsrekurs angeführten Form gar nicht getroffen hat. Ebensowenig vermag der Rechtsmittelwerber mit seinen Ausführungen hinsichtlich der Nichtberücksichtigung seines Vorbringens über den Besuch des Kindes in seinem Wohnort im Jänner 1988, bei welchem der Minderjährige ihn nach seinem eigenen Vorbringen nicht angetroffen hat, mit der Bekämpfung der Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S*** und der Unterlassung der Anhörung des Minderjährigen vor der Entscheidung über die Einräumung des Besuchsrechtes einen Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit (EFSlg 52.804 uva), der allein dem Anfechtungsgrund der Nullität unterstellt werden könnte, aufzuzeigen.

Als offenbar gesetzwidrig bekämpft der Vater die Ablehnung der Einräumung eines Besuchsrechtes zu dem Minderjährigen, die eine Außerachtlassung des Kindeswohles und nach der Begründung des Rekursgerichtes eine Belohnung der Mutter für die bewußte Entfremdung des Kindes von seinem Vater darstelle.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180; SZ 46/98 uva), oder das Gericht gegen ein Grundprinzip der Rechtsordnung, etwa durch gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohles, verstoßen hat (EFSlg 52.759 uva). Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht jedes Elternteiles, mit dem Kind persönlich zu verkehren, ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, somit ein allgemein anzuerkennendes Menschenrecht (EFSlg 48.275, 45.716, 43.216 uva). Zweck des Besuchsrechtes ist es, eine auf Blutsverwandtschaft beruhende Bindung zwischen Eltern und Kind aufrechtzuerhalten, eine gegenseitige Entfremdung zu verhindern und dem nicht erziehungsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von der Erziehung und dem Gesundheitszustand des Kindes zu überzeugen (EFSlg 48.278, 43.218 uva). Doch haben die Eigeninteressen der Eltern zurückzustehen; ausschlaggebend ist allein das Wohl der Kinder (EFSlg 48.276, 45.720 und 45.721 uva). Ist mit der Ausübung des Besuchsrechtes eine erhebliche seelische Irritation der Kinder verbunden, die jenes Maß überschreitet, das als natürliche Folge der Zerreißung des Familienbandes durch die Trennung der Eltern in Kauf genommen werden muß, muß diesem Konflikt für die Frage der Besuchsrechtsgewährung besondere Bedeutung zugemessen werden (EFSlg 48.345, 40.739); in einem solchen Konfliktsfall hat der Anspruch auf die Ausübung des Besuchsrechtes gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (EFSlg 45.722); so lange die Ausübung des Besuchsrechtes für den Minderjährigen abträglich wäre, ist dieses zu untersagen.

Nach den Feststellungen, von denen der Oberste Gerichtshof auszugehen hat, würde durch Gewährung eines Besuchsrechtes und die damit verbundene neuerliche Konfliktausweitung bzw. die unweigerlich zu erwartenden Streitigkeiten zwischen den Elternteilen das Kind in ein schweres seelisches Dilemma gestürzt und in seinem derzeit laufenden, günstig zu beurteilenden psychosozialen Reifungsprozeß empfindlich gestört werden, was sehr wahrscheinlich wieder in erhöhter Aggressivität als Versuch des Angstabbaues seinen Niederschlag finden würde. Gepaart wäre diese Entwicklung erfahrungsgemäß noch mit zusätzlich auftretenden Lernschwierigkeiten infolge der seelischen Belastungen, zumal es sich beim Minderjährigen um ein sog. Problemkind handelt, dem seelische Erschütterungen im Interesse seiner Gesundheit erspart bleiben müssen. Das Rekursgericht hat sich mit den Einwendungen des Vaters gegen die Ablehnung seines Besuchsrechtes unter Bedachtnahme auf das Wohl des Kindes sachlich auseinandergesetzt und kam auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, daß das Wohl des Kindes der Einräumung des Besuchsrechtes entgegenstehe.

Wurden aber im Fall einer Entscheidung über die Besuchsrechtsregelung alle nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kriterien, insbesondere das Wohl des Kindes, in die anzustellenden Ermessenserwägungen einbezogen, dann liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG nicht vor (EFSlg 44.656, 44.657, 49.966; 2 Ob 537/88 uva).

Anmerkung

E15373

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00585.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0020OB00585_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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