TE OGH 1988/9/27 4Ob83/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alphons B***, Techniker, Bad Reichenhall, Maximilianstraße 2, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Hans-Peter Benischke, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1./ Karl F***, Industrieller, 2./ Walter D***, Betriebsleiter, beide Leibnitz, Marburger Straße 36, beide vertreten durch Dr. Franz Kodolitsch und Dr. Nikolaus Kodolitsch, Rechtsanwälte in Graz, 3./ Franz Rado P***, Kaufmann, Graz, Am Fuße des Schloßberges 4, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 9,546.472,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. Juni 1988, GZ 1 R 107/88-107, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. März 1988, GZ 7 Cg 31/88-101, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den erst- und zweitbeklagten Parteien zur ungeteilten Hand die mit S 37.534,16 (darin enthalten S 3.412,19 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) und der drittbeklagten Partei die mit S 38.638,40 (darin enthalten S 2.967,13 Umsatzsteuer und S 6.000,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Inhaber des - inzwischen

abgelaufenen - österreichischen Patents Nr. 191.179, betreffend eine Vorrichtung zum Anzeigen und zur Registrierung der Fahrgeschwindigkeit und der Wegstrecke von Kraftfahrzeugen. Mit der Behauptung, die Beklagten hätten bis zum Jahr 1971 mindestens 28.244 patentgeschützte Geräte an die Firma TAP in Jugoslawien geliefert und dadurch den zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten bestehende Lizenzvertrag verletzt und in das Patentrecht des Klägers eingegriffen, begehrt der Kläger mit der vorliegenden, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz am 19. 12. 1974 eingebrachten Klage, die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 9,546.472,-

samt 4 % Zinsen seit dem Tag der Einbringung der Klage zu verurteilen (siehe zuletzt ON 71, S 315).

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Der behauptete Verstoß gegen den Lizenzvertrag bzw. die Patentrechte des Klägers liege nicht vor. Auf allfällige - im übrigen bestrittene - Patentverletzungen durch die Firma TAP hätten sie keinen Einfluß genommen. Der erhobene Schadenersatzanspruch sei bereits verglichen worden. Er sei aber auch verjährt, weil der Kläger die Klage erst nach Ablauf von drei Jahren nach Kenntnis von Schaden und Schädiger eingebracht habe.

Mit einer weiteren, bereits am 24. 11. 1972 beim Handelsgericht Wien eingebrachten Patenteingriffsklage (zuletzt 19 Cg 30/85) begehrte der Kläger vom Erstbeklagten (ua)

1. Rechnungslegung über alle in der Zeit vom 1. 1. 1967 bis 31. 12. 1971 vom Beklagten hergestellten und durch den Verkauf an die Firma TAP in Ptuj, Jugoslawien, in Verkehr gebrachten, auch nicht selbständig geschützten Teile der durch das Patent geschützten Erfindung, die von vornherein dazu bestimmt waren, von der Firma TAP zu der geschützten Erfindung zusammengefügt zu werden,

2. die Überprüfung dieser Abrechnung durch einen vom Kläger zu bestellenden Buchsachverständigen sowie

3. die Zahlung des sich daraus ergebenden Betrages sowie eines weiteren Betrages von S 500.000,- sA.

Zur Begründung dieser Ansprüche führte der Kläger im wesentlichen aus, daß der (Erst-)Beklagte seit 1967 eine Reihe von Gußteilen, sämtliche Stanz, Dreh- und Kunststoffspritzteile sowie Getrieberäder der geschützten Erfindung widerrechtlichen hergestellt und zum Zusammenbauen nach Jugoslawien geliefert habe. Mit Beschluß vom 11. 7. 1980 (ON 72) unterbrach das Erstgericht das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des beim Handelsgericht Wien (damals zu 19 Cg 37/78) anhängigen Verfahrens wegen Präjudizialität. Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht bestätigte diesen Unterbrechungsbeschluß. Nach der übereinstimmenden Auffassung der Vorinstanzen sei die Unterbrechung geboten gewesen, weil die Entscheidung in beiden Verfahren von der Frage abhänge, ob der Erstbeklagte bis zum Jahr 1971 das Patent des Klägers verletzt habe.

Das beim Handelsgericht Wien anhängige Verfahren wurde am 17. 3. 1981 bis zir rechtskräftigen Erledigung eines gegen den Zeugen Ing. Andrej K*** einzuleitenden Strafverfahren wegen des Verdachtes der falschen Zeugenaussage unterbrochen. Die gegen Ing. Andrej K*** erstattete Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Wien am 24. 3. 1981 gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt. Der Kläger wurde von dieser Zurücklegung der Anzeige nicht verständigt, weil er sich dem Verfahren nicht als Privatbeteiligter angeschlossen hatte. Erst am 8. 8. 1985 beantragte der Kläger die Fortsetzung des beim Handelsgericht Wien anhängigen Patenteingriffsverfahrens. Der (Erst-)Beklagte wendete hierauf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. Tatsächlich wurde die Klage in allen Instanzen wegen Verjährung abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof führte in seiner Entscheidung 4 Ob 350/86 dazu im wesentlichen folgendes aus:

Eine Verpflichtung, den Kläger von der Einstellung des Strafverfahrens zu verständigen, habe weder das Strafgericht noch das Zivilgericht getroffen. Es wäre Sache des Klägers gewesen, sich zur Vermeidung der in § 1497 ABGB normierten Nachteile innerhalb angemessener Frist nach dem Ergebnis der strafrechtlichen Beurteilung der Aussage des Zeugen Ing. Andrej K*** durch die Staatsanwaltschaft zu erkundigen und gegebenenfalls von sich aus für den Fortgang des Rechtsstreites zu sorgen, dies umso mehr, als das Handelsgericht Wien im Unterbrechungsbeschluß ausgesprochen habe, daß das Verfahren nur auf Antrag einer Partei fortgesetzt werde. Der Kläger habe sich nahezu vier Jahre lang nicht um das Schicksal der auf seine Anregung erstatteten Strafanzeige gekümmert und auch sonst nichts zur Betreibung des Rechtsstreites unternommen; diese außergewöhnliche Untätigkeit könne nur dahin verstanden werden, daß ihm an der Erreichung seines Prozeßzieles nichts mehr gelegen gewesen sei.

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 350/86 wurde dem Kläger am 3. 9. 1987 zugest llt.

Am 23. 9. 1987 beantragte der Kläger, dessen Vertreter Rechtsanwalt DDr. Hans E*** schon am 23. 5. 1985 die Kündigung des Vollmachtsverhältnisses mitgeteilt hatte, (neuerlich) die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes "zur Fortsetzung" des vorliegenden Verfahrens. Nachdem dem Kläger die Verfahrenshilfe in diesem Umfang neuerlich bewilligt worden war, beantragte der nunmehrige Vertreter des Klägers am 20. 1. 1988 die Fortsetzung des Verfahrens. Die Beklagten machten nunmehr Verjährung auch wegen nicht gehöriger Fortsetzung der vorliegenden Klage geltend (ON 99 und 100); der Erstbeklagte wendete überdies eine rechtskräftige zugesprochene Kostenforderung zur Aufrechnung ein.

Der Kläger erwiderte auf den Verjährungseinwand, daß er den Antrag auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens unverzüglich nach der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im präjudiziellen Verfahren gestellt habe.

Das Erstgericht wies das auf Zahlung von S 9,546.472,- samt 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage gerichtete Begehren ab. Da der Kläger das präjudizielle Verfahren, in dem die als Grundlage des vorliegenden Schadenersatzanspruches behauptete Patentverletzung hätte geprüft werden sollen, nicht gehörig betrieben habe, sei auch die hier erhobene Schadenersatzklage nicht gehörig fortgesetzt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Wegen des Unterbrechungsbeschlusses hätte der Kläger das vorliegende Verfahren zwar nicht vor rechtskräftiger Beendigung des beim Handelsgericht Wien anhängig gewesenen (präjudiziellen) Verfahrens fortsetzen können. Dennoch habe er nicht alles unternommen, was er zur Weiterführung des vorliegenden Verfahrens hätte tun können, wirke doch seine Untätigkeit im Vorprozeß auch auf das unterbrochene Verfahren. Die ca. 4-jährige Untätigkeit des Klägers im Vorprozeß könne nur dahin verstanden werden, daß ihm auch an der Erreichung des Prozeßzieles im vorliegenden Verfahren nichts mehr gelegen gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanzen, daß die ihm im Vorprozeß angelastete ungewöhnliche Untätigkeit auch im vorliegenden Verfahren als nicht gehörige Fortsetzung der Klage im Sinne des § 1497 ABGB zur Last falle. Nur er und der Erstbeklagte seien am Vorprozeß beteiligt, die jeweils verfolgten Ansprüche "verschiedener Natur" gewesen; ob der Kläger das vorliegende Verfahren gehörig fortgesetzt habe, sei daher "gesondert" zu beurteilen. Das vorliegende Verfahren habe er jedoch unverzüglich nach der Beendigung des Vorprozesses fortgesetzt. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Die - im vorliegenden Fall nach § 154 PatG, § 1489 ABGB nach 3 Jahren eintretende - Verjährung wird durch die Erhebung der Klage nur dann unterbrochen, wenn die Klage "gehörig fortgesetzt wird" (§ 1497 ABGB). "Nicht gehörige Fortsetzung" bedeutet eine - im Einzelfall zu beurteilende - Nichtbetätigung des Klägers (SZ 5/211; SZ 45/97 uva); dabei kommt es nicht auf die Dauer der Untätigkeit, sondern darauf an, ob die Untätigkeit gerechtfertigt war, wofür den Kläger die Behauptungs- und Beweislast trifft (SZ 36/50 uva). Es muß eine ungewöhnliche Untätigkeit des Klägers vorliegen, aus der entnommen werden kann, daß es ihm an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozeßzieles fehlt (EvBl 1973/17 uva). Die Gründe prozessualer Untätigkeit sind nicht von Amts wegen zu prüfen, wohl aber, ob der Kläger überhaupt gehalten war, eine (Prozeß-)Handlung vorzunehmen, um dem Verfahrensstillstand zu begegnen (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1497). Eine derartige ungewöhnliche Untätigkeit wurde von der Rechtsprechung beispielsweise im Nichterlag einer aktorischen Kaution (GlUNF 408), im Nichterlag eines Kostenvorschusses für den beweisführenden Kläger (RZ 1955, 32), in der Nichtbefolgung eines befristeten gerichtlichen Auftrages (JBl 1963, 207), nicht aber in der Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens zum Zwecke des Abwartens des Ausganges eines Vorprozesses (SZ 40/151) oder zur Vornahme von Vergleichsgesprächen (SZ 45/97) erblickt; letzteres allerdings nur dann, wenn das Verfahren unverzüglich nach dem Wegfall des Grundes des Zuwartens fortgesetzt wurde. Im Fall der Unterbrechung des Verfahrens nach §§ 190, 191 ZPO wird die Klage nur dann gehörig fortgesetzt, wenn der Fortsetzungsantrag unverzüglich nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes gestellt wird (SZ 49/106).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger das Verfahren zwar nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes unverzüglich betrieben hat, im präjudiziellen, (allein gegen den Erstbeklagten geführten) Verfahren aber eine mehrjährige Untätigkeit an den Tag gelegt hat, die auch vom Obersten Gerichtshof als nicht gehörige Fortsetzung der Klage gewertet wurde (4 Ob 350/86). Die Frage, wie weit sich die nicht gehörige Fortsetzung eines präjudiziellen Verfahrens auf das unterbrochene Verfahren auswirkt, ist - soweit ersichtlich - bisher noch nicht entschieden worden. Der Rechtsprechung ist jedoch der Grundsatz zu entnehmen, daß der Kläger alles unternehmen muß, um die zügige Betreibung des Verfahrens zu ermöglichen. So wurde bereits ausgesprochen, daß der Kläger auch die Vergleichsverhandlungen, deretwegen das Verfahren ruhen gelassen wurde, zu betreiben hat; werden sie nicht ernstlich oder ohne stichhaltige Gründe nur zögernd geführt oder ist bei objektiver Beurteilung des Verhaltens des Beklagten zu erkennen, daß weitere Vergleichsversuche aussichtslos sind, dann hat der Kläger, wenn er nicht im frühest möglichen Zeitpunkt die Fortsetzung des Verfahrens begehrt, die Klage nicht gehörig fortgesetzt (SZ 45/97). Der Kläger ist somit nicht nur gehalten, das maßgebende Verfahren selbst gehörig zu betreiben; er muß auch jenes Verfahren gehörig fortsetzen, dessetwegen das Verfahren zum Stillstand gebracht worden ist, um nicht eine solche ungewöhnliche Untätigkeit zu bekunden, aus der sein mangelndes Interesse an der Erreichung des Prozeßzieles hervorgeht. Diese Auffassung wird auch durch den Zweck des § 1497 ABGB geboten, den der Sicherheit des Geschäftsverkehrs dienenden Verjährungsbestimmungen den nötigen Nachdruck zu verleihen und überdies die mit fortschreitender Zeit zwangsläufig immer größer werdenden Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (vgl. SZ 49/106). Da der Kläger das den Unterbrechungsgrund bildende Verfahren nicht gehörig fortgesetzt hat, hat er auch das vorliegende Verfahren nicht zügig betrieben. Darauf, daß die vorliegende Klage auch gegen weitere Beklagte gerichtet ist, kommt es ebensowenig an wie darauf, ob das den Unterbrechungsgrund bildende Verfahren für das unterbrochene Verfahren tatsächlich präjudiziell ist. Eine "gesonderte Betrachtungsweise", wie sie der Revisionswerber im Auge hat, ist daher nicht geboten; der vorliegenden Klage mangelt es vielmehr wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens an der Unterbrechungswirkung des § 1497 ABGB.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Vom Kostenverzeichnis des Drittbeklagten war insoweit abzugehen, als diesem mangels der Voraussetzungen nach § 15 RATG kein Streitgenossenzuschlag gebührt und die nach Art. VI Z 8 GGG in diesem Verfahren noch nach dem GJGebGes 1962 zu bestimmende Eingabegebühr nur S 6.000,- beträgt.

Anmerkung

E15438

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00083.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0040OB00083_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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