TE OGH 1988/9/27 2Ob570/88

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Veröffentlicht am 27.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Theresia F***, Pensionistin, Hauptstraße 18, 4210 Gallneukirchen, 2.) Rudolf F***, Gastwirt, Engerwitzberg 11, 4210 Gallneukirchen, 3.) Maria S***, Pensionistin, Inntertreffling 12, 4210 Gallneukirchen, und

4.) Cäcilia Z***, Pensionistin, Commendastraße 6, 4040 Linz, alle vertreten durch Dr.Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Gottfried M***, sen. Pensionist,

2.)

Elisabeth M***, Hausfrau, beide Berggasse 47, 4040 Linz,

3.)

Anton M***, Pensionist, Berggasse 20, 4040 Linz, und

4.)

Gottfried M*** jun., Angestellter, Berggasse 31, 4040 Linz, alle vertreten durch Dr.Alfred Haslinger ua., Rechtsanwälte in Linz, wegen Ungültigkeit eines Testamentes (S 100.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 4.Mai 1988, GZ 3 R 43/88-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 29. Dezember 1987, GZ 2 Cg 237/87-4, dahin abgeändert wurde, daß die Klage zurückgewiesen wird, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß jene des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am 6.Februar 1984 verstarb Josef P*** unter Hinterlassung eines schriftlichen Testamentes vom 11.Jänner 1984. Darin wurden der Erst- und die Zweitbeklagte zu gleichen Teilen als Erben und die Dritt- und der Viertbeklagte als Legatare eingesetzt. Die Kläger fochten dieses Testament zu 3 Cg 231/84 des Landesgerichtes Linz mit der Behauptung als ungültig an, daß es nicht dem Willen des Erblassers entsprochen habe. Er habe mehrmals ausdrücklich geäußert, daß diese letztwillige Verfügung nur dann Gültigkeit haben sollte, wenn er im Krankenhaus sterben sollte. Diese Bedingung sei aber entgegen seinem Willen nicht in das Testament aufgenommen worden. Er sei vor seinem Tode aus dem Spital entlassen worden, sodaß das Testament ungültig sei. Diese Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Auf die erst in den Rechtsmittelverfahren vorgetragene Behauptung, das Testament weise Formmängel auf, gingen das Berufungs- und das Revisionsgericht infolge des Neuerungsverbotes nicht ein. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß auf einen Formmangel, auf den sich keine der Parteien stütze, nicht von Amts wegen einzugehen sei.

Mit der vorliegenden Klage begehrten die Kläger wiederum die Feststellung, daß das Testament des Josef P*** vom 11. Jänner 1984 ungültig sei, und daß ihnen aufgrund des Gesetzes das Erbrecht zustehe. Im Vorprozeß seien die Rechtsmittelinstanzen von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen, daß materielle und formelle Mängel eines Testamentes von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Sie seien daher genötigt, diese mit neuer Klage geltend zu machen: Die letztwillige Verfügung sei an den Erblasser herangetragen worden; dieser habe lediglich die bloße Annahme erklärt. Diese Erklärung sei nicht ausdrücklich erfolgt, sodaß ein Formfehler vorliege, der zur Ungültigkeit und Nichtigkeit des Testamentes führe. Die Testamentszeugen seien nicht über Sinn und Zweck ihrer Tätigkeit belehrt worden, sodaß sie gar nicht gewußt hätten, was sie mit ihrer Unterschrift bestätigen sollten. Der Notar Dr.G***, welcher das Testament errichtet habe und einer der drei Testamentszeugen gewesen sei, habe sich gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker berufen. Dadurch sei er wegen Befangenheit zeugnisunfähig geworden. Er habe den Erblasser unrichtig belehrt, indem er erklärt hätte, die vom Erblasser gewünschte Bedingung, das Testament solle nur gelten, wenn er im Krankenhaus versterbe, sei nicht zulässig.

Die Beklagten erhoben die Einrede der Rechtskraft und beantragten die Zurückweisung der Klage. In der Sache selbst bestritten sie das Klagevorbringen, wendeten Verjährung ein und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht verwarf nach gesonderter Verhandlung (AS 25/26) die Einrede der Rechtskraft. Es vertrat die Ansicht, daß der nunmehr erhobenen Klage ein anderer Sachverhalt zugrunde liege, sodaß das Urteil im Vorprozeß der neuen Klage nicht im Wege stehe. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die Klage zurückwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Die Kläger begehrten nach Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz in beiden Prozessen die Feststellung, daß sie gesetzliche Erben nach Josef P*** seien, weil dessen Testament vom 11.Jänner 1984 ungültig sei. Es sei somit sowohl das Klagebegehren, als auch der vorgebrachte rechtserzeugende Sachverhalt in beiden Prozessen identisch, sodaß der zweiten Klage die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß entgegenstehe. Durch die Rechtskraft der Entscheidung werde das Vorbringen aller Tatsachen, die zur Begründung des Begehrens erforderlich waren und schon bei Schluß der mündlichen Verhandlung bestanden, ausgeschlossen. Die nunmehr vorgebrachten Tatsachen hätten bereits bei Schluß der Verhandlung im Vorprozeß bestanden. Der Oberste Gerichtshof habe zwar im Verlassenschaftsverfahren in seiner Entscheidung vom 26. Mai 1987, 2 Ob 585/87, die Ansicht geäußert, daß eine neuerliche Klage zulässig sei, doch habe er seine Ansicht nicht begründet. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz dahin abzuändern, daß jener des Erstgerichts wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer zulässigen Revisionsrekursbeantwortung (vgl. § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO), dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Kläger vertreten mit Recht den Standpunkt, daß der vorliegenden Klage 2 Cg 237/87 des Landesgerichtes Linz die Rechtskraft der Entscheidung über die Klage im Vorprozeß 3 Cg 231/84 desselben Gerichtes nicht entgegensteht. Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Eintritt der Rechtskraftwirkung nicht nur Identität der Parteien und des Entscheidungsbegehrens, sondern auch des rechtserzeugenden Sachverhaltes, aus dem dieses Begehren abgeleitet wird, erforderlich. Wird derselbe Anspruch zwischen denselben Parteien auf Grund eines anderen Sachverhaltsvorbringens geltend gemacht, als es dem Gericht im Vorprozeß vorlag, steht die Rechtskraft des früheren Urteils der neuerlichen Einklagung des Anspruches nicht entgegen (SZ 48/113; ImmZ 1959, 237; 1 Ob 781/82; 2 Ob 177/79 ua).

Wie sich aus dem Klagevorbringen des bezogenen Vorprozesses (vgl. AS 5) ergibt, haben die Kläger dort geltend gemacht, daß das Testament des Erblassers dem Willen desselben nicht entsprochen habe und nur Wirksamkeit haben sollte, wenn er im Krankenhaus verstirbt. Daß das gesamte Vorbringen der Kläger im Vorprozeß nur in diesem Sinn verstanden werden konnte, hat der Oberste Gerichtshof auch schon in seiner Entscheidung 6 Ob 602/86 (S. 8 der bezogenen Entscheidung) deutlich zum Ausdruck gebracht.

Nunmehr stützten die Kläger ihr Klagebegehren auf einen völlig anders gelagerten Rechtsgrund. Sie behaupten, daß das umstrittene Testament Josef P*** vom 11.Jänner 1984 wegen eines Formmangels ungültig sei. Dieses Vorbringen ist mit jenem des Vorprozesses nicht identisch bzw. von jenem sogar gänzlich verschieden. Unter diesen Umständen kommt aber die bereits oben dargestellte Judikatur voll zum Tragen, daß der nunmehr erhobenen Klage die Rechtskraft der Entscheidung über die Klage des Vorprozesses nicht entgegensteht. Darauf hat im übrigen auch schon der Oberste Gerichtshof in seiner im bezughabenden außerstreitigen Verfahren 28 A 343/87 ergangenen Entscheidung 2 Ob 585/87 ausdrücklich hingewiesen.

Die gegenteilige Ansicht des Rekursgerichtes kann daher nicht aufrecht erhalten werden. Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E15374

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00570.88.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19880927_OGH0002_0020OB00570_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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