TE OGH 1988/9/29 7Ob644/88

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Veröffentlicht am 29.09.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Wilhelm P***, Bad Goisern, Bahnhofstraße 218, gegen die beklagte Partei Werner H***, Richter, Schärding, Adalbert Stifter-Straße 605, wegen Feststellung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. Juli 1988, GZ Nc 160/88-2, womit die gegen alle Richter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis gerichteten Ablehnungserklärungen der klagenden Partei zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Klägers ist beim Kreisgericht Wels das Konkursverfahren anhängig. Der Beklagte ist in diesem Verfahren als Richter tätig. Der Kläger erachtet sich durch die Amtsführung des Beklagten verletzt und beantragt in einer beim Bezirksgericht Schärding zu C 31/88 eingebrachten Klage die Feststellung gemäß § 228 ZPO, daß er gemäß Art. 6 MRK das Recht auf einen unparteiischen Richter habe. Unparteiisch sei ein Richter nur dann, wenn er nicht befangen sei. Mit seiner Klage verband der Kläger einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Das Prozeßgericht erster Instanz hat die Klage als unzulässig zurück- und den Verfahrenshilfeantrag wegen offensichtlicher Mutwilligkeit und Aussichtslosigkeit der Prozeßführung abgewiesen. Der Kläger erhob gegen beide in eine gemeinsame Ausfertigung aufgenommene Entscheidungen in einem einheitlichen Schriftsatz Rekurs. Der Schriftsatz ist nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen: Der Kläger jedoch stellt darin auch den "Antrag auf Verfahrenshilfe für Rekurs .....". Der Kläger nahm in diesen Schriftsatz auch einen Delegierungsantrag und eine Ablehnungserklärung auf, die sich gegen alle Richter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als des Rekursgerichtes, alle Richter des Oberlandesgerichts Linz und alle Richter sämtlicher Gerichte im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz richtet. Der Beklagte sei einige Jahre beim Kreisgericht Ried tätig gewesen, "so daß dort ihm gegenüber auf alle Fälle Befangenheit" herrsche. Diese liege jedoch auch ihm, dem Kläger gegenüber vor. Zur Ablehnung der übrigen Richter brachte der Kläger nichts vor.

Das Oberlandesgericht Linz wies die gegen alle Richter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis gerichtete Ablehnungserklärung zurück. Dem Kläger sei bereits wiederholt mitgeteilt worden, daß die Ablehnung eines ganzen Gerichtes nur durch Ablehnung jedes einzelnen seiner Richter unter Angabe auf ihn bezogener detaillierter und konkreter Ablehnungsgründe möglich sei. Die Ablehnungserklärungen des Klägers entsprächen diesem Erfordernis nicht. Seine immer wieder in Kenntnis dieser Unzulässigkeit gestellten Pauschalablehnungserklärungen bedürften im Sinne der vom Obersten Gerichtshof zu 8 N 1/88 und 8 N 11/88 dargelegten Erwägungen keiner beschlußmäßigen Erledigung mehr und seien nicht weiter zu behandeln. Der Senat des Oberlandesgerichtes Linz erachte sich deshalb auch ohne vorhergehende Entscheidung über die gegen sämtliche Richter des Oberlandesgerichtes gerichtete Ablehnungserklärung als zur Entscheidung befugt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bekämpft diesen Beschluß mit Rekurs. Der Rekursschriftsatz ist abermals nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen. Der Kläger stellt jedoch neuerlich einen Verfahrenshilfeantrag, "soweit Unterfertigung durch Rechtsanwälte erforderlich ist". Zur Begründung seines Rechtsmittels erhebt der Kläger den Vorwurf, die "befangenen" Richter des obergerichtlichen Senates bescheinigten den "befangenen" Richtern des Kreisgerichtes Ried und dem "befangenen" Richter des Bezirksgerichtes Schärding Unbefangenheit, obwohl der Beklagte "mit allen diesen Richtern eng befreundet" sei. Darüber hinaus macht der Kläger die Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes (wegen vermeintlicher Verletzung des § 79 JN) geltend und bemängelt, daß die als befangen abgelehnten Richter darauf nicht Bedacht genommen hätten.

Zwar müssen schriftliche Rekurse gemäß § 520 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein. Im Verfahren über Verfahrenshilfeanträge gilt diese Formvorschrift nach der Regelung des § 72 Abs. 3 ZPO jedoch nicht (Fasching II 454).

Die vom Kläger in eine Rechtsmittelschrift aufgenommenen Ablehnungserklärungen betreffen nicht bloß das Verfahren über den Verfahrenshilfeantrag, sondern alle zufolge der Klagserhebung notwendig werdenden gerichtlichen Amtshandlungen. Wegen des vom Kläger gestellten Verfahrenshilfeantrages und dessen Erweiterung in seinen Rechtsmittelschriften bedarf es aber vorweg einer Entscheidung in dem vom Anwaltszwang ausgenommenen Verfahren über die Verfahrenshilfeanträge. Das wirkt auch für den Rekurs im anhängigen Ablehnungsverfahren. Der vorgelegte schriftliche Rekurs unterliegt daher nicht dem Gebot der Anwaltsunterfertigung. Der Kläger bezeichnet in seiner Rekursschrift alle von seinen Ablehnungserklärungen betroffenen Richter als befangen. Dies kann jedoch nur im Sinne von "als befangen abgelehnt" verstanden werden. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind ausschließlich die gegen die Richter des Kreisgerichtes Ried gerichteten Ablehnungserklärungen. Über die im Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung behauptete Befangenheit des Prozeßrichters erster Instanz hatte das Oberlandesgericht nicht zu befinden und hat darüber auch nicht abgesprochen. Gleiches gilt für die Erklärung, sämtliche Richter des Oberlandesgerichtes wegen Befangenheit abzulehnen. Eine wirksame Ablehnungserklärung wäre von den Mitgliedern des über die Ablehnungserklärung erkennenden Senates iS des § 25 JN zu beachten gewesen. Das Oberlandesgericht hat die Pauschalablehnung aller seiner Richter aber als unwirksame Verfahrenserklärung behandelt. Diese vom Obersten Gerichtshof wiederholt und auch mehrfach in Verfahren, an denen der Kläger beteiligt war, ausgesprochene Ansicht ließ der Rekurswerber in seiner Rechtsmittelschrift unwidersprochen.

Zu dem in der Rechtssache selbst erhobenen Rekurs, insbesondere der Stichhältigkeit des vom Kläger als Rekurswerber geltend gemachten Anfechtungsgrundes der Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes war bei der Entscheidung über die Ablehnungserklärungen nicht Stellung zu nehmen. Mit der diesbezüglich gerügten Unterlassung kann daher keine Befangenheit dargelegt werden.

Die Rekursbehauptung, an der Fällung der angefochtenen Ablehnungsentscheidung habe ein Senatsmitglied teilgenommen, das sich selbst in einem vor drei Jahren anhängig gewesenen Verfahren für befangen erklärt habe, erweist sich schon deshalb als nicht stichhältig, weil aus den im Rekurs (ohne Bezeichnung des Gerichtes) genannten Akten hervorgeht, daß der betroffene Richter in einem gegen den nunmehrigen Rechtsmittelwerber und einen Rechtsanwalt wegen § 146 ff StGB anhängig gewesenen Strafverfahren sich wegen langjähriger beruflicher und auch persönlicher Kontakte zum mitbeschuldigten Rechtsanwalt als befangen erklärte, in Ansehung der Person des nunmehrigen Ablehnungswerbers aber selbst keine Befangenheitserklärung abgab, noch Befangenheitsumstände als gegeben angenommen wurden.

Dem Rekurs war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E15789

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00644.88.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19880929_OGH0002_0070OB00644_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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