TE OGH 1988/10/6 6Ob668/88

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Veröffentlicht am 06.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Bauer und Dr. Redl als weitere Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 15.Januar 1982 gestorbenen Leopoldine B***, zuletzt Pensionistin in Wien 2., Obere Donaustraße 67 a, wegen abhandlungsgerichtlicher Ermächtigung einer Prozeßführung, infolge der Revisionsrekurse des erbserklärten Erben Dr. Oskar T***, Wien 2., Obere Donaustraße 77, vertreten durch Dr. Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, und der Absonderungskuratorin Dr. Renate Pfennigstorff, Rechtsanwältin, Wien 1., Bartensteingasse 2, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 27. Juni 1988, GZ 43 R 383/88-188, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.April 1988, GZ 1 A 62/82-183, in seinem Punkt II der Sache nach abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

In Stattgebung der beiden Revisionsrekurse wird die angefochtene Entscheidung derart abgeändert, daß der (Eventual-)Antrag des erbserklärten Erben, der Absonderungskuratorin die Zustimmung zur Prozeßführung über das zu 2 Cg 79/86 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erhobene Wiederaufnahmebegehren aufzutragen, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die Erblasserin ist am 15.Januar 1982 knapp vor Vollendung ihres 85. Lebensjahres als Witwe ohne Hinterlassung von Nachkommen in einem Pflegeheim gestorben.

In ihre Verlassenschaft fällt eine städtische Liegenschaft mit einem Mietwohnhaus.

Mit einer als Testament überschriebenen letztwilligen Verfügung vom August 1977 vererbte die Erblasserin ihr Haus (samt dem Inventar der von ihr in diesem Haus bewohnten Wohnung) einem Juristen (mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß weder Geld noch Schmuck vorhanden wäre), bestimmte aber, daß das Haus nach dem Ableben des Bedachten einem damals in New York lebenden Ehemann einer weitschichtigen Verwandten gehören sollte.

Der bedachte Jurist - mit dem die Erblasserin wenige Wochen vor ihrem Tode als Wahlmutter einen Adoptionsvertrag abgeschlossen hatte, dem jedoch in der Folge die gerichtliche Bewilligung versagt geblieben ist - gab aufgrund der letztwilligen Verfügung vom August 1977 eine bedingte Erbserklärung ab; gleichzeitig beantragte er, ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen. Das Abhandlungsgericht nahm die Erbserklärung an, überließ dem erbserklärten Alleinerben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses und enthob zugleich den zuvor bestellt gewesenen Verlassenschaftskurator (ON 90).

Der mittels fideikommissarischer Substitution Bedachte meldete einen Vertragsanspruch auf Übereignung der in den Nachlaß gefallenen Liegenschaft an, verfolgte diesen gegen den zunächst durch den Verlassenschaftskurator vertretenen Nachlaß klageweise (2 Cg 294/83 des Landesgerichtes für ZRS Wien) und beantragte nach der Annahme der Erbserklärung des Testamentserben und der Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft an diesen gemäß § 812 ABGB die Absonderung des Nachlasses (ON 101).

Rechtliche Beurteilung

Mit der Rekursentscheidung vom 17.Oktober 1985 wurde dem Vertragsgläubiger die Absonderung der Verlassenschaft bewilligt (ON 122). Der vom erbserklärten Erben dagegen erhobene Revisionsrekurs blieb erfolglos (6 Ob 717/85 = ON 129). Hierauf bestellte das Abhandlungsgericht mit Beschluß vom 14. Februar 1986 (ON 130) eine Rechtsanwältin zur Absonderungskuratorin. Ausfertigungen dieses Bestellungsbeschlusses wurden der Kuratorin, dem Vertreter des Absonderungsgläubigers und den beiden Vertretern des erbserklärten Erben jeweils am 20.März 1986 zugestellt. Der Bestellungsbeschluß blieb unangefochten. Dem Klagebegehren auf Übereignung der in die Verlassenschaft gefallenen Liegenschaft hatten inzwischen sowohl die erste als auch die zweite Instanz stattgegeben, der Rechtsstreit befindet sich im Revisionsstadium.

Der - mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betraute - erbserklärte Erbe brachte in der ersten Hälfte des Monates März 1986 namens der Verlassenschaft eine auf den Anfechtungsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Klage auf Wiederaufnahme des Rechtsstreites über das Begehren des Absonderungsgläubigers auf Liegenschaftsübereignung an. Mit der am 23. April 1986 überreichten Eingabe beantragte er die abhandlungsgerichtliche Genehmigung dieser Prozeßführung. Das Abhandlungsgericht genehmigte mit dem Beschluß vom 24.April 1986 (ON 134 a) die Wiederaufnahmsklage und erteilte ausdrücklich "dem erbserklärten Erben die Ermächtigung zur Prozeßführung". Ausfertigungen dieser Entscheidung wurden dem Vertreter des erbserklärten Erben, der Absonderungskuratorin und dem Vertreter des Absonderungsgläubigers (und Fiduziars) am 15.Mai 1986 zugestellt. Der Rekurs des Absonderungsgläubigers und Fiduziars gegen die Ermächtigung des erbserklärten Erben zur Klagsführung namens der Verlassenschaft gegen ihn wurde vom Rekursgericht zurückgewiesen (ON 143). Der vom Rekurswerber gegen diese Rechtsmittelzurückweisung erhobene Rekurs blieb erfolglos (6 Ob 647/86 = ON 155). Das Prozeßgericht erteilte der Wiederaufnahmsklägerin den Auftrag, binnen vier Wochen die Genehmigung der Klagsführung durch den Separationskurator oder dessen Eintritt in den Rechtsstreit zwecks Heilung des angenommenen Vertretungsmangels nachzuweisen. Dazu vertrat das Prozeßgericht die Rechtsansicht, durch die rechtskräftige Anordnung der Nachlaßabsonderung sei die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an den erbserklärten Erben hinfällig geworden.

Die Absonderungskuratorin hatte bereits vorher gegenüber dem Vertreter des erbserklärten Erben zur Wiederaufnahme des gegen die Verlassenschaft anhängigen Rechtsstreites auf Vertragszuhaltung den Standpunkt eingenommen, zur Vertretung der Verlassenschaft in diesem Rechtsstreit nicht befugt zu sein und deshalb weder die Wiederaufnahmsklage noch die Prozeßführung über diese zu genehmigen zu haben.

In dieser Lage beantragte der erbserklärte Erbe, die Klagsführung (über das Wiederaufnahmebegehren) abhandlungsgerichtlich zu genehmigen; hilfsweise stellte er den Antrag, der Absonderungskuratorin die Zustimmung zur Klagsführung aufzutragen (ON 178).

Das Abhandlungsgericht wies den in erster Linie gestellten Antrag auf Genehmigung der Klagsführung mit Rücksicht auf die Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses vom 24.April 1986 (ON 134 a) zurück (Punkt I), trug aber der Absonderungskuratorin auf, dieser Klagsführung zuzustimmen (Punkt II).

Gegen diese Entscheidung erhoben einerseits der Absonderungsgläubiger und Fiduziar und andererseits die Absonderungskuratorin Rekurs. Die Kuratorin wies dabei nicht zuletzt ausdrücklich auf die Rechtskraft des abhandlungsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses vom 24.April 1986 hin.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel des Absonderungsgläubigers und Fiduziars mangels Beteiligtenstellung und Rechtsmittelbefugnis zurück.

Über den Rekurs der Absonderungskuratorin gegen Punkt II des erstinstanzlichen Beschlusses sprach das Rekursgericht wörtlich in folgender Weise ab:

"Der angefochtene Beschluß wird in seinem Punkt II mit der Maßgabe bestätigt, daß er wie folgt zu lauten hat:

Rechtsanwalt...hat als Separationskuratorin in der Verlassenschaft nach dem am 15.1.1982 verstorbenen...den Rechtsstreit 2 Cg 79/86 des Landesgerichtes für ZRS Wien als gesetzliche Vertreterin der Verlassenschaft zu führen."

Das Rekursgericht vertrat dazu die Ansicht, von der abhandlungsgerichtlichen Genehmigung der Prozeßführung sei nur diese als solche unabhängig davon betroffen, ob die Verlassenschaft im Wiederaufnahmeverfahren durch den erbserklärten Erben oder die Absonderungskuratorin vertreten werde; zum Antrag auf Genehmigung der Wiederaufnahmsklage sei der erbserklärte Erbe befugt gewesen; im Rechtsstreit über diese Klage habe der gesetzliche Vertreter der Verlassenschaft einzuschreiten; dies sei die Absonderungskuratorin. Das habe das Abhandlungsgericht der Sache nach auch mit dem Punkt II seines Beschlusses ausdrücken wollen. Deshalb sei diese Entscheidung mit der Maßgabe der vom Rekursgericht gewählten Formulierung zu bestätigen.

Sowohl die Absonderungskuratorin als auch der erbserklärte Erbe erheben gegen die Rekursentscheidung Revisionsrekurs. Die Absonderungskuratorin strebt die ersatzlose Aufhebung der rechtsmittelverfangenen Entscheidung des Abhandlungsgerichtes an, der erbserklärte Erbe beantragt in erster Linie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ausspruches, hilfsweise den Entfall dieser (von ihm selbst hilfsweise beantragten) Entscheidung. Die vom Rekursgericht als "Bestätigung mit der Maßgabe" bezeichnete Neuformulierung des Spruches stellt der Sache nach eine inhaltliche Abänderung dar: Zur Zeit der erstinstanzlichen Entscheidung war die Auffassung der Absonderungskuratorin aktenkundig, daß die Klagsführung nicht in ihren Wirkungskreis falle, sie aber anderenfalls nur den Rechtsstreit selbst namens der Verlassenschaft zu führen hätte und nicht verhalten werden könnte, einer solchen Prozeßführung durch den erbserklärten Erben zuzustimmen. Der erbserklärte Erbe, der das Vertretungsrecht für die Verlassenschaft in Ansehung des Wiederaufnahmsverfahrens nicht aus der Hand zu geben trachtete, formulierte sein Eventualbegehren des Genehmigungsantrages mit erkennbarer Zielsetzung, der Absonderungskuratorin eine Zustimmung zur Prozeßführung durch ihn gerichtlich aufzutragen. Entgegen der rekursgerichtlichen Umdeutung des erstinstanzlichen Spruches darf nach der dargelegten Aktenlage dem Erstgericht kein abweichender Entscheidungswille unterschoben werden.

Die Anfechtung der Rekursentscheidung ist daher nicht auf die Anfechtungsgründe nach dem § 16 Abs 1 AußStrG beschränkt. Sowohl die Absonderungskuratorin als auch der erbserklärte Erbe machen ausdrücklich geltend, daß sich das Rekursgericht - ohne erhebliche Sachverhaltsänderung - in der Vertretungsfrage über den in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Beschluß vom 24.April 1986 hinweggesetzt habe. Damit wird ein Verstoß gegen das in der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen liegende Verbot einer neuerlichen Sachentscheidung und damit eine Nichtigkeit gerügt, die selbst in den Fällen einer gemäß § 16 Abs 1 AußStrG eingeschränkten Anfechtungszulässigkeit ein beachtlicher Rechtsmittelgrund wäre. Die Revisionsrekurse sind auch im Sinne der erwähnten Rüge berechtigt.

Das Rekursgericht hat die aktenkundige Verfahrenslage bei der Stellung des Antrages auf Prozeßgenehmigung und bei der Entscheidung über diesen Antrag im April 1986 in einem wesentlichen Punkt unvollständig wiedergegeben und seiner Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt:

Nachdem die Absonderung der Verlassenschaft rechtskräftig angeordnet und mit Beschluß vom 14.Februar 1986 ein Absonderungskurator bestellt worden waren, stellte der erbserklärte Erbe, dem Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen war, den Antrag auf Genehmigung der Wiederaufnahmsklage und Erteilung der Ermächtigung zur Prozeßführung. Mit dem Beschluß vom 24.April 1986 (ON 134 a) hat das Abhandlungsgericht nicht nur die bereits angebrachte Wiederaufnahmsklage verlassenschaftsgerichtlich genehmigt, sondern antragsgemäß auch ausdrücklich "dem erbserklärten Erben die Ermächtigung zur Prozeßführung erteilt". Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wurde unter anderem auch der Absonderungskuratorin zugestellt. Die Entscheidung blieb unangefochten und erwuchs formell in Rechtskraft. Seither hat sich der für die Abgrenzung der Vertretungsbefugnis zwischen dem erbserklärte Erben und der Absonderungskuratorin maßgebende Sachverhalt nach der Aktenlage nicht geändert.

Die Rechtskraft des abhandlungsgerichtlichen Beschlusses vom 24. April 1986 (ON 134 a) schließt daher nicht nur eine neuerliche Entscheidung zur klageweisen Verfolgung des Wiederaufnahmebegehrens als solche, sondern auch darüber aus, daß die Verlassenschaft in dem über das Wiederaufnahmebegehren anhängigen Rechtsstreit durch den erbserklärten Erben als den nach der Entscheidung des Abhandlungsgerichtes hiezu berufenen gesetzlichen Vertreter vertreten werde.

Darüber hat sich das Rekursgericht in Verletzung des Verbotes, über formell rechtskräftig abgesprochene Angelegenheiten eine neuerliche Sachentscheidung zu fällen, hinweggesetzt. Die angefochtene Rechtsmittelentscheidung war aber nicht bloß als nichtig aufzuheben, sondern bei richtigem Verständnis des Eventualbegehrens (ON 178) und der diesem Antrag stattgebenden Entscheidung des Abhandlungsgerichtes (ON 183 Punkt II), daß die Absonderungskuratorin einer Prozeßführung durch den erbserklärten Erben als den gesetzlichen Vertreter der Verlassenschaft vom Standpunkt des ihr zukommenden Aufgabenbereiches die Zustimmung zu erklären habe (um im Sinne des prozeßgerichtlichen Auftrages einen vermeintlichen Mangel der gehörigen Vertretung der Verlassenschaft im Wiederaufnahmsverfahren zu beheben), im Sinne einer Abweisung des sachlich unberechtigten Eventualantrages abzuändern: Wird die Verlassenschaft nach einer entsprechenden abhandlungsgerichtlichen Entscheidung durch den erbserklärten Erben in einem Rechtsstreit vertreten, bedarf es zur Wirksamkeit dieser Vertretung keiner weiteren Zustimmung (auch nicht der einer Absonderungskuratorin). Davon abgesehen kann einem Kurator oder sonstigen gesetzlichen Vertreter zwar die Ermächtigung zu einer bestimmten Willenserklärung namens des Pflegebefohlenen erteilt werden, aber niemals der Auftrag zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung.

Für die vom Prozeßgericht aufgeworfene Frage der gehörigen Vertretung des Nachlasses im Verfahren über das Wiederaufnahmsbegehren ist nach dem Stande des Abhandlungsverfahrens nach wie vor der erstinstanzliche Beschluß vom 24.April 1986 wirksam.

Anmerkung

E15455

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00668.88.1006.000

Dokumentnummer

JJT_19881006_OGH0002_0060OB00668_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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