TE OGH 1988/10/11 10ObS107/88

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Veröffentlicht am 11.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Hon.Prof.Gottfried Winkler (Arbeitgeber) und Norbert Kunc (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Daniela A***, 6150 Steinach, Höhenweg 14, vertreten durch Dr. Jörg Hobmaier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A*** U***, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3. Februar 1988, GZ 5 Rs 1185/87-26, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 21. September 1987, GZ 46 Cgs 31/87-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 26. August 1986 anerkannte die beklagte Partei die Hauterkrankung, welche sich die Klägerin bei der Ausübung des Friseurberufes zugezogen hat, als Berufskrankheit gemäß § 177 ASVG Anlage 1 Nr. 19 und stellte als Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles den 1. Jänner 1985 fest. Die Gewährung einer Rente lehnte die beklagte Partei ab.

Die Klägerin begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr ab 1. Jänner 1985 auf Grund ihrer Berufserkrankung eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente zu gewähren. Das Erstgericht gab der Klage unter Zugrundelegung folgender Feststellungen statt:

Die Klägerin ist gelernte Friseurin und übte diesen Beruf bis einschließlich Dezember 1984 aus. Gegen Ende des Jahres 1984 entwickelte sich bei ihr durch Berührung mit Parastoffen und weiteren typischen Friseurchemikalien eine Kontakt-Allergie, welche zu Ekzemen an beiden Händen führte. Es bestanden im Bereich sämtlicher Finger Juckreiz, Rötung der Haut, Bläschenbildung mit Nässen, sowie Bildung von Rissen und Schuppung. Durch diese berufsbedingte Erkrankung war die Klägerin mit 31. Dezember 1984 gezwungen, ihren Beruf als Friseurin aufzugeben. Seit 1. Jänner 1985 übt sie diesen nicht mehr aus. Die Klägerin muß bis heute und auch in Zukunft jeden Kontakt mit Parastoffen (vorwiegend dunkle Farbstoffe, Gummiinhaltsstoffe, Konservierungsmittel) und typischen Friseurchemikalien meiden und regelmäßige Naß- und Schmutzarbeiten unterlassen, da sonst ihre Hauterkrankung im selben Ausmaß wie vor bzw. bei Berufsaufgabe wieder auftreten würde. Die die ekzematöse Hauterkrankung auslösende Kontakt-Allergie auf die angeführten Stoffe ist nach wie vor unvermindert gegeben. Das Wiederauftreten wäre nicht nur bei der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit als Friseurin sondern auch bei Ausübung eines typischen Naßberufes, etwa im Gastgewerbe, zu erwarten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß eine Berufskrankheit nur vorliege, wenn und so lange sie zur Aufgabe der schädigenden Erwerbstätigkeit zwinge. Bei der Beurteilung des Ausmaßes der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auf den Zeitpunkt der erzwungenen Berufsaufgabe abzustellen. Nach der medizinischen Einschätzung betrage zu diesem Zeitpunkt die Minderung der Erwerbsfähigkeit 20 %. Da der Klägerin außer dem Friseurberuf auch sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vertretenen Naßberufe verwehrt seien, könne auch ohne Einholung eines berufskundlichen Gutachtens die Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtlich mit 20 % angenommen werden.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen sei. Nach § 203 Abs. 1 ASVG bestehe ein Anspruch auf Versehrtenrente dann, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über 3 Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 % vermindert sei. Das Erstgericht habe die Ausführungen des Sachverständigen über seine Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem 31. März 1985 nicht in die Feststellungen aufgenommen. Der dermatologische Sachverständige habe ausgeführt, daß zum Zeitpunkt der Aufgabe der schädigenden Erwerbstätigkeit auf Grund der damals noch wesentlich höheren, vorübergehenden Ekzemdisposition für den Zeitraum der Rekonvaleszenz vom 1. Jänner 1985 bis 31. März 1985 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % anzunehmen sei, danach aber, weil die Ekzemanfälligkeit, die zum Auftreten von Empfindlichkeitsekzemen auch durch unspezifische Naß- und Schmutzarbeiten führen konnte, sich gebessert habe, die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 15 % einzuschätzen sei. Der Zeitpunkt der krankheitsbedingten Berufsaufgabe sei ein ungünstiger Augenblick, die Minderung der Erwerbsfähigkeit einzuschätzen, weil hier die Berufsdermatose in einer maximalen und übersteigerten Ausprägung vorliege, die in der Regel einen Krankenstand und damit eine 100 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit bewirke. Es müsse daher bei Hauterkrankungen abgewartet werden, bis die akuten Hautveränderungen abgeklungen seien und die noch weiterbestehende Hautkrankheit erkennbar werde.

Bestehe die Minderung der Erwerbsfähigkeit lediglich in der Unmöglichkeit, den bisher ausgeübten Beruf wieder aufzunehmen, so sei bei der Einschätzung auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beruf abzustellen und eine Besserung hätte zur Voraussetzung, daß dieser Beruf wieder ausgeübt werden könnte. Für die Klägerin habe aber für die ersten drei Monate nach Berufsaufgabe für einen größeren Kreis von Berufen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Ausschluß bestanden, für welchen ihre Krankheit ebenfalls kausal gewesen sei, als für die Zeit danach. Die eingetretene Besserung könne daher nicht ignoriert werden. Gerade weil eine Berufskrankheit nur unter der Voraussetzung der Aufgabe der schädigenden Erwerbstätigkeit vorliege, sei bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf den Zustand der Hautkrankheit nach Berufsaufgabe abzustellen. Bei der der rechtlichen Beurteilung unterliegenden Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit komme besonders dann, wenn diese sich im Bereich des maßgeblichen Mindestwertes von 20 % bewege, der medizinischen Einschätzung besondere Bedeutung zu. Diese müsse aber dann zumindest vollständig in die Feststellungen aufgenommen werden, was das Erstgericht unterlassen habe. Wäre den gesamten Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, dann hätte für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. März 1985 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 %, für den späteren Zeitraum hingegen von nur 15 % angenommen werden müssen.

Der Sachverständige habe aber bei der Klägerin auch eine außerberuflich erworbene Nickelallergie konstatiert, die die Ausübung einer Reihe weiterer Berufe verschließe, dies aber bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht ins Kalkül gezogen, weil sie keine Folge der Berufskrankheit darstelle. Eine bereits vor dem Unfall (oder Eintritt einer Berufskrankheit) bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei durch Erhöhung des Prozentsatzes zu berücksichtigen, außer die bereits vorgehende Erwerbsminderung habe keine wesentliche Bedeutung für die Unfallfolgen und keinen Einfluß auf die Erwerbsfähigkeit gehabt. Die nicht kausale Vorschädigung durch Nickelallergie sei bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen, weil beide Allergien die unteilbare Funktion der Haut beeinträchtigten und damit ein Zusammenhang bestehe. Auch wegen dieser sekundären Feststellungsmängel sei das Ersturteil aufzuheben. In ihrem wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Rekurs beantragte die klagende Partei, das Ersturteil wieder herzustellen. Die beklagte Partei beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs der klagenden Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Die Erwerbsfähigkeit eines Menschen im Sinne des § 203 ASVG ist seine Fähigkeit, unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich nach seinen gesamten Kenntnissen sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf dem gesamten Erwerbsleben bieten, sich einen Erwerb zu verschaffen. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist grundsätzlich abstrakt zu prüfen. Die durch die Gegenüberstellung der Durchschnittsverdienste in den Arbeitsmöglichkeiten, die dem Versicherten bis zum Eintritt des Versicherungsfalles offenstanden, mit den Durchschnittsverdiensten in den ihm im Hinblick auf die Unfallfolgen verbleibenden Arbeitsmöglichkeiten ermittelte Veränderung bringt den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit in Prozenten zum Ausdruck. Die frühere Beschäftigungsart ist soweit zu berücksichtigen, als zur Vermeidung von unbilligen Härten im Einzelfall auf die Ausbildung und bisherige berufliche Stellung angemessen Rücksicht genommen werden muß (SSV-NF 1/64). Hautkrankheiten sind Berufskrankheiten im Sinne des § 177 ASVG gemäß laufende Nr. 19 der Anlage 1 zum ASVG, wenn und so lange sie zur Aufgabe schädigender Erwerbstätigkeit zwingen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 2.Dezember 1987, 9 Ob S 27/87 = SSV-NF 1/65 ausführlich dargelegt hat, ist der Begriff "Aufgabe schädigender Erwerbstätigkeit" auf die letzte Erwerbstätigkeit zu beziehen. Anders als in anderen Fällen der gesetzlichen Unfallversicherung (wie oben dargelegt) hat hier eine Anknüpfung an die vom Versicherten zuvor ausgeübte Tätigkeit zu erfolgen. Dies aber nur insoweit, als die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit überhaupt die Voraussetzungen für die Anerkennung der Hautkrankheit als Berufskrankheit ist und wenn ein akuter Leidenszustand nicht besteht, die Auswirkungen einer Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit auf das, wenn auch derzeit nur latent vorhandene Leiden zu prüfen sind. Der Versicherungsträger ist entschädigungspflichtig, wenn eine medizinisch notwendige Aufgabe des Arbeitsplatzes vorgenommen wurde. Daß auf den Zwang zur Aufgabe schädigender Erwerbstätigkeit abgestellt wird, hat den Zweck, ein Verweilen des Versicherten auf dem gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlechterung der Krankheit oder deren Wiederausbruch zu verhüten. Daher wird auch in Fällen, in denen akute Krankheitserscheinungen nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht bestehen, eine Entschädigung aus der Unfallversicherung gewährt. Grundlage für diese Entschädigung bildet in diesem Fall die latent vorhandene Krankheit, mit deren Ausbruch bei Ausübung der früheren Erwerbstätigkeit zu rechnen ist. Der Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung gilt aber für alle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Auch bei Hauterkrankungen als Berufskrankheit ist bei der Bemessung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht auf den konkreten Einkommensverlust abzustellen, sondern zu klären, ob und in welchem Ausmaß der Versicherte durch die 3 Monate nach Eintritt des Versicherungsfalles (§ 203 Abs. 1 ASVG) allenfalls noch vorhandene akute Krankheit oder, falls bereits eine vollständige Abheilung erfolgt ist, auch durch die noch latent vorhandene Allergiebereitschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist (vgl. Mertens-Valentin-Schönberger3 Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 658 f). Lag 3 Monate nach Eintritt des Versicherungsfalles nur mehr eine latente Allergiebereitschaft vor, kommt es bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit darauf an, von welchen Berufen die Klägerin durch die latent verbliebene Krankheit (also nicht in der zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe ausgeprägten akuten Form) ausgeschlossen ist. Dies können neben dem aufgegebenen Beruf auch andere Berufe sein, doch ist nicht auszuschließen, daß sich der Kreis dieser im Laufe der Zeit vermindert.

Das Erstgericht hat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, daß die Klägerin neben dem Friseurberuf auch alle typischen Naßberufe (etwa im Gastgewerbe) nicht ausüben kann. Der Sachverständige hat aber in seinem Ergänzungsgutachten ON 9 ausgeführt, daß darüber hinaus alle intensiven Kontakte mit Parastoffen vermieden werden müssen, welche auch in Pelzfarben, fotographischen Entwicklern, Antioxydantien und Gummichemikalien enthalten sind. Es ist daher das erstinstanzliche Verfahren auch insofern ergänzungsbedürftig, als abgeklärt werden muß, welche Berufe, in denen mit den aufgezählten Stoffen ständig Kontakt besteht, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommen und ob der Ausschluß auch von solchen Erwerbstätigkeiten in der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mitberücksichtigt wurde. Sollte es nach Ergänzung des Gutachtens bei der bisher vorgenommenen Einschätzung des Sachverständigen verbleiben, käme aber eine Rentenleistung auch für Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 31. März 1985 nicht in Betracht, da nach § 203 Abs. 1 ASVG ein Anspruch auf Versehrtenrente nur besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen der Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 %

vermindert ist.

Die außerberuflich erworbene Nickelallergie ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes allerdings in das Kalkül nicht miteinzubeziehen.

Die abstrakte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit soll gewährleisten, daß gleiche Unfallfolgen (Berufskrankheiten) in gleichgelagerten Fällen auch gleich bewertet werden. Diese Voraussetzungen treffen dann nicht zu, wenn sich infolge eines Vorschadens die Unfallfolgen auf die Erwerbsfähigkeit anders auswirken, als in Fällen, in denen keine Vorschädigung besteht. Im Vergleich zum "Normalfall" kann sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit dann erhöhen, wenn die Unfallfolgen auf Grund des Vorschadens den Versicherten wesentlich stärker treffen als einen Gesunden. Eine Vorschädigung rechtfertigt nicht in allen Fällen, die Minderung der unfallbedingten (berufskrankheitsbedingten) individuellen Erwerbsfähigkeit mit einem höheren Prozentsatz einzuschätzen. Sie kann dann keine Berücksichtigung finden, wenn die Vorerwerbsminderung keine wesentliche Bedeutung für die Unfallfolgen und deren Einfluß auf die Erwerbsfähigkeit hat.

Die neuere Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland hat hiezu den Grundsatz entwickelt, daß ein Vorschaden dann rechtlich bedeutsam ist, wenn zwischen ihm und dem durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten Körperschaden eine funktionelle Wechselwirkung besteht. Dies gilt für alle paarigen Gliedmaßen und Organe, für Organsysteme, die zueinander in funktioneller Abhängigkeit stehen oder sonst Funktionsausfälle an anderer Stelle zu ergänzen oder zu kompensieren vermögen. Auch bei Vorschäden an denselben Gliedmaßen oder demselben Organ können sich die Funktionsstörungen aus Vorschäden und Unfallschäden überschneiden (vgl. Mertens-Valentin-Schönberger, Arbeitsunfall und Berufskrankheit3, 106; Lauterbach, Unfallversicherung3, 468/2a). Diese Ansicht, die vom erkennenden Senat geteilt wird, kommt auch in den Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien SSV 24/5, 25/117 zum Ausdruck.

Bei zwei voneinander unabhängigen Allergien auf verschiedene Stoffe - daß eine gegenseitige Beeinflussung oder Verstärkung eintreten könnte, ist im Verfahren in keiner Weise hervorgikommen - kann aber nicht davon gesprochen werden, daß zwischen den beiden latenten Schädigungen eine funktionelle Wechselbeziehung oder Abhängigkeit besteht, die eine stärkere Beeintächtigung des unfallbedingten Leidens mit sich bringt. Auch eine nur durch eine Allergie, die zu einer Berufskrankheit führt geschädigte, sonst aber gesunde Haut, kann diesen Mangel weder kompensieren noch sind die Auswirkungen dieser Berufskrankheit wesentlich geringer. Es darf auch nicht übersehen werden, daß Allergien gegen die verschiedensten Stoffe weit verbreitete Hautbeeinträchtigungen sind, die bei ordnungsgemäßer Behandlung nur in seltenen Fällen auch nur zu längeren Krankenständen führen.

Ein Abgehen von der Voraussetzung, daß zwischen Vorschaden und Unfallschaden oder Berufskrankheit ein besonders qualifizierter Zusammenhang und wesentlich verstärkte Unfallfolgen vorliegen müssen, um bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit Berücksichtigung zu finden, würde bedeuten, daß jede bestehende Vorminderung der Erwerbsfähigkeit wegen körperlicher oder geistiger Leiden durch die Versicherungsträger abzugelten wäre, wenn ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit hinzutreten. Eine solche weitgehende Auslegung aber lassen die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere jene des § 203 ASVG nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 2 Abs. 1 ASGG iVm § 52 ZPO.

Anmerkung

E15859

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00107.88.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19881011_OGH0002_010OBS00107_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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