TE OGH 1988/10/19 3Ob95/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanna O***, Pensionistin, Badstraße 1, 4710 Grieskirchen, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Stefan O***,

Angestellter, Schillerstraße 23, 4910 Ried im Innkreis, wegen Nichtigerklärung eines rekursgerichtlichen Beschlusses (Streitwert S 350.000), infolge der Rekurse der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 14. Oktober 1987, GZ R 891/87-2, womit die Nichtigkeitsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückgewiesen und der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen wurde, und den Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 12. November 1987, GZ R 891/87-4, womit die einstweilige Hemmung verweigert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat ihrem hier beklagten Sohn nach dem Ergebnis eines durch drei Instanzen geführten Rechtsstreits S 1,078.000 sA zu bezahlen. Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung wurde dem Beklagten zu E 4032/85 des Bezirksgerichtes Grieskirchen die Zwangsversteigerung der im Eigentum der Klägerin stehenden Liegenschaft EZ 294 KG Manglburg bewilligt.

In diesem Exekutionsverfahren gab das Kreisgericht Wels als Rekursgericht mit Beschluß vom 10. Juni 1987 zu R 278-283/87 unter anderem den Rekursen der Klägerin als Verpflichteter gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom

1.) 19. November 1986, womit ihr auf die Einbringung einer Wiederaufnahmsklage gestützter Aufschiebungsantrag abgewiesen wurde,

2.) 19. Jänner 1987, womit die Schätzwerte der Liegenschaft und des Zubehörs festgesetzt und die Versteigerungsbedingungen genehmigt wurden,

3.) 16. Februar 1987, womit die Gebühren der Sachverständigen bestimmt wurden, und

4.) 6. März 1987, womit ihr Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Hinweis auf § 58 Abs. 2 EO zurückgewiesen wurde,

nicht Folge.

Am 1. Oktober 1987 brachte die Klägerin beim Rekursgericht ihre "Nichtigkeitsklage" ein, die auf die Beseitigung der rechtskräftigen Entscheidung des Rekursgerichtes vom 10. Juni 1987 abzielt, soweit damit ihren Rekursen nicht Folge gegeben wurde. Sie stützt ihre Klage auf § 529 Abs. 1 Z 1 ZPO, weil sie zureichende Gründe habe, an der Unbefangenheit der an der Entscheidung beteiligten Richter zu zweifeln und diese Zweifel schon am 27. Juli 1987 dem Bundesministerium für Justiz vorgetragen habe, ohne daß es bisher zu einer Entscheidung über ihren Ablehnungsantrag gekommen wäre. Das Rekursgericht wies schon im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs. 1 ZPO die Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung zurück (und deshalb auch den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab). Da § 78 EO die Anwendung des Fünften Teiles der Zivilprozeßordnung (§§ 529 bis 547 ZPO) nicht vorsehe, sei eine Nichtigkeitsklage im Exekutionsverfahren unzulässig. Überdies setze der im § 529 Abs. 1 Z 1 ZPO umschriebene Klagegrund voraus, daß ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes in dem Rechtsstreit kraft Gesetzes ausgeschlossen war. Das Vorliegen von Ablehnungsgründen rechtfertige hingegen selbst im Prozeß keine Nichtigkeitsklage.

Gegen diesen Beschluß erhob die Klägerin bei dem angerufenen Gericht zweiter Instanz ihren mit dem Antrag auf einstweilige Hemmung nach § 524 Abs. 2 ZPO verbundenen Rekurs.

Das mit der Nichtigkeitsklage befaßte Gericht wies den Antrag ab, weil der angefochtene Beschluß ohnedies nicht auszuführen oder zu vollstrecken sei und daher kein Grund für die Annahme bestehe, ohne eine Hemmung könne der Zweck des Rekurses vereitelt werden. Auch diesen Beschluß bekämpft die Klägerin mit Rekurs. Inzwischen wurde der Klägerin mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 28. Juli 1988 rechtskräftig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Beschluß vom 14. Oktober 1987 bewilligt, so daß die Rechtzeitigkeit dieses beim Rekursgericht statt beim Erstgericht des Zwangsversteigerungsverfahrens eingebrachten Rekurses (SZ 26/150 = Jud 58 neu; SZ 28/213 = SpR 43 neu) nicht mehr zur Frage steht.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse der Klägerin sind nicht berechtigt.

Nach dem Gesetz finden die auf den Prozeß abgestellten

Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im

Exekutionsverfahren deshalb keine Anwendung, weil nach § 78 EO im

Exekutionsverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist, (nur) die

allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über die Parteien

(= erster Teil, erster Abschnitt §§ 1 bis 73 ZPO), das Verfahren

(= erster Teil, zweiter Abschnitt §§ 74 bis 170 ZPO) und die

mündliche Verhandlung (= erster Teil, dritter Abschnitt §§ 171 bis

225 ZPO), über den Beweis, die Beweisaufnahme (= zweiter Teil,

erster Abschnitt, zweiter Titel §§ 266 bis 291 ZPO), und über die

einzelnen Beweismittel (= zweiter Teil, erster Abschnitt, dritter

bis siebenter Titel §§ 292 bis 383 ZPO), über richterliche

Beschlüsse (= zweiter Teil, zweiter Abschnitt, zweiter Titel §§ 425

bis 430 ZPO) und über das Rechtsmittel des Rekurses (= vierter Teil,

dritter Abschnitt §§ 514 bis 528 ZPO), zur Anwendung zu kommen haben. Die Bestimmungen des fünften Teils der Zivilprozeßordnung über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage wurden dagegen durch § 78 EO nicht zu einer im Exekutionsverfahren anwendbaren Verfahrensbestimmung. Darüber besteht auch in der Lehre kein Streit (Heller-Berger-Stix 1372; Fasching IV 481; Fasching, ZPR Rz 2042; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht2 23; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution, 177). Allerdings wird auch die Ansicht vertreten, es müsse "die Idee der Nichtigkeitsklage innerhalb des Exekutionsverfahrens verwertbar sein" (Rechberger, aaO) und eine analoge Anwendung der §§ 529, 530 ZPO ausnahmsweise dort in Betracht kommen, wo ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, einen sacherledigenden Beschluß des Vollstreckungsverfahrens zu beseitigen (Fasching, ZPR Rz 2042; Pollak, System, 104 FN 41). Eine nähere Prüfung, ob in diesem Sinne dann, wenn anders Abhilfe nicht zu finden ist, eine durch analoge Anwendung der Prozeßvorschriften zu füllende planwidrige Lücke darin liegt, daß der Gesetzgeber eine Nichtigkeitsklage oder einen Nichtigkeitsantrag iSd § 529 EO für das Exekutionsverfahren nicht eingeführt hat, kann aber hier unterbleiben:

Selbst wenn sich der Prozeßschritt der Klägerin nicht gegen eine Rekursentscheidung im Exekutionsverfahren, sondern gegen eine Entscheidung im Prozeß richtete, lägen die Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nicht vor. Zum einen handelt es sich bei keinem der bestätigenden Beschlüsse des Rekursgerichtes um eine Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt wurde, worunter im Prozeß Urteile und ihnen gleichgestellte Entscheidungen anderer Art, die abschließend über das Rechtsschutzbegehren absprechen, verstanden werden, sondern um Zwischenentscheidungen, die auch im Prozeß nicht mit Nichtigkeitsklage angefochten werden könnten (Fasching IV 484; ders, ZPR Rz 2038). Zum anderen liegt der im § 529 Abs. 1 Z 1 ZPO umschriebene Nichtigkeitsklagegrund nur vor, wenn an der angefochtenen Entscheidung ein iSd § 20 JN ausgeschlossener Richter teilgenommen hat (SZ 43/104). Das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes behauptet die Klägerin aber bei keinem der an der seinerzeitigen Beschlußfassung beteiligten Richter des Rekurssenates. Ablehnungsgründe könnten die Nichtigkeitsklage nicht rechtfertigen (Fasching, ZPR Rz 2046), ganz abgesehen davon, daß inzwischen die mehrfachen Ablehnungen durch die Klägerin als unbegründet erkannt wurden. Die Mitwirkung eines Richters, dessen Ablehnung wegen Befangenheit rechtskräftig stattgegeben wurde (vgl. Fasching aaO, der selbst in diesem Fall eine vom Gesetzgeber gewollte Regelungslücke annimmt), liegt nicht vor.

Zu Recht wurde daher mit dem angefochtenen Beschluß die Klage zurückgewiesen. Eine selbständige Anfechtung der Entscheidung über die Verfahrenshilfe müßte an § 528 Abs. 1 Z 3 ZPO scheitern, doch ist diese Beschlußfassung lediglich die Folge der berechtigten Klagszurückweisung.

Die Verweigerung der Hemmung nach § 524 Abs. 2 ZPO kann zwar angefochten werden, doch ist hier der Ansicht beizutreten, daß für die Klägerin kein Bedürfnis bestand, daß ihrem Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Mit der Zustellung dieser Entscheidung wäre überdies jede Hemmung ohnedies überholt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15399

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00095.88.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19881019_OGH0002_0030OB00095_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten