TE OGH 1988/10/20 7Ob693/88

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Veröffentlicht am 20.10.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf M***, Metzgermeister, Düsseldorf 13, Josef-Kleesattelstraße 21, BRD, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Otto Z*** jun., Tischler, Leibnitz, Seggauberg 119, vertreten durch Dr. Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zuhaltung einer Vereinbarung (Streitwert S 98.508,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 13. Mai 1988, GZ 5 R 13/88-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Oktober 1987, GZ 24 Cg 135/87-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.322,45 (darin S 1.392,95 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 9.243,80 (darin S 385,80 an Umsatzsteuer und S 5.000,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellt das Begehren, der Beklagte sei schuldig, die Böschung zwischen den Grundstücken Nr. 251/7 und Nr. 662, je KG Seggauberg, auf einer Länge von ca. 20 m derart abzumauern, daß hiedurch eine ordnungsgemäß gemauerte Böschung entsteht und gleichzeitig die Abflußrinne in ein Betonbett eingeleitet wird. Der Kläger sei Eigentümer des Grundstückes 251/7 der KG Seggauberg. Im Jahr 1973 habe der Beklagte im Bereich dieses Grundstücks Abgrabungen vorgenommen und sich, nachdem infolge der Geländebeschaffenheit Rutschgefahr bestanden habe, mit einer Vereinbarung vom 21. September 1973 verpflichtet, die durch diese Abgrabung entstandene Böschung derart abzumauern, daß hiedurch eine gemauerte Böschung entstehe und gleichzeitig die Abflußrinne in ein Betonbett eingeleitet werde. In der Folge sei vom Beklagten eine Mauer entlang der Grenze des Grundstücks des Klägers mit der Parzelle Nr. 662 KG Seggauberg (Gemeindestraße) in einer Länge von ca. 20 m errichtet worden. Die Ausführung dieser Mauer entspreche nicht der getroffenen Vereinbarung. Die Mauer sei unsachgemäß ausgeführt, es könne nicht von einer gemauerten Böschung gesprochen werden. Es sei nur Zufall, daß die Mauer jahrelang gehalten habe und erst 1986 durch witterungsbedingte Setzungen ein Zustand eingetreten sei, bei dem die Gefahr eines Einsturzes bestehe. Mit Bescheid vom 28. Oktober 1986 habe die Gemeinde Seggauberg einen Abbruchauftrag an den Kläger gerichtet. Der Beklagte habe daher die Vereinbarung vom 21. September 1973 nicht erfüllt. Die vereinbarungsgemäße Ausführung der Böschung erfordere einen Aufwand von S 98.508,--. Der Beklagte verweigere die Zuhaltung der Vereinbarung vom 21. September 1973.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die von ihm errichtete Mauer habe der Vereinbarung vom 21. September 1973 entsprochen. Maria S***, die Rechtsvorgängerin des Klägers und damalige Eigentümerin des Grundstückes 251/7 der KG Seggauberg, habe, ebenso wie der Kläger, die Mauer nicht beanstandet; sie hätten nicht die Errichtung eines anderen Bauwerkes begehrt, sondern die Verpflichtung des Beklagten als erfüllt angesehen. Die Beschädigung der Mauer sei allein auf eine vom Bruder des Klägers vorgenommene Hangaufschüttung und den hiedurch bedingten Druck zurückzuführen. Das Erstgericht wies die Klage ab; der Beklagte sei der von ihm übernommenen Verpflichtung durch die von ihm errichtete Mauer nachgekommen.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig ist. Das Berufungsgericht nahm eine teilweise Beweiswiederholung vor und stellte fest, daß sich der Beklagte am 21. September 1973 zur Errichtung einer Stützmauer verpflichtet habe. Die vom Beklagten errichtete Mauer entspreche jedoch infolge unzureichender Fundamentierung nicht den Anforderungen einer Stützmauer. Die Hangaufschüttungen könnten zwar das auslösende Moment für die Schäden an der Mauer sein, doch hätte eine fachgerecht errichtete Mauer dem Druck standhalten müssen. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, der Besteller eines Werkes habe neben Gewährleistungsansprüchen in allen Fällen Anspruch auf Ersatz des durch den Unternehmer verschuldeten Schadens. Der Besteller könne zwar nicht den Nachteil, den er durch die bloße Tatsache des Mangels eines Werkes erleide, unter dem Titel des Schadenersatzes verlangen. Führe aber ein solcher Mangel einen Schaden an anderen Sachen herbei oder werde das Werk selbst infolge des Mangels beschädigt, sei - Verschulden des Unternehmers vorausgesetzt - ein Schadenersatzanspruch gegeben. Der Besteller könne den Ersatz eines solchen Schadens, ungeachtet des Ablaufes der Gewährleistungsfristen, begehren; Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche seien voneinander unabhängig. Der Beklagte habe das Fehlen der erforderlichen Kenntnisse bei der Errichtung der Stützmauer zu vertreten. Den Beweis, daß ihn kein Verschulden treffe, habe der Beklagte nicht erbringen können. Dem Kläger stehe daher ein Schadenersatzanspruch zu. Der Beschädiger habe den Beschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne die Beschädigung gestellt wäre. Dies bedeute die Herstellung einer im wesentlichen gleichen Lage, bei Beschädigung also die Reparatur der Sache. Sei aber eine Verbesserung des Werkes nicht mehr möglich, könne auch dessen Neuherstellung verlangt werden.

Der Beklagte rügt in der von ihm erhobenen Revision im wesentlichen, daß der Kläger Schadenersatzansprüche nicht behaupte und die Wiederherstellung der seinerzeit errichteten Mauer gar nicht wünsche (S 10 der Revision = AS 266); der Kläger begehre die Errichtung eines Werkes entsprechend der Vereinbarung vom 21. September 1973, obwohl der Beklagte ein solches Werk bereits hergestellt habe.

Rechtliche Beurteilung

Dem Beklagten ist darin beizupflichten, daß die zweite Instanz dem Klagebegehren aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes stattgegeben hat, obwohl der Kläger sein Begehren nicht auf diesen Titel, sondern ausdrücklich auf den Titel der Zuhaltung der Vereinbarung vom 21. September 1973 gestützt hat. Zwar ist für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Anspruches nicht nur dessen Bezeichnung in der Klage, sondern das gesamte Klagevorbringen von Bedeutung. Hat ein Kläger alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt, kann sich eine unrichtige rechtliche Qualifikation nicht zu seinem Nachteil auswirken. Wenn sich der Kläger nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund festlegt, so hat das von ihm angerufene Gericht den von ihm vorgetragenen Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Der Anspruch ist aber immer nur im Rahmen des konkret geltend gemachten Sachverhalts zu prüfen.

Dem Vorbringen des Klägers können anspruchsbegründende Tatsachen, die eine rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Begehrens als Schadenersatzanspruch rechtfertigen, nicht entnommen werden; es fehlt insbesondere jeglicher Vorwurf eines schuldhaften Verhaltens. Der Kläger macht vielmehr geltend, der Beklagte habe sich in einer Vereinbarung verpflichtet, eine durch eine Abgrabung entstandene Böschung abzumauern. Er habe auch eine Mauer errichtet, damit aber die Vereinbarung nicht erfüllt und er verweigere die Zuhaltung dieser Vereinbarung.

Auszugehen ist davon, daß der Beklagte sich nicht nur zur Herstellung einer Mauer verpflichtet, sondern auch tatsächlich - im Jahr 1973 - eine Mauer errichtet hat, und daß diese Mauer als Erfüllung angenommen wurde, sich jedoch in der Folge (1986) insoweit als mangelhaft erwiesen hat, als sie einem auf sie ausgeübten Hangdruck nachgab und brach. Das Begehren des Klägers könnte nun zwar allenfalls - Gewährleistungsansprüche sind gemäß § 933 ABGB längst erloschen - auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt werden. Da aber ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet wurde, erfolgte der Zuspruch durch die zweite Instanz aus einem nicht geltend gemachten Titel. Aus dem Titel der Zuhaltung einer Vereinbarung ist dagegen das Begehren nicht gerechtfertigt, weil die vom Beklagten in Entsprechung der Vereinbarung hergestellte gemauerte Böschung vom Kläger und dessen Rechtsvorgängerin als Erfüllung angenommen worden ist.

Im Ergebnis zutreffend hat daher das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Durch die Unterstellung des klägerischen Begehrens unter einen nicht geltend gemachten Rechtsgrund hat das Berufungsgericht einen Verfahrensverstoß begangen, dem zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt, weshalb die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E15791

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00693.88.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19881020_OGH0002_0070OB00693_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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