TE OGH 1988/10/27 8Ob658/88

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Veröffentlicht am 27.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga J***, Geschäftsfrau, 1140 Wien, Hadikgasse 20/13, vertreten durch Dr. Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***-Theater Theaterbetriebsgesellschaft mbH, 1010 Wien, Marc Aurel Straße 3, vertreten durch Dr. Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Juni 1988, GZ 41 R 281/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.November 1987, GZ 48 C 483/86 p-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.724,20 (einschließlich S 1.520,38 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte als Hauptmieterin des Geschäftslokales top Nr.1 in 1010 Wien, Graben 27/28 (Goldschmiedgasse 9 = Petersplatz 1) die Räumung desselben durch die beklagte Partei als Untermieterin wegen Ablaufes der vom 1.1.1982 bis 31.7.1986 vereinbarten Untermietzeit sowie wegen Mietzinsrückstandes per 30.6.1986 von S 149.752,40 und Nichtzahlung des ab Juli 1986 fällig gewordenen Benützungsentgeltes. Während des Verfahrens erklärte die Klägerin, daß keinerlei Mietzinsrückstände mehr bestünden und daß daher das Räumungsbegehren nicht mehr auf Mietzinsrückstände gestützt werde (S.1 der Protokollsübertragung ON 6).

Die beklagte Partei begehrte die Abweisung der Klage unter anderem mit der Begründung, daß zwischen ihr und dem Rechtsvorgänger der Klägerin, Herrn Franz P***, ein unbefristetes Mietverhältnis vereinbart worden sei. Überdies stellte die beklagte Partei den Zwischenantrag auf Feststellung, daß das Untermietverhältnis zwischen ihr und der Klägerin unbefristet sei (ON 7). Das Erstgericht wies sowohl den Zwischenfeststellungsantrag der beklagten Partei, das nicht mehr Gegenstand des Berufungs- und Revisionsverfahrens ist, als auch das Klagebegehren ab. Es stellte unter anderem folgenden Sachverhalt fest:

Franz P*** (Künstlername Fatty G***), der Rechtsvorgänger der Klägerin, war bis zu seinem Tod am 29.3.1982 Hauptmieter des bereits genannten Geschäftslokales. Er verhandelte im Beisein der Klägerin mit den Geschäftsführern der beklagten Partei über den Abschluß eines Untermietvertrages betreffend dieses Geschäftslokal. Beide Vertragsteile waren dabei anwaltlich vertreten. Es wurden verschiedene Vertragsentwürfe erstellt, darunter auch der unter Beilage ./A dem Gericht vorgelegte, jedoch nicht unterschriebene Vertragsentwurf, wonach ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, auflösbar jedoch gegen 6-monatige Kündigung zum 31.Juli eines jeden Kalenderjahres, abgeschlossen werden sollte. Überdies war in diesem Vertragsentwurf vorgesehen, daß der Vertrag erst rechtswirksam wird, wenn die Hauseigentümerin dem Abschluß des Untermietvertrages zugestimmt hat. Als zwischen den Vertragsteilen in allen wesentlichen Punkten Willensübereinstimmung erzielt worden war, so auch darüber, daß das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen werden sollte, kam es aber im Dezember 1981 wegen der noch nicht durchgeführten Inventarisierung dennoch nicht zu der in der Kanzlei Dris. T*** vorgesehenen Vertragsunterzeichnung. Allerdings benutzte die beklagte Partei das Bestandobjekt ab 1.1.1982 und nahm auch Umbauarbeiten vor. Nach dem die Hauseigentümerin, die V*** DER Ö***

B***, dem Vertragsentwurf Beilage A nur insoweit zugestimmt hatte, als die Untervermietung nur für die Zeit vom 1.1.1982 bis 31.7.1986 erfolgen dürfte, leitete der Vertreter der beklagten Partei, Rechtsanwalt Dr. T***, das Schreiben der Hauseigentümerin (mit nicht vorgelegtem Brief wohl vom 3.2.1982) an die Vertreter der beklagten Partei weiter. Diese erklärte in dem Antwortschreiben vom 1.3.1982, es bestünden unter anderem zum Punkt 1. des Briefes der B*** (betreffend Genehmigung des Untermietverhältnisses nur für bestimmte Zeit) keine Einwände und es könnte § 11 des Vertrages dahin ergänzt werden, daß der Vertrag nur in dem Ausmaß rechtswirksam werde, in dem die

B*** zugestimmt habe (bestimmte Zeit vom 1.1.1982 bis 31.7.1986). Ein schriftlicher Vertrag kam aber in der Folge nicht zustande. Andere schriftliche Erklärungen der Parteien oder ihrer Vertreter betreffend den Inhalt des abgeschlossenen Untermietvertrages wurden dem Gericht nicht vorgelegt. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß ein befristetes Untermietverhältnis mangels Einhaltung der Schriftform nicht zustande gekommen sei. Das auf Zeitablauf gestützte Räumungsbegehren sei daher abzuweisen.

Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus:

Der Mietzinsrückstand sei nicht zu prüfen gewesen, weil die Klägerin ausdrücklich erklärt habe, ihr Räumungsbegehren darauf nicht mehr zu stützen. Unabhängig davon, ob ein Mietvertrag vor Inkrafttreten des MRG befristet abgeschlossen worden sei, finde § 29 MRG Anwendung, weil die Durchsetzbarkeit der vereinbarten Befristung nach dem Recht zu beurteilen sei, das zur Zeit des vereinbarten Endtermines gelte. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG werde ein Untermietvertrag durch Zeitablauf nur dann aufgelöst, wenn schriftlich vereinbart worden sei, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlösche und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer 5 Jahre nicht übersteige. Die in dieser Gesetzesstelle verlangte Schriftform sei diejenige des § 886 ABGB, wonach Unterfertigung durch beide Vertragsteile erforderlich sei. Dies sei auch dann gegeben, wenn ein von einem Vertragspartner schriftlich gemachtes Anbot schriftlich angenommen werde, also zwei Urkunden vorliegen, die jeweils die Willenserklärungen der Vertragsteile enthalten. Von der Einhaltung der Schriftform könne hingegen nicht mehr gesprochen werden, wenn zur Beurteilung der Frage, ob eine Willenseinigung erfolgte, der Wortlaut der Urkunden nicht ausreiche, sondern zur Ermittlung ihres Inhaltes auf gesetzliche Auslegungsregeln zurückgegriffen werden müsse. Eine derartige schriftliche Vereinbarung der Befristung des Untermietvertrages liege aber nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Räumungsbegehren kostenpflichtig stattgegeben werde, in eventu, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei begehrt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zulässigkeit:

Gemäß § 500 Abs 2 Z 2 und 3 ZPO hat das Berufungsgericht, wenn es das Urteil erster Instanz ganz oder teilweise bestätigt, auszusprechen, ob der davon betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-- oder S 300.000,-- übersteigt. Auf die Berechnung der Bewertung des Streitgegenstandes sind die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden, wobei jedoch das Gericht unter anderem nicht an die Bewertung durch den Kläger gebunden ist. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin wegen der in § 49 Abs 1 Z 5 JN normierten Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes eine Bewertung überhaupt nicht vorzunehmen. Umso weniger ist der für den Fall der Unterlassung einer Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger in § 56 Abs 2 letzter Satz genannte Zweifelsstreitwert, der ja nur eine Bewertung durch den Kläger ersetzen könnte, für die weitere Bewertung durch das Berufungsgericht maßgebend oder könnte - wie die beklagte Partei meint - eine Bewertung durch das Berufungsgericht überhaupt überflüssig machen.

Gemäß § 500 Abs 4 Satz 1 ZPO findet gegen einen Ausspruch über die Bewertung durch das Berufungsgericht ein Rechtsmittel nicht statt. Der Oberste Gerichtshof ist daher in den Fällen, in denen das Berufungsgericht überhaupt zur Bewertung berufen war, an dessen Ausspruch gebunden (Fasching, Lehrbuch Rz 1830).

Nach der für den Obersten Gerichtshof demnach maßgebenden Bewertung mit über S 300.000,- ist die Revision der Klägerin in vollem Umfang zulässig.

2. Zur Berechtigung der Revision:

Unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Revisionswerberin die Unterlassung von Feststellungen über das Verschulden der beklagten Partei an der Nichtzahlung des Mietzinses. Da jedoch die Vorinstanzen diesbezügliche Feststellungen aus rechtlichen Erwägungen unterließen, wird in Wahrheit ein unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu behandelnder Feststellungsmangel geltend gemacht. Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelgrundes schadet jedoch nicht. Zutreffend verneinten die Vorinstanzen ihre Pflicht zur Prüfung, ob und aus welchen Gründen ein Mietzinsrückstand entstanden war, weil die klagende Partei ausdrücklich erklärt hatte, das Räumungsbegehren darauf nicht mehr zu stützen.

Richtig ist auch die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes betreffend das Zustandekommen eines unbefristeten Untermietvertrages. § 29 Abs 1 Z 3 lit d MRG sieht die Auflösung eines Untermietvertrages durch Zeitablauf vor, wenn schriftlich vereinbart wurde, daß der Untermietvertrag durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt, sofern die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer 5 Jahre nicht übersteigt. Ist für einen Vertrag Schriftlichkeit erfordert, so genügen zur Einhaltung dieser Form entweder die Unterschrift beider Parteien auf einer Urkunde oder auch schriftliches Angebot und schriftliche Annahme, also zwei Urkunden (Rummel in Rummel, ABGB Rdz 2 zu § 886). Schon zu § 23 MG wurde von der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, der vom Gesetzgeber mit der Anordnung der Schriftform verbundene Zweck verlange es, daß die Voraussetzungen des Vorliegens eines Vertrages von bestimmter Dauer aus dem Wortlaut der Urkunde selbst hervorgehen und es nicht notwendig sein dürfe, zu ihrer Ermittlung auf die Auslegungsregeln der §§ 914 und 915 ABGB und die Vorschriften des § 863 ABGB zurückzugreifen (1 Ob 601/79). Durch die Schriftform sollte die eindeutige Klarstellung eines kurzfristigen Rechtsverhältnisses sichergestellt werden (MietSlg 31.478). Dies gilt auch für die in § 29 Abs 1 Z 3 geregelten Fälle (JBl 1988, 450). Von der Einhaltung der Schriftform in der oben beschriebenen Weise kann aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen, dem Vorbringen der Parteien und dem Inhalt der von ihnen vorgelegten Urkunden keine Rede sein. Auszugehen ist daher von der vom Erstgericht festgestellten mündlichen - insoweit

zulässigen - Vereinbarung eines Untermietverhältnisses auf

unbestimmte Zeit.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16033

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00658.88.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19881027_OGH0002_0080OB00658_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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