TE OGH 1988/10/27 8Ob655/88

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Veröffentlicht am 27.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bruno H***, Kaufmann, 1100 Wien, Kundratstraße 8-10/11/5/16, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ingeborg H***, Angestellte, 1100 Wien, Kundratstraße 8-10/11/5/16, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen

82.500 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Mai 1988, GZ 44 R 1027/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 16. Februar 1988, GZ 8 C 82/87-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen 79.200 S

zu zahlen.

Das Mehrbegehren von 3.300 S wird abgewiesen.

Die Beklagte ist ferner schuldig, dem Kläger die mit 7.897,50 S (einschließlich 514,50 S Umsatzsteuer und 2.238 S Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten erster Instanz sowie die mit 7.109,90 S (einschließlich 642,90 S Umsatzsteuer und 38 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 8.397,35 S (einschließlich 308,85 S Umsatzsteuer und 5.000 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 82.500 S mit der Begründung, er trage allein die Kosten der Ehewohnung von monatlich 5.500,40 S. Diese Wohnung werde von ihm, der Beklagten als seiner Ehefrau, dem gemeinsamen Kind sowie den beiden noch nicht selbsterhaltungsfähigen Kindern der Beklagten aus erster Ehe, Katrin und Christoph L***, bewohnt. Die Beklagte sei seit 1985 berufstätig und beziehe ein eigenes Einkommen. Sie habe Ehebruch begangen. Der Ehebrecher gehe nach wie vor trotz gerichtlicher Verurteilung wegen Ehebruches in der Wohnung der Streitteile aus und ein. Er, der Kläger, sei daher nicht mehr bereit, die auf die Beklagte und ihre beiden Kinder aus erster Ehe anteilig entfallenden Kosten von 3/5 der Gesamtaufwendungen zu tragen. Er begehre daher von der Beklagten für die Zeit ab 1. Dezember 1985 für 25 Monate je

3.300 S, d.s. 82.500 S (ON 1 und 5).

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte vor, zwischen den Streitteilen sei ein Scheidungsverfahren anhängig. Ihre Ehe funktioniere nicht mehr. Der Kläger könne jedoch nur dasjenige gemäß § 1042 ABGB zurückverlangen, was er jetzt mehr leiste als er zu jener Zeit geleistet hat, als die Ehe noch in Ordnung war. Da aber der Kläger damals ebenfalls die gesamten Wohnungskosten getragen habe, sei sein Rückforderungsbegehren nicht berechtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Seiner Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Streitteile leben in aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt, doch ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. In der Ehewohnung lebt noch das eheliche Kind der Streitteile, der am 4. Mai 1977 geborene Alexander H***, sowie die beiden Kinder der Beklagten aus ihrer Vorehe, Katrin L*** (geboren am 19. Februar 1968) und Christoph L*** (geboren am 25. April 1969), die noch nicht selbsterhaltungsfähig sind (Verdienst als Lehrling 1.300 S bzw. 2.154 S pro Monat). Die Streitteile hatten seinerzeit im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung eine schriftliche Vereinbarung des Inhaltes geschlossen, daß sie jeder einer Erwerbstätigkeit nachgehen und zur Deckung der den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam und im gleichen Umfang beitragen werden. Die Kinder der Beklagten aus ihrer Vorehe wurden in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen. Die Wohnungskosten von monatlich 5.500,40 S trägt der Kläger allein.

Die Beklagte beging mit Karl A*** vom 25. August 1985 bis 31. August 1985 mehrmals Ehebruch. Der Mann wurde deshalb strafgerichtlich verurteilt. Er hält sich dennoch wiederholt in der Ehewohnung auf. Die Beklagte wurde deshalb rechtskräftig verurteilt, es zu unterlassen, Karl A*** das Betreten der Ehewohnung der Streitteile zu gestatten (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26. Mai 1988, 8 Ob 529/88). Der Kläger, dem im September 1985 bekannt wurde, daß die Beklagte einen Freund hat, ist seither nicht mehr bereit, die Wohnungskosten für die Klägerin und ihre aus einer anderen Ehe stammenden Kinder zu tragen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, zwischen den Streitteilen sei eine stillschweigende Vereinbarung des Inhaltes zustande gekommen, daß der Kläger allein die Kosten der ehelichen Wohnung trage. Eine derartige stillschweigende vermögensrechtliche Vereinbarung werde nach Übung des redlichen Verkehrs mit Rücksicht auf das Wesen der Ehe und die daraus resultierenden Treupflichten regelmäßig auf Grundlage einer funktionierenden Ehe geschlossen. Durch den Ehebruch der Beklagten sei aber eine typische Voraussetzung für diese vermögensrechtliche Vereinbarung weggefallen, sodaß der Kläger berechtigt sei, von der Beklagten die auf sie und ihre Kinder entfallenden Kosten der Wohnung, die nach Zahl der sie benützenden Personen aufzuteilen sei, zu begehren.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung derart, daß die Beklagte wegen Verwirkung ihres Unterhaltsanspruches die auf sie entfallenden Kosten der Wohnung, d. h. ein Fünftel der Gesamtkosten (für 24 Monate vom 1. Dezember 1985 bis Schluß der Verhandlung in erster Instanz) = 26.400 S, dem Kläger zu ersetzen habe.

Im übrigen änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes im klageabweisenden Sinn ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es an: Der Kläger habe sich bei Eheschließung schlüssig verpflichtet, die Kinder der Beklagten aus ihrer Vorehe in den gemeinsamen Haushalt aufzunehmen und ihnen - da sie beide damals nicht selbsterhaltungsfähig waren - das unentgeltliche Wohnen zu gestatten. Er habe es also übernommen, während aufrechter Ehe den Unterhaltsanspruch der Kinder der Beklagten aus der Vorehe an ihrer Statt zumindest hinsichtlich der Wohnung solange zu erfüllen, als ein Anspruch der Beklagten auf Benützung der Ehewohnung bestünde oder bis die Kinder selbsterhaltungsfähig würden. Die Vereinbarung des Beklagten über die unentgeltliche Aufnahme der Kinder bestehe trotz der Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Beklagten fort, weil die Kinder noch nicht selbsterhaltungsfähig seien und die Beklagte die Wohngemeinschaft mit dem Kläger nach wie vor aufrecht erhalte. Der Anspruch der Kinder auf unentgeltliches Wohnen wäre aber gefährdet, wenn die Beklagte die auf die Kinder entfallenden Wohnungskosten mittragen müßte, weil sie allenfalls nicht in der Lage wäre, den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Kinder voll zu befriedigen.

Das Berufungsgericht sprach hinsichtlich des abändernden Teiles seiner Entscheidung die Zulässigkeit der Revision aus. Gegen den klageabweisenden Teil des Urteiles der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache im Umfang der Anfechtung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Richtig erkannte das Berufungsgericht, daß sich der Kläger bei der Eheschließung schlüssig dazu verpflichtete, die Kinder der Beklagten aus ihrer Vorehe in den gemeinsamen Haushalt aufzunehmen und sie dort unentgeltlich wohnen zu lassen. Diese schlüssige Vereinbarung kam zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande, die ihre unversorgten Kinder beim Kläger untergebracht wissen wollte, und hatte - geht man von der nach § 863 Abs 2 ABGB für solche Vereinbarung geforderten Übung des redlichen Verkehrs aus - eine funktionierende Ehe zur Grundlage. Für die vom Berufungsgericht angenommene weitergehende konkludente Vereinbarung zwischen dem Kläger und den Kindern selbst besteht demnach keine Sachgrundlage. Da durch den festgestellten Ehebruch der Beklagten und ihr nachfolgendes Verhalten, nämlich das Aufrechterhalten des Kontaktes zum Ehebrecher in der ehelichen Wohnung, die Geschäftsgrundlage für die die Tragung der Wohnungskosten betreffende vermögensrechtliche Vereinbarung der Streitteile zum Wegfall gebracht wurde, hat die Beklagte nunmehr auch die auf ihre in der ehelichen Wohnung untergebrachten Kinder entfallenden Kosten dem Beklagten in dem Maß zu ersetzen, wie es der Fall wäre, wenn die Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit nicht getroffen worden wäre. Dieses Ausmaß ist nach Kopfteilen zu berechnen.

Die in JBl 1987, 652 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4. März 1987, 1 Ob 697/86, auf die sich die Beklagte beruft, hat den Fall zum Gegenstand, daß ein Ehegatte wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtung durch den anderen Ehegatten mehr geleistet hat als seinem auf Grund der partnerschaftlichen Vereinbarung zu leistenden Betrag entsprach, und befaßt sich daher mit dem Rückforderungsanspruch des mehrleistenden Ehegatten gegen den anderen. Eine Aussage in der von der Beklagten behaupteten allgemeinen Form, daß im Falle des Nichtfunktionierens der Ehe der eine Ehegatte vom anderen nach § 1042 ABGB nur das zurückverlangen könne, was er mehr geleistet habe als während der Zeit des Funktionierens der Ehe, wurde dort - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - nicht gemacht. Die genannte Entscheidung hat einen den hier festgestellten Sachverhalt vergleichbaren gar nicht zum Gegenstand.

Es war daher der Revision Folge zu geben und der in klageabweisendem Sinn abändernde Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes teilweise wiederhergestellt wurde; es war nämlich zu berücksichtigen, daß der Zeitraum vom 1. Dezember 1985 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (9. November 1987) nur 24 Monate umfaßt und daher ein Anspruch nach § 1042 ABGB nur in diesem Umfang entstanden sein kann.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Das geringfügige Unterliegen des Klägers mit 3.300 S wirkt sich auf die Kostenentscheidung nicht aus.

Anmerkung

E16043

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00655.88.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19881027_OGH0002_0080OB00655_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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