TE OGH 1988/11/8 11Os138/88

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Veröffentlicht am 08.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl B*** wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach dem § 210 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 25.August 1988, GZ 1 a Vr 563/88-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Karl B***, seines gesetzlichen Vertreters Horst B*** und des Verteidigers Dr. Krasa zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Karl B*** wird von der Anklage, er habe in Wien

gewerbsmäßig gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen männlichen Geschlechtes getrieben, und zwar

1. im Sommer 1987 mit einem Unbekannten durch gegenseitigen Handverkehr,

2. zwischen Jänner und April 1988 wiederholt mit dem gesondert verfolgten Erwachsenen Ewald K*** durch gegenseitigen Hand- und Mundverkehr; er habe hiedurch das Vergehen der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach dem § 210 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.August 1972 geborene, zuletzt beschäftigungslose Jugendliche Karl B*** des Vergehens der gewerbsmäßigen gleichgeschlechtlichen Unzucht nach dem § 210 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien gewerbsmäßig gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen männlichen Geschlechtes, nämlich im Sommer 1987 mit einem Unbekannten und in der Zeit vom 7. Februar 1988 bis zum 15.April 1988 wiederholt mit dem gesondert verfolgten Ewald K***, trieb.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Z 5 a und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Das Schöffengericht sprach aus, daß es im vorliegenden Fall das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) für erfüllt erachtet. Seinen insoweit hiefür heranziehbaren Tatsachenfeststellungen ist aber nicht mehr zu entnehmen, als daß der Angeklagte nach einem sich über mehrere Monate erstreckenden eingehenderen Besuchskontakt mit einem Bekannten seiner (verstorbenen) Mutter, nämlich dem 32jährigen Ewald K***, der ihm in dieser Zeit auch bei seiner Vorbereitung auf eine Nachprüfung in Mathematik behilflich war, am 7.Februar 1988 vom Bezirksjugendamt für den 4. und 5. Bezirk in Wien mit Zustimmung des Vaters und gesetzlichen Vertreters aus der Heimpflege (Stadt des Kindes) entlassen und in die Pflege des Ewald K*** eingewiesen wurde, wobei es dann während der Zeit dieser Unterbringung zu den gleichgeschlechtlichen Kontakten kam (S 200, 202 d.A). Ferner stellte das Schöffengericht fest, daß der Angeklagte von Ewald K*** ein wöchentliches Taschengeld von 100 S erhielt und neben der freien Unterbringung und Verpflegung auch mit Bekleidung versorgt wurde. "Vor allem wegen dieser finanziellen Besserstellungen" (das Taschengeld war fast doppelt so hoch wie in der Stadt des Kindes) zog der Angeklagte - der sich dadurch auch "das dauernde Hin- und Herfahren zwischen Herrn K*** und der Stadt des Kindes ersparte" - zu ihm (S 202 und 210 d.A). Diese Urteilsannahmen reichen aber für die Bejahung des strittigen Tatbestandsmerkmales - wie vom Beschwerdeführer im Ergebnis richtig erkannt wird - nicht aus. Denn die inkriminierten Taten wurden erst nach dem Eintreten der materiellen Besserstellung des Angeklagten durch die Unterbringung bei Ewald K*** verübt und es wurde im Urteil nicht zum Ausdruck gebracht, daß diese Besserstellung etwa von der Vornahme solcher Handlungen abhängig war, die Taten also in der Absicht gesetzt wurden, sich im Genuß dieser Zuwendungen zu erhalten. Eine solche Feststellung wäre allerdings nach der Aktenlage nicht mit mängelfreier Begründung zu treffen gewesen. Denn selbst die insoweit für den Angeklagten nachteiligsten Verfahrensergebnisse (die dem Erstgericht auch als Urteilsgrundlage dienten), nämlich seine Angaben und die des Ewald K*** vor der Polizei, bieten dafür keine Basis; ist ihnen doch ein solcher Zusammenhang zwischen Unzuchtshandlung und finanzieller Leistung des Partners nicht zu entnehmen (siehe S 35 und 41 f d.A).

Ähnliche Überlegungen haben für das Urteilsfaktum 1 zu gelten:

Auch insoweit fehlt es an für die Herstellung des Tatbestandes ausreichenden Feststellungen, und zwar insbesondere in Richtung einer einnahmenorientierten Wiederholungsabsicht (vgl S 203 f, 210 d.A). Zieht man die Darstellungen des Angeklagten vor der Polizei (S 34) und vor Gericht (S 117 ff, insbesondere auch S 124 d.A) - als einzige dafür in Frage kommende

Beweisquellen - sowie den Umstand in Betracht, daß es sich um einen für einen verhältnismäßig langen Zeitraum vereinzelt gebliebenen Vorfall solcher Art handelte, muß wohl auch hier davon ausgegangen werden, daß es an Verfahrensergebnissen fehlt, auf welche die unterbliebene Feststellung hätte gestützt werden können. Die dargestellten Feststellungsmängel bewirken die Nichtigkeit des Urteils nach der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO. Da nach der Aktenlage nicht zu erwarten ist, daß die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen mit zureichender Begründung auf Grund eines neuen Rechtsganges getroffen werden könnten, war nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO sogleich mit Freispruch vorzugehen (siehe Mayerhofer-Rieder2 ENr 28 zu § 288 StPO).

Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E15572

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00138.88.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19881108_OGH0002_0110OS00138_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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