TE OGH 1988/11/10 7Ob691/88

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Veröffentlicht am 10.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jan S***,

Saatzuchtleiter, Bruckneudorf, Feriensiedlung 8, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei H*** SteineFliesen- und Kachelöfen

Gesellschaft m.b.H., Frauenkirchen, Hauptstraße 43 a, vertreten durch Dr.Anton Pokorny u.a., Rechtsanwälte in Wien, wegen 331.736,16 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 1 R 110/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Eisenstadt vom 14. März 1988, GZ 3 Cg 272/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 11.333,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.030,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johann H*** betrieb seit 1982/83 in einem Geschäftslokal in Frauenkirchen, Hauptstraße 43 a, als Einzelkaufmann ein Unternehmen, wobei er auf Briefbögen und Visitenkarten den Aufdruck "H*** - Steine Fliesen, Sanitär" verwendete. Die Geschäftstätigkeit umfaßte die Lieferung und Verlegung von Fliesen, die Errichtung von Kachelöfen, den Verleih von Werkzeugen, die Lieferung und Verlegung von Stein- und Fliesenbelegen für Stiegen, Böden, Wände und Fensterbänke sowie die Lieferung und Montage von Waschtischen, Badewannen und Bademöbeln. Zur Errichtung von Kachelöfen besaß und besitzt Johann H*** keine Gewerbeberechtigung.

Anfang 1985 errichtete Johann H*** aufgrund eines von ihm am 26.Jänner 1985 gestellten Anbotes in einem Haus des Klägers eine Heizanlage. Mit 24.Mai 1985 legte er darüber Rechnung. Wegen mangelhafter Ausführung der Heizungsanlage begehrte der Kläger zu 3 Cg 25/87 des Landesgerichtes Eisenstadt von H*** die Bezahlung der Verbesserungskosten von 331.736,16 S s.A. Darüber erging ein Versäumungsurteil, das in Rechtskraft erwachsen ist. H*** verkaufte im Laufe des Jahres 1985 sein Unternehmen der mit Rechtswirksamkeit vom 2.Oktober 1985 gegründeten beklagten Partei. An dieser ist er mit einer Stammeinlage von 495.000 S beteiligt, während die restliche Stammeinlage von 5.000 S von einer Friederike J*** zu leisten ist. H*** ist einziger Geschäftsführer mit alleiniger Vertretungs- und Zeichnungsbefugnis für die Beklagte. Für diese wurde außerdem ein Prokurist bestellt. Gegenstand des Unternehmens bilden der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit hochwertigen Baumaterialien, der Handel und die Verarbeitung von Natursteinen, der Handel und die Verarbeitung von keramischen Fliesen, der Import und Export von Waren aller Art sowohl im Detail- als auch im Großhandel sowie der Bau und Vertrieb von Kachel- und Systemöfen. Der Einzelprokurist Heinz Günter L*** ist Hafner, Platten- und Fliesenlegermeister. Das Unternehmen der Beklagten wird ebenfalls in dem von H*** gemieteten Lokal in Frauenkirchen, Hauptstraße 43 a, betrieben. Dieses Lokal hat H*** aufgrund einer ihm von der Hauseigentümerin

diesbezüglich eingeräumten Befugnis an die Beklagte weitervermietet. Tatsächlich hat sich am Gegenstand und Umfang des Unternehmens durch die Veräußerung nichts geändert.

Die Vorinstanzen gingen davon aus, daß die Beklagte das Unternehmen H*** übernommen habe. Hiebei habe es sich um ein lebendes Unternehmen gehandelt. Da H*** einerseits den überwiegenden Teil des Stammkapitals der Beklagten übernommen habe und andererseits deren alleiniger Geschäftsführer sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zum Zeitpunkt des Erwerbes des Unternehmens die Forderung gegen H*** gekannt habe. Während das Erstgericht eine Haftung der Beklagten für die Schuld H*** nach § 25 HGB annahm, führte das Berufungsgericht aus, die Beklagte hafte bereits nach § 1409 ABGB. Einen Beweis dafür, daß der Wert des übernommenen Vermögens geringer als die eingeklagte Forderung sei, habe die Beklagte nicht erbracht. Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mangelhafter und unrichtiger Tatsachenfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Ein Revisionsgrund der mangelhaften und unrichtigen Tatsachenfeststellung ist der Zivilprozeßordnung fremd. Vielmehr muß der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, von den Feststellungen der Vorinstanzen ausgehen.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, scheidet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch die Nichteinholung von Sachverständigengutachten wegen des Fehlens eines entsprechenden Vorbringens aus. Den Beweis für die Höhe der Aktiven, ihren Wert und den Umfang der bereits bezahlten Schulden muß der Unternehmer erbringen, der sich zur Ablehnung weiterer Haftung darauf beruft (EvBl. 1979/239 ua). In dieser Richtung hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht einmal ein Vorbringen erstattet, geschweige Beweise hiezu angeboten.

Zu den richtigen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes nimmt die Revision nicht einmal ernsthaft Stellung. Sie verweist lediglich auf Belegstellen, die jedoch den Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes nicht entgegenstehen. Selbstverständlich ist die bloße Überlassung von Mietrechten keine Übertragung eines Unternehmens. Im vorliegenden Fall wurden jedoch nicht nur Mietrechte überlassen, sondern nach den getroffenen Feststellungen das gesamte Warenlager, die Einrichtung und damit verbunden selbstverständlich alles, was sich aus dem Betrieb ergeben hat, übertragen. Die Überlassung des Büros, dessen Ausstattung und Einrichtung, der Betriebsmittel, des Goodwill und des Kundenstocks sowie der Eintritt in die bestehenden Mietverträge ist als Übernahme eines Unternehmens, einer organisierten Erwerbsgelegenheit nach § 1409 ABGB zu beurteilen (1 Ob 609/87 ua). Gerade darin bestand aber im vorliegenden Fall die Übertragung des Unternehmens. Daß infolge des bestehenden Mietvertrages die Überlassung der Mietrechte in Form einer Untervermietung erfolgte, ändert nichts daran, daß die Mietrechte mit dem Unternehmen übertragen worden sind. Daß sie gegenüber den anderen Vermögenswerten (Warenlager, Betriebsmittel, Kundenstock u.dgl.) derart an Bedeutung hervortreten, daß in Wahrheit nur eine Mietrechtsübertragung, nicht aber eine Unternehmensübertragung anzunehmen wäre, wurde von der Beklagten weder behauptet noch bewiesen.

Der Revision mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E15792

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00691.88.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19881110_OGH0002_0070OB00691_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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