TE OGH 1988/11/10 7Ob38/88

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Veröffentlicht am 10.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*** Gesellschaft mbH, Anthering, Landstraße 17, vertreten durch Dr. Hubert Pflanzl, Dr. Eugen Salpius und Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Dr. Felix Weigert und Dr. Andreas Theiss, Rechtsanwälte in Wien, wegen 98.400 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1988, GZ 2 R 75/88-44, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. Februar 1988, GZ 28 Cg 179/86-38, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt die Zahlung von 98.400 S sA (Einschränkung "auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen", AS 188). Sie habe mit der beklagten Partei einen Vertrag über eine umfassende Versicherung ihres Unternehmens abgeschlossen. Nach der Zusage ihres Vertreters habe die beklagte Partei auch für geleaste Geräte Versicherungsschutz gewähren sollen. Am 21. September 1984 sei bei einem Gewitter ein Leasinggerät, und zwar ein Fernkopierer Infotec 6000, beschädigt worden. Die Reparaturkosten dieses Gerätes hätten 114.000 S betragen. Die klagende Partei sei im konkreten Fall nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Sie sei zum Zeitpunkt der Anschaffung des Ersatzgerätes noch nicht als eigenes Unternehmen organisiert, sondern unselbständige Außenstelle der deutschen H*** KG gewesen, die ihr das Ersatzgerät zur Verfügung gestellt habe. Der Ersatz der Mehrwertsteuer habe vom deutschen Unternehmen nicht geltend gemacht werden können.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Das Fernkopiergerät Infotec 6000 sei nach dem Leasingvertrag Eigentum des Vermieters und daher von Versicherungsschutz nicht umfaßt. Für indirekte Blitzschäden an elektrischen und elektronischen Geräten sowie an Büroeinrichtung sei lediglich der Zeitwert zu ersetzen, der 47.679 S (ohne Umsatzsteuer) betrage. Die klagende Partei sei vorsteuerabzugsberechtigt.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Die H*** KG mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland errichtete in Österreich ein Verkaufsbüro, das seine Geschäfte vorerst unter den Bezeichnungen "H*** Verkaufsgesellschaft KG" und "H*** Verkaufsgesellschaft Büro Österreich" abwickelte. Am 22. Mai 1978 nahm Gerhard M***, ein Vermittlungsagent der beklagten Partei, mit Wolfgang W***, dem Vertreter der Verkaufsgesellschaft, einen Versicherungsantrag auf, in dem er den Versicherungsnehmer als "H*** Verkaufsgesellschaft KG" bezeichnete. Wolfgang W*** wollte ausdrücklich auch die gesamte Büroeinrichtung einschließlich (unter anderem) des Fernschreibers versichern lassen. Gerhard M***, der annahm, daß der Fernschreiber nicht im Eigentum der klagenden Partei stehe, führte diesen und auch andere größere Geräte ausdrücklich im Antrag an, um klarzustellen, daß diese Büromaschinen, gleichgültig ob im Eigentum des Versicherungsnehmers stehend, ob gemietet oder geleast, vom Versicherungsschutz umfaßt seien.

Die Polizze vom 27. Juni 1978 enthält keinen Hinweis auf eine Abweichung vom Antrag.

Die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

"Art. 2 (1). Soweit nichts anderes vereinbart ist, sind nur die

dem Versicherungsnehmer gehörigen Sachen versichert. Versichert sind

auch vom Versicherungsnehmer gekaufte Sachen, die ihm unter

Eigentumsvorbehalt übergeben sind, und die dem Versicherungsnehmer

verpfändeten Sachen .......

Art. 5 (1). Der Ermittlung der Ersatzleistung wird unbeschadet

der Bestimmungen des Art. 10 ABS der Versicherungswert zur Zeit des

Eintritts des Schadenfalles (Ersatzwert) zugrundegelegt, bei

beschädigten Sachen der Unterschied zwischen diesem Wert und dem

Wert der Reste, bei dessen Ermittlung die Verwendbarkeit der Reste

für die Wiederherstellung zu berücksichtigen ist ......

(2) Als Ersatzwert gelten: .......

(b) Bei Gebrauchsgegenständen, Arbeitsgeräten, Maschinen und

sonstigen technischen Einrichtungen die Wiederbeschaffungskosten

unter billiger Berücksichtigung der aus dem Unterschied zwischen alt

und neu sich ergebenden Wertminderung; ....

Maßgebend sind die Preise (soweit sich Marktpreise gebildet

haben, die Marktpreise) zur Zeit des Eintritts des Schadenfalles

sowie die Kosten der Neuherstellung zur Zeit des Eintritts des

Schadenfalles.

Ergibt sich bei Gebäuden, Maschinen, technischen Einrichtungen

und Waren ein geringerer Wert aus dem Umstand, daß sie infolge einer

nicht durch den Schadenfall verursachten Beschädigung, infolge

Veralterung oder dauernden Betriebsstillstandes schon dauernd

entwertet waren, so gilt der geringere Wert als Ersatzwert ......".

Die im Ergänzungsblatt zur Polizze angeführten Sonderbedingungen Klausel A 03 haben unter anderem folgenden Inhalt:

"I. Als Ersatzwert gilt der Neuwert, das ist der Wiederbeschaffungspreis. Ist der Zeitwert einer Sache, das ist der Wiederbeschaffungspreis unter billiger Berücksichtigung des aus dem Unterschied zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwertes, niedriger als 50 v.H. des Neuwertes, so gilt als Ersatzwert nur der Zeitwert."

Am 31. März 1981 schloß die H*** KG Verkaufsgesellschaft mbH in Steinhagen, BRD, mit der "Leasfinanz" einen Leasing-Mietvertrag über einen Fernkopierer Infotec 6000 im Wert von 190.716 S für die Dauer von 72 Monaten. In dem Vertrag heißt es unter anderem:

"VI (5) Der Mieter hat dafür zu sorgen, daß der Mietgegenstand als Eigentum des Vermieters identifiziert ist .....

(8) Mit der Übernahme des Mietgegenstandes geht jede Haftung und Gefahr auf den Mieter über."

Der Kopierer, der am 7. April 1981 neuwertig ausgeliefert worden war, fand im Verkaufsbüro Österreich der H*** KG, also beim Rechtsvorgänger der klagenden Partei, als Ersatz für ein früher dort aufgestellt gewesenes Gerät Verwendung. Er wurde von einer Firma D*** gewartet und war voll funktionsfähig bis einschließlich 21. September 1984 in Betrieb. An diesem Tag wurde das Telefonkopiergerät durch Einschlagen eines Blitzes beschädigt. Ein direkter Blitzschlag in das Gerät ist auszuschließen. Der Zeitwert des Gerätes betrug 82.000 S, sein Marktwert 45.000 S, jeweils zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer. Das Gerät wurde in der Folge bei der Fa. D*** repariert, die hiefür mit Faktura vom 20. Dezember 1984 einen - angemessenen - Betrag von 95.000 S zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer, insgesamt daher 114.000 S in Rechnung stellte. Zu Schadenszeitpunkt war ein Fernkopierer Infotec 6000 nicht mehr erhältlich. Die H*** KG hat im Dezember 1984 ein Gerät der Type Infotec 6002 als Gebrauchtgerät um 114.000 S erworben. Als deutsche Gesellschaft erhielt sie die Mehrwertsteuer für die Anschaffung des Ersatzgerätes nicht rückvergütet.

Anfang Jänner 1985 wurde das Verkaufsbüro Österreich der H*** KG als selbständige Gesellschaft mbH eingerichtet. Anläßlich der Gründung dieser Gesellschaft trat die klagende Partei in sämtliche Rechte und Pflichten der H*** KG, Büro Österreich, ein. Sie verständigte davon alle Gesprächspartner, darunter auch die beklagte Partei. In der Folge wurden nicht nur die Versicherungsprämien von der klagenden Partei entrichtet, sondern es ist auch vertraglich abgesichert, daß die klagende Partei die einzelnen Rechte, darunter auch den Ersatzanspruch gegen die beklagte Partei, geltend machen kann.

In seiner rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Versicherung umfasse die gesamte Büroeinrichtung, unabhängig davon, ob die Geräte im Eigentum des Versicherungsnehmers gestanden, gemietet oder geleast gewesen seien. Die Deckungspflicht der beklagten Partei sei zum einen aus dem Titel des Schadenersatzes, zum anderen aus jenem der Herbeiführung eines Irrtums gegeben. Der klagenden Partei fehle nicht die Aktivlegitimation. Da der Zeitwert des versicherten Kopierers weniger als 50 % des Neuwertes betrage, gelte als Ersatzwert der Zeitwert. Die klagende Partei habe Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer, weil für den Rechtsvorgänger der klagenden Partei Anspruch auf Vorsteuerabzug oder Erstattung der Mehrwertsteuer nicht bestehe.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, vermißte jedoch ausreichende Feststellungen zur Beurteilung der der klagenden Partei zustehenden Ersatzleistung (Aktivlegitimation der klagenden Partei und Deckungspflicht der beklagten Partei wurden im Berufungsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen). Unter "Wiederbeschaffungskosten" iS des Art. 5 Abs 2 lit b der AFB seien die Kosten für den Ankauf eines neuen Gerätes im Schadenszeitpunkt zu verstehen. Sei das beschädigte Gerät zum Schadenszeitpunkt nicht mehr erhältlich gewesen, müsse der Neupreis von Geräten möglichst ähnlicher, und zwar mindestens gleicher, Art und Güte herangezogen werden. Zu ermitteln sei auch der gemäß Art. 5

(1) der AFB zu berücksichtigende "Wert der Reste". Zu ihrem Einwand, die klagende Partei sei vorsteuerabzugsberechtigt, habe die beklagte Partei kein Beweisanbot erstattet. Behaupte die beklagte Partei, das Gerät sei nicht repariert, es sei vielmehr ein Ersatzgerät angeschafft worden, verstoße sie gegen das Neuerungsverbot. Das Erstgericht habe der klagenden Partei keinesfalls ein aliud zugesprochen. Die klagende Partei begehre eine Ersatzleistung aus dem mit der beklagten Partei abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Sie habe diese zwar zunächst in der Höhe der Reparaturkosten, später aber in der Höhe des vom Sachverständigen ermittelten Ersatzwertes erblickt. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO liege daher nicht vor. Der Rechtskraftvorbehalt sei beizusetzen gewesen, weil zu den für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen, insbesondere zur Auslegung des Art. 5 Abs 1 und 2 lit b AFB, keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Die beklagte Partei wiederholt in ihrem Rechtsmittel ihre Ansicht, das Erstgericht habe der klagenden Partei ein aliud zugesprochen. Die klagende Partei mache Reparaturkosten geltend. Aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich jedoch, daß eine Reparatur gar nicht vorgenommen, sondern ein Ersatzgerät angeschafft worden sei. Die Vorsteuerabzugspflicht der klagenden Partei sei von den Vorinstanzen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO bildet nach ständiger Rechtsprechung einen Verfahrensmangel, der vom Rechtsmittelgericht nur in der nächsthöheren Instanz wahrgenommen werden kann. Hat das Berufungsgericht bereits erkannt, daß er nicht vorliegt, kann er deshalb nicht neuerlich im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden.

Den - zutreffenden - Ausführungen des Berufungsgerichtes zu diesem Punkt ist nichts hinzuzufügen.

Verfehlt sind aber auch die Ausführungen der beklagten Partei über eine Vorsteuerabzugsverpflichtung der klagenden Partei. Nach Art. XII Abs 3 EGzUStG 1972 berührt der Umstand, daß jemand, der Anspruch auf Ersatz für eine Sache oder Leistung hat, als Unternehmer zum Abzug von Vorsteuern (§ 12 UStG 1972) berechtigt ist, an sich die Bemessung des Ersatzes nicht. Schließt der Ersatzbetrag auch Umsatzsteuer ein, erwächst (zwar) dem Ersatzpflichtigen gegen den Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch in der Höhe des Umsatzsteuerbetrages, sobald und soweit ihn der Ersatzberechtigte als Vorsteuer abziehen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung geht die klare Absicht des Gesetzgebers jedoch dahin, aus dem Prozeß über den Ersatz einer Sache oder Leistung die Frage der Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer und daraus ableitbare Ansprüche des Ersatzpflichtigen auszuklammern. Da Rückersatz begrifflich Ersatz zur Voraussetzung hat, kann der Anspruch auf Rückersatz nicht vor der Ersatzleistung mit Erfolg geltend gemacht werden (SZ 50/8 uva, insbesondere EvBl 1976/22). Die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung der klagenden Partei ist daher im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

Die - zutreffenden - Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Bemessung des Ersatzanspruches der klagenden Partei werden von der beklagten Partei nicht bekämpft (vgl. Prölss/Martin, VVG24, Anm. 2 zu § 86; Wussow, Feuerversicherung2 Anm. 15 zu § 3 dAFB; Martin, Sachversicherungsrecht2 Q IV 3 und 7).

Dem Rekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E16032

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00038.88.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19881110_OGH0002_0070OB00038_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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