TE OGH 1988/11/15 4Ob100/88

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Veröffentlicht am 15.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adil B*** OHG, Wien 1, Graben 30, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Amir A*** Gesellschaft m.b.H., Wien 1, Riemergasse 11, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 800.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 1. August 1988, GZ 4 R 127/88-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29. April 1988, GZ 19 Cg 19/88-2, abgeändert und der Kostenrekurs der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Kostenrekurses der beklagten Partei wendet, zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Beklagte betreiben den Handel mit Orientteppichen; beide Parteien haben Niederlassungen in Wien und in Innsbruck, die Klägerin außerdem noch in Salzburg.

In der "Tiroler Tageszeitung" vom 19./20. September 1987 erschien folgende Werbeeinschaltung der Beklagten:

        "Zu unserer          Hausmesse vom 19. bis 30. September

1988

in unseren Verkaufsräumlichkeiten       Meraner Straße 5

möchten wir Sie herzlich einladen."

Unterhalb einer Abbildung der Fassade eines Geschäftshauses mit den Aufschriften "Orientteppiche" und "Dr. A***" hieß es weiter:

"Dr. A*** ist bekannt für seine Preise und Qualität durch seine persönliche Beziehung zum Orient.

Westösterreichs größtes Orientteppichhaus Dr. A***

Meraner Straße 5, Telefon 34 1 79, im ehem. F***-Haus" Im "Tiroler

Wohnjournal" - einer Sonderbeilage der Tiroler Tageszeitung - vom 8. Oktober 1987 erschien eine ähnliche Werbeeinschaltung der Beklagten mit der Überschrift:

"Das führende Fachgeschäft für erlesene Orientteppiche". Darunter befanden sich die gleiche Abbildung und der gleiche Text wie in dem vorher erwähnten Inserat.

In der Zeitung "tip" behauptete die Beklagte in einer Werbeeinschaltung mit ausführlichem Text u.a., daß sie über eine "400 Quadratmeter große Ausstellungsfläche" verfüge. Die Klägerin hat in Salzburg ein Lokal mit 137,50 m2 und in Innsbruck ein Lokal mit etwa 187 m2 samt einem Kellerraum von rund 35 m2 und einem weiteren Raum im Ausmaß von rund 21 m2 gemietet. Sie erzielte im Wirtschaftsjahr 1985/86 in Salzburg einen Umsatz von mehr als 23 Millionen Schilling und in Innsbruck einen solchen von fast 27 Millionen Schilling. Der Inventurwert ihrer Lagerware in Salzburg betrug am 28. Februar 1986 über 84 Millionen Schilling, jener ihrer Ware in Innsbruck über 75 Millionen Schilling. Der Klägerin wurde das Recht verliehen, im geschäftlichen Verkehr das Bundeswappen zu führen.

Mit der Behauptung, daß die Werbeaussage der Beklagten, sie sei "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus" - was nach der Verkehrsauffassung nur dahin verstanden werden könne, daß der Beklagten in allen maßgeblichen Belangen eine erhebliche Spitzenstellung gegenüber sämtlichen anderen Mitbewerbern zukomme - unrichtig sei, beantragt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites ab sofort zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr beim Handel mit Teppichen in ihrer Werbung zu behaupten, sie sei "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus".

Nachdem die der Beklagten für eine Äußerung zu diesem Sicherungsantrag gesetzte Frist nach der Aktenlage - nämlich nach den Angaben des Zustellausweises über die Hinterlegung - fruchtlos abgelaufen war, wies der Erstrichter den Antrag der Klägerin ab. Daß die Behauptung der Beklagten, in Innsbruck über eine Ausstellungsfläche von 400 m2 zu verfügen, nicht zutreffe, sei nicht bescheinigt. Welchen Wert das Warenlager der Beklagten habe und welchen Umsatz sie erziele, sei weder behauptet noch bescheinigt worden. Die Klägerin gehe zu Unrecht davon aus, daß die Behauptungs- und Bescheinigungslast für diese Tatsachen die Beklagte treffe. Diese Auffassung gehe auf Baumbach-Hefermehl zurück, werde von ihm aber aus § 138 Abs. 1 dZPO und § 242 BGB abgeleitet, denen keine inhaltsgleichen österreichischen Normen entsprächen. Darüber hinaus liege insoweit ein Zirkelschluß vor, als diese Beweislastumkehr nur dann eintreten solle, wenn jemand "wettbewerbsfremd" gehandelt habe; ob dies der Fall sei oder etwa der Werbende - durchaus "wettbewerbseigen" - zu Recht seine Spitzenstellung behauptet habe, sei aber erst zu prüfen. Die österreichische Rechtsprechung habe zu dieser Frage keine einheitliche Stellung eingenommen. Fasching kenne - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - keine Umkehrung der Behauptungs- und Beweislast und lehne eine Beweislastverteilung nach der "Nähe zum Beweismittel" ab. Nach Ansicht des Erstgerichtes wäre es daher Sache der Klägerin gewesen, zu behaupten und zu bescheinigen, daß die Werbeaussage der Beklagten, Westösterreichs größtes Teppichhaus zu sein, nicht zutreffe. Es sei nicht einzusehen, warum jemand, der die Unrichtigkeit der Werbeankündigung seines Konkurrenten nicht behaupten und bescheinigen und daher auch keine hinreichenden Gründe dafür haben könne, subjektiv von der Unrichtigkeit dieser Werbung überzeugt zu sein, trotzdem berechtigt sein solle, in einer Klage gegen den Mitbewerber die Unrichtigkeit dieser Behauptung zu behaupten und damit den Beklagten zu zwingen, alle Umstände zu behaupten und zu beweisen (zu bescheinigen), aus denen sich die Richtigkeit der Werbeaussage ergebe. Daß dieser Standpunkt unter Umständen dazu führen könne, daß eine objektiv unrichtige Werbung unwidersprochen bleiben müsse, sei ebenso hinzunehmen, wie es hingenommen werde, daß ein Geschädigter keinen Schadenersatz erhalte, weil er den Schädiger oder seinen Schaden nicht nachweisen könne. Schon deshalb sei der Sicherungsantrag abzuweisen. Die Abweisung wäre aber auch noch aus einem anderen Grund gerechtfertigt: Die Klägerin behaupte gar nicht, daß sich ihre Niederlassung in Innsbruck auch schon für sich allein mit dem Unternehmen der Beklagten - was die Größe betreffe - messen könne; sie habe auch keine Behauptungen darüber aufgestellt, was unter "Westösterreich" zu verstehen sei. Ob den Menschen in Innsbruck, wo die Werbung der Beklagten durchgeführt worden sei, Salzburg als Teil Westösterreichs gelte, erscheine zweifelhaft. Dem Tiroler Publikum werde überdies kaum bekannt sein, daß die Klägerin eine Niederlassung in Salzburg habe, wohl aber, daß sie eine solche in Innsbruck besitze. Das Tiroler Publikum werde daher die Werbebehauptung auf die Größe des Unternehmens der Beklagten im Vergleich zu ihren Tiroler - insbesondere Innsbrucker - Mitbewerbern beziehen und sich nur dann in Irrtum geführt fühlen, wenn die Werbebehauptung im Verhältnis zur Tiroler Konkurrenz oder im Verhältnis zu allenfalls noch weiter im Westen Österreichs niedergelassenen Konkurrenten unrichtig sei.

Das Gericht zweiter Instanz erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige; den von der Beklagten, die erst nach der Beschlußfassung des Erstrichters eine Äußerung eingebracht hatte, wegen des unterbliebenen Zuspruchs der Äußerungskosten erhobenen Kostenrekurs wies es zurück. Die Behauptung der Beklagten, sei sei "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus", sei als Alleinstellungswerbung aufzufassen. Diese Werbeaussage werde vom umworbenen Publikum dahin verstanden, daß der Werbende für sich allein eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nehme. Eine solche Werbebehauptung könne in der Regel nicht mehr als rein subjektive, nur die persönliche Meinung des Werbenden zum Ausdruck bringende Meinungskundgebung beurteilt werden; sie sei primär nach § 2 UWG zu beurteilen und dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspreche oder die Ankündigung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet sei. Ein nur geringfügiger Vorsprung vor der Konkurrenz rechtfertige eine solche Behauptung nicht, weil der Verbraucher eine erhebliche wirtschaftliche Sonderstellung des Werbenden erwarte. Bei einer Werbung mit der Größe eines Unternehmens komme es vor allem darauf an, welche Faktoren nach der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise in einem solchen Fall als vorhanden angenommen werden; würden hiefür im Einzelfall mehrere Faktoren als bestimmend betrachtet, dann sei die betreffende Werbebehauptung schon dann unzulässig, wenn auch nur einer dieser Faktoren, den ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums als gegeben erachte, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe. Stelle sich ein Unternehmen als das "größte" heraus, so werde das Publikum davon ausgehen, daß ein beträchtlicher und offenkundiger Vorsprung vor den Mitbewerbern erreicht sei, der für einen längeren Zeitraum eine Spitzenstellung begründe, die von allen voraussehbaren und wettbewerbsbedingten Schwankungen weitgehend unabhängig sei; dafür bilde die Umsatzhöhe ein wesentliches Kriterium. Nur dann sei die Behauptung einer Spitzenstellung nicht irreführend. Bei der Beurteilung, welche Kriterien eine Spitzenstellung als "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus" begründen, sei die Vorstellung des angesprochenen Publikums wesentlich, daß dieses Unternehmen seine Mitbewerber an Umsatz und Warenlager merklich überrage; weiters seien auch die räumliche Ausdehnung des Geschäftes, die Betriebsgebäude, die betriebliche Organisation, die Zahl der Beschäftigten, die Verkehrslage und der Lagerbestand von Bedeutung.

Soweit Unklarheiten darüber vorlägen, welches Gebiet als "Westösterreich" zu verstehen sei, gehe dies zu Lasten der Beklagten, weil der Werbende bei Mehrdeutigkeit seiner Ankündigung immer die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müsse. Bei der Beurteilung, was von den durch die Werbung in Tiroler Zeitungen angesprochenen Lesern unter "Westösterreich" verstanden werde, könne keinesfalls davon ausgegangen werden, daß nur ein ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Leser unter "Westösterreich" Salzburg, Tirol und Vorarlberg verstehe. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung ÖBl. 1987, 47 ("Führende Werbeagentur") zu verweisen; dort habe das Landesgericht Innsbruck als Erstgericht festgestellt, daß unter "in Westösterreich ansässigen Werbeagenturen" solche zu verstehen seien, die ihren Sitz in Salzburg, Tirol und Vorarlberg hätten. Dementsprechend müsse auch die Beklagte gegen sich gelten lassen, daß diese drei Bundesländer unter "Westösterreich" verstanden werden.

Im übrigen habe das Erstgericht zu den hier wesentlichen Kriterien - von der Raumgröße abgesehen - keine Feststellungen treffen können, die einen Vergleich beider Unternehmen zuließen. Die Beklagte habe sich (in ihrer Äußerung) auf den Standpunkt gestellt, sie mache keine Angaben über Umsätze und Lagerbestände. Das Erstgericht sei im angefochtenen Beschluß - schon vor der Äußerung der Beklagten - davon ausgegangen, daß auch bei einer Alleinstellungswerbung ausschließlich die Klägerin die Beweislast zu tragen habe. Die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeankündigung treffe zwar grundsätzlich den Kläger; bei der Alleinstellungswerbung trete aber dann eine Verschiebung der Beweislast ein, wenn der Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten habe, wogegen dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stünden und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar sei, die erforderlichen Aufklärungen zu geben.

Entscheidend sei, ob die Umstände des konkreten Falles ausnahmsweise eine solche Überwälzung der Beweis-(Bescheinigungs-)last auf den Beklagten rechtfertigten.

Die Klägerin habe die Ausmaße der Geschäftsräumlichkeiten beider Parteien sowie ihre eigenen Umsatzzahlen und Lagerbestände zu bestimmten Stichtagen behauptet und bescheinigt. Bei der Ermittlung der Umsatzzahlen und der Lagerbestände der Beklagten bestünden jedoch für die Klägerin besondere Schwierigkeiten; es sei aber nicht einzusehen, warum die Beklagte, die mit ihrer Spitzenstellung geworben habe, hier von Beweisschwierigkeiten der Klägerin profitieren sollte. Der Beklagten sei ohne weiteres zuzumuten, auch im Provisorialverfahren die entsprechende Beweisführung durch Anbieten von Bescheinigungsmitteln anzutreten. Da die Beklagte eine derartige Bescheinigung verweigere, die Klägerin jedoch die ihr zumutbaren Bescheinigungen erbracht habe, sei davon auszugehen, daß die beanstandete Alleinstellungswerbung der Beklagten unrichtig sei und damit gegen § 2 UWG verstoße. Dem Rekurs der Klägerin sei daher Folge zu geben.

Der Kostenrekurs der Beklagten sei hingegen zurückzuweisen. Das Erstgericht habe keine Möglichkeit gehabt, über die Äußerungskosten der Beklagten abzusprechen, und es habe daher auch darüber gar nicht entschieden, weil bei seiner Beschlußfassung eine solche Äußerung noch gar nicht vorgelegen sei. Der von der Beklagten behauptete, aber bisher noch nicht bescheinigte Umstand, daß die Zustellung laut Rückschein wegen Ortsabwesenheit nichtig und ihre Äußerung dementsprechend rechtzeitig gewesen sei, habe daran nichts ändern können. Keinesfalls könne eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses vorliegen, weil die Beklagte kein Recht gehabt habe, vor Erlassung der einstweiligen Verfügung gehört zu werden. Im übrigen sei auf die Entscheidung über den Rekurs der Klägerin zu verweisen; daraus ergebe sich, daß der Beklagten, die im Provisorialverfahren nicht durchgedrungen sei, keine Kosten für eine Äußerung zustünden.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen und der Beklagten die Kosten ihrer Äußerung zuerkannt würden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über den Kostenrekurs der Beklagten richtet, ist er unzulässig. Nach der auch im Provisorialverfahren anzuwendenden (§§ 78, 402 Abs. 2 EO) Bestimmung des § 528 Abs. 1 Z 2 ZPO sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt unzulässig; und zwar unabhängig davon, ob die zweite Instanz meritorisch über Kosten abgesprochen oder, wie hier, eine Formalentscheidung - etwa die Zurückweisung eines Kostenrekurses - gefällt hat (Fasching IV 457 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). In diesem Umfang war daher das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Im übrigen ist der Revisionsrekurs nicht berechtigt. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß die von der Beklagten behauptete Unwirksamkeit der Zustellung der Aufforderung zur Äußerung keine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bewirkt.

Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO schützt den Anspruch

der Partei auf rechtliches Gehör (Fasching IV 123); dieser Anspruch

wird aber nicht verletzt, wenn der Gegner der gefährdeten Partei -

wie im Gesetz vorgesehen (§ 397 Abs. 1 EO) - nicht schon vor der

Beschlußfassung über den Sicherungsantrag vernommen wird.

Der Beklagten wurde auch dann, wenn ihr die Äußerung nicht schon am

13. April 1988 wirksam zugestellt worden sein sollte, die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, nicht entzogen. Hätte sie nämlich infolge eines ungesetzlichen Vorganges bei dieser Zustellung die aufgetragene Äußerung nicht schon vor der Beschlußfassung des Erstrichters zu erstatten gehabt, dann wäre ihr, weil sie eben in diesem Fall nicht bereits vor der Beschlußfassung einvernommen

wurde, der Widerspruch nach § 397 EO offengestanden (ÖBl. 1974, 63).

Für die vorliegende Entscheidung ist es aber ohne Bedeutung, ob die Beklagte sich trotz rechtzeitiger Zustellung der Aufforderung nicht geäußert hat oder gar nicht wirksam zu einer solchen Äußerung aufgefordert wurde; in jedem Fall konnte der Erstrichter nur das Vorbringen und die Beweisanbote der Klägerin, nicht aber ein Gegenvorbringen der Beklagten berücksichtigen. Im Hinblick auf das Neuerungsverbot gilt das gleiche für die Rechtsmittelinstanz. Die Beklagte meint, ihre Werbebehauptung, sie sei "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus", beziehe sich (nur) auf die Verkaufsfläche des Teppichgeschäftes und keinesfalls auf den Umsatz oder das Lager. Die beanstandete Anzeige weise ja auf die Fläche des Geschäftes hin, so daß insoweit gar keine Unklarheit bestehe; schon das Wort "Haus" besage nach seiner natürlichen Bedeutung, daß es sich hier um einen Raum handle. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat zwar in der Zeitung "tip" angegeben, daß sie in Innsbruck eine 400 Quadratmeter große Ausstellungsfläche habe (Beilage E), die Wendung "Westösterreichs größtes Orientteppichhaus" dort aber gar nicht gebraucht; wo sie dies getan hat ("Tiroler Tageszeitung", "Tiroler Wohnjournal") fehlt dagegen jeder Hinweis auf die Verkaufsfläche (Beilagen B und C). Daß unter einem "Haus" nur ein Gebäude verstanden werden könnte, trifft nicht zu; dieses Wort bedeutet vielmehr unter anderem auch soviel wie "Unternehmen" oder "Firma" (Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden, 3. Band, S. 429, linke Spalte). Die beanstandete Werbebehauptung kann daher - jedenfalls nach dem Grundsatz, daß der Werbende bei Mehrdeutigkeit seiner Angabe immer die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muß (ÖBl. 1986, 159 uva) - auch dahin verstanden werden, daß die Beklagte das größte Orientteppichunternehmen in Westösterreich betreibe. Für die Größe eines Unternehmens sind aber nicht nur der Umfang seiner Verkaufsfläche, sondern - wie die Beklagte selbst einräumt - sehr wohl auch der Umsatz und der Umfang des Lagers von Bedeutung. Der Begriff "Westösterreich" ist, zumal es sich dabei nicht um eine politisch abgegrenzte Einheit handelt, nicht fest umrissen; daß aber in Österreich weithin neben Vorarlberg und Tirol zumindest auch Salzburg dem Westen Österreichs zugeordnet wird, ist allgemein bekannt. In dem der schon vom Rekursgericht herangezogenen Entscheidung ÖBl. 1987, 47 vorangegangenen Verfahren waren das Landesgericht und das Oberlandesgericht Innsbruck als selbstverständlich davon ausgegangen, daß auch Salzburg zu Westösterreich zählt; für die Klägerin bestand demnach keine Veranlassung, ein solches Verständnis des Begriffes "Westösterreich" auch in Tirol zu bescheinigen. Dafür, daß die beanstandete Werbeaussage von den angesprochenen Verkehrskreisen nur dahin verstanden werden konnte, daß die Beklagte das größte Orientteppichhaus in Tirol und Vorarlberg betreibe, besteht im Hinblick auf den in Österreich üblichen Sprachgebrauch kein Anhaltspunkt; es bedarf daher auch keiner Erörterung, ob die Medien "Tiroler Tageszeitung" und "tip" tatsächlich ausschließlich oder doch weit überwiegend von Tirolern gelesen werden.

Die Werbebehauptung der Beklagten ist demnach zu ihren Lasten dahin zu verstehen, daß sie das größte Orientteppichunternehmen in dem aus Salzburg, Tirol und Vorarlberg bestehenden Gebiet betreibe. Damit hat die Beklagte - wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch genommen. Eine solche Alleinstellungswerbung ist primär nach § 2 UWG zu beurteilen und dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht (ÖBl. 1981, 77; ÖBl. 1983, 42; ÖBl. 1987, 47 uva). Dabei kommt es bei einer Werbung mit der Größe oder der Bedeutung eines Unternehmens vor allem darauf an, welche Faktoren nach der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise in einem solchen Fall als vorhanden angenommen werden; werden hiefür im Einzelfall mehrere Faktoren als bestimmend betrachtet, dann ist die betreffende Werbebehauptung schon dann unzulässig, wenn auch nur einer dieser Faktoren, den ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums als vorliegend erachtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang steht (ÖBl. 1987, 47). Grundsätzlich trifft die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Ankündigung nach § 2 UWG den Kläger (ÖBl. 1984, 97 uva). Bei der Alleinstellungswerbung tritt jedoch nach ständiger Rechtsprechung eine Verschiebung der Beweislast dann ein, wenn der Kläger im Einzelfall mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, während dem Beklagten die entsprechenden Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben. Entscheidend ist, ob die Umstände des konkreten Falles ausnahmsweise eine solche Überwälzung der Beweis- (Bescheinigungs-)last auf den Beklagten rechtfertigen (EvBl. 1970/131 = ÖBl. 1970, 22; ÖBl. 1983, 42 mwN;

ÖBl. 1984, 97 uva). Diese Auffassung steht mit Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1101 Rz 80 und 1130 f Rz 120 zu § 3 dUWG mit Nachweisen aus der deutschen und der österreichischen Rechtsprechung) im Einklang und ist auch im österreichischen Schrifttum gebilligt worden (so etwa von Schönherr-Torggler, Wettbewerbs- und Markenrecht in Österreich, WRP 1971, 12 f (14), die bei Besprechung der E ÖBl. 1970, 22

ausführen, es sei "sehr zu begrüßen, daß der Oberste Gerichtshof hier im Interesse einer lebensnahen Prozeßführung und Wahrheitsfindung die Regeln des materiellen Rechts über die Beweislastverteilung elastisch anwendet"; das müsse "erst recht in Fällen gelten, in denen die Richtigkeit einer Werbebehauptung nur (und unschwer) vom Werbenden bewiesen werden kann"). Die Ausführungen des Erstgerichtes bieten keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen: Daß weder Baumbach-Hefermehl noch die österreichische Rechtsprechung zu dieser Frage der Beweislastverschiebung eine einheitliche Stellung bezögen, ist unrichtig. Es trifft auch nicht zu, daß die Rechtsansicht Baumbach-Hefermehls auf die österreichische Rechtsordnung deshalb nicht übertragen werden könne, weil es hier weder eine dem § 242 BGB noch eine dem § 138 Abs. 1 dZPO entsprechende Bestimmung gebe.

§ 178 öZPO verpflichtet - gleich dem § 138 Abs. 1 dZPO - jede Partei dazu, alle im einzelnen Fall zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen tatsächlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt anzugeben und sich - ua - über die von ihrem Gegner vorgebrachten tatsächlichen Angaben mit Bestimmtheit zu erklären; auch diese Bestimmung kann demnach als Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der Parteien herangezogen werden, durch wahrheitsgemäße und vollständige Erklärungen über die tatsächlichen Umstände zur Rechtsfindung beizutragen. Auch der Rechtsgedanke von Treu und Glauben ist nicht nur im bundesdeutschen, sondern in gleicher Weise auch im österreichischen Recht verankert (vgl. § 863 Abs. 2, § 914 ABGB; SZ 38/72; SZ 47/104; MietSlg. 31.109 uva). Ob ein Verhalten "wettbewerbseigen" oder "wettbewerbsfremd" ist, muß - folgt man den Ausführungen Baumbach-Hefermehls aaO 427 Rz 448 Einl UWG - nicht vorweg entschieden werden; vielmehr kommt es nur darauf an, ob ein Verhalten nach der Lebenserfahrung als zulässig oder unzulässig erscheint. Für die Frage der Beweislastverschiebung bei der Alleinstellungswerbung kommt dem jedoch - auch nach Baumbach-Hefermehl - keine Bedeutung zu. Daß Fasching (LB Rz 884) eine (grundsätzliche) Beweislastverteilung nach der "Nähe zum Beweismittel" ablehnt, steht nicht im Widerspruch zu den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Die Beweislast ist im übrigen eine Frage des materiellen Rechtes und nicht des Verfahrensrechtes.

Daß es für die Klägerin unverhältnismäßig schwierig, wenn nicht sogar unmöglich wäre, die einzelnen für die Größe des Unternehmens der Beklagten maßgebenden Faktoren zu behaupten und zu beweisen, die Beklagte aber ohne weiteres die erforderlichen Aufklärungen geben könnte, kann nicht bezweifelt werden. Ist die Beklagte mit einer Behauptung an die Öffentlichkeit getreten, die den Eindruck erwecken konnte, sie sei das größte Orientteppichhandelsunternehmen in den österreichischen Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg, so ist es auch ihre Sache, den Beweis (die Bescheinigung) für die Richtigkeit dieser Behauptung anzutreten. Da eine solche Bescheinigung aber nicht vorliegt, war von der Unrichtigkeit ihrer Werbeaussage auszugehen. Ob die Beklagte in der Lage gewesen wäre, vor Erlassung der einstweiligen Verfügung ein Vorbringen zu erstatten, oder ob ihr die Aufforderung zur Äußerung tatsächlich erst später zugekommen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung; davon hängt nur - wie schon ausgeführt - die Frage ab, ob ihr ein Widerspruch zugestanden wäre oder nicht.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs. 2 EO, 40, 50, 52 ZPO, jene über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs. 1 EO.

Anmerkung

E15735

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00100.88.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19881115_OGH0002_0040OB00100_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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