TE OGH 1988/11/16 9ObA5/88

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Veröffentlicht am 16.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günther Schön und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*** A*** V***-AG, Graz,

Radetzkystraße 6, vertreten durch Dr. Günther Forenbacher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei LAND S***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Josef K***, Graz-Burg, dieser vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 24.387,-- sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Oktober 1987, GZ 7 Ra 1077/87-9, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8. Juli 1987, GZ 36 Cga 1087/87-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von S 24.387,-- sA als Ersatz für eine erbrachte Leistung aus der Kaskoversicherung. Die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, Ing. Alfonsie G***, habe ihren Privat-PKW am 7. März 1986 im Zuge einer von der beklagten Partei genehmigten Dienstfahrt vor dem Haus Graz, Karmeliterplatz 3, das im Eigentum der beklagten Partei stehe, abgestellt, wo der PKW durch eine Dachlawine erheblich beschädigt worden sei. Vor dem Haus seien keine Warnstangen aufgestellt gewesen. Die gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangene Schadenersatzforderung werde auf alle wie immer gearteten zivilrechtlichen Rechtsgrundlagen gestützt. Insbesondere gründe sich der Anspruch auf die Risikohaftung des Arbeitgebers für Schäden am PKW des Arbeitnehmers, da sich die beklagte Partei durch die Genehmigung der Benützung des Privat-PKW einen Dienstwagen eingespart habe, für den sie das ausschließliche Risiko zu tragen gehabt hätte. Es handle sich bei diesem Schadensfall um einen arbeitsadäquaten Sachschaden, der typischerweise mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges verbunden sei.

Die beklagte Partei wandte Unzulässigkeit des Rechtswegs und Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei sei Landesbeamtin, so daß der vermeintliche Anspruch aus der Risikohaftung gemäß § 1014 ABGB im Verwaltungsweg geltend zu machen sei. Hiezu habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, daß eine Aufwandsentschädigung nach § 20 des Gehaltsgesetzes auf den Ersatz jenes Mehraufwands begrenzt sei, der dem Beamten notwendigerweise entstanden sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor, da die Verwendung des eigenen PKW für eine allfällige dienstliche Verrichtung nicht notwendig gewesen sei und Ing. G*** selbst das Verschulden am Schadensfall treffe. Im übrigen beantragte die beklagte Partei, die Klage abzuweisen. Ing. G*** sei als Landesbeamtin mit der Bauleitung an jenem Haus betraut gewesen, von dem angeblich eine Dachlawine abgegangen sei. Sie habe selbst die Anbringung von Halteverbotstafeln veranlaßt und es treffe sie selbst das alleinige Verschulden, wenn sie die ihr übertragenen Aufgaben nicht erfüllt habe.

Die klagende Partei stellte außer Streit, daß ihre Versicherungsnehmerin Beamtin der beklagten Partei sei und brachte ergänzend vor, daß es unerheblich sei, ob sich der am Vermögen Geschädigte in einem privatrechtlichen oder öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis befinde, zumal die grundsätzlich privatrechtliche Natur dieser Ansprüche nicht in Frage gestellt werden könne. Die Bestimmung des § 1014 ABGB sei hier analog anzuwenden. Das Erstgericht wies die Klage zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der auch auf das in § 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip "der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse" gestützte Anspruch der klagenden Partei ein Entgeltanspruch sei. Entgeltansprüche könne ein in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehender Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber aber nur in einem Verwaltungsverfahren erheben. Für die weitere Anspruchsgrundlage im Sinne der §§ 1295 ff ABGB sei das angerufene Gericht sachlich nicht zuständig, da diesfalls das Arbeitsverhältnis zwischen Geschädigtem und Dienstgeber außer Betracht zu bleiben habe.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es sprach aus, daß der Rekurs nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei und führte aus, daß gemäß § 51 Abs 1 ASGG auch die in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis stehenden Personen als Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des ASGG anzusehen seien, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis stehende bürgerlich-rechtliche Ansprüche gegeneinander geltend machen. Es sei zu unterscheiden, ob es sich um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis handle oder um solche, die nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und in den dienst- und besoldungsrechtlichen Vorschriften keine Regelung gefunden haben. Einem Beamten dürfe keine Weisung erteilt werden, seinen eigenen PKW zur Verrichtung der Dienstleistung beizustellen. Setze er eigene Sachmittel im Dienst ein, erbringe er freiwillig eine den Dienstgeber entlastende Mehrleistung. Die damit verbundene Verlagerung des Gefahrenrisikos auf ihn müsse er ohne diesbezügliche dienstrechtliche Verpflichtung nicht hinnehmen. Billige der Arbeitgeber sohin den freiwilligen Sachmitteleinsatz des Beamten, trete neben das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis eine privatrechtliche Vereinbarung über den Einsatz dieser Mittel. Habe der Arbeitgeber die Verwendung des eigenen Kraftfahrzeuges des Beamten zur Dienstverrichtung durch Bestätigung des dienstlichen Interesses gebilligt, treffe ihn die vertragliche Risikohaftung wegen der Tätigkeit des Beamten im fremden Interesse nach § 1014 ABGB. Für diesen Anspruch sei der Rechtsweg zulässig. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung (§ 521 a Abs 1 Z 3 ZPO), dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie auf den Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus auf die Klagebehauptungen an. Entscheidend ist die Natur des erhobenen Anspruches. Ohne Einfluß ist es hingegen, was die beklagte Partei einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist. Maßgeblich ist sohin nur, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Fasching, Kommentar I 63, ZPR Rz 101; SZ 44/40, 44/65, 44/165, 45/117, 45/139, 46/82, 47/135, 50/18, 50/65, 50/109, 51/159, 56/33; RZ 1984/18; EvBl 1983/105, 1987/91, 1987/168; Arb. 10.479 uva).

Wie das Rekursgericht richtig erkannte, stützt die klagende

Partei ihren gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf sie übergegangenen

Schadenersatzanspruch ihrer Versicherungsnehmerin (F. Bydlinski, Die

Risikohaftung des Arbeitgebers 116 ff) insbesondere auf das im

§ 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip der

"Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse"

(DRdA 1984/1 = ZAS 1985/1 = Arb. 10.268 = EvBl 1983/154 =

JBl 1984, 391 = SZ 56/86), sohin auf eine besondere Form der

vertraglichen Haftung (vgl. Bydlinski aaO 41 und 58; Stelzer in JBl 1987, 478), welche die Konstruktion eines Vertrages neben dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis voraussetzt. Da es den an einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis beteiligten Rechtssubjekten nicht verwehrt ist, über Gegenstände und Leistungen außerhalb der gesetzlich abgesteckten dienstrechtlichen Beziehungen Verträge abzuschließen (SZ 26/273; EvBl 1983/105 ua), steht der klagenden Partei zur Geltendmachung ihres ausschließlich auf das Zivilrecht gestützten Anspruches gemäß § 1 JN der Rechtsweg offen. Allerdings sagt die Zulässigkeit des Rechtswegs hinsichtlich des im Hinblick auf § 1014 ABGB erhobenen Anspruchs nichts darüber aus, ob ein solcher Anspruch außerhalb der dienstrechtlichen Bestimmungen auch besteht (9 Ob A 502/88). Eine Prüfung der Frage, ob der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei ein Aufwandsersatz nach § 20 GehG gebührt hätte (VwGH vom 17. März 1986, Zl. 85/12/0048-6; VfGH vom 2. März 1987, Zl. A 7/86-12), ist den ordentlichen Gerichten, die insoweit nicht dazu berufen sind, die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden zu überprüfen (EvBl 1987/91), jedenfalls versagt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E15820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00005.88.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19881116_OGH0002_009OBA00005_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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