TE OGH 1988/11/24 8Ob675/88

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Veröffentlicht am 24.11.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Werner P***, Rechtsanwalt, Herrengasse 4, 3100 St. Pölten, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H*** P*** M*** SIEB- UND B*** Gesellschaft mbH, Brunnenstraße 15, 4482 Ennsdorf, wider die beklagte Partei prot. Firma F*** Vertriebsgesellschaft für Flaschengas (Propan) für Heiz-, Koch- und Techn. Zwecke GmbH, Laarstraße, 2100 Korneuburg, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 98.400,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Juni 1988, GZ 3 R 73/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgerichtes vom 19. November 1987, GZ 4 Cg 212/87-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Masseverwalter im Konkurse der H*** P*** M*** S***- UND B***

Gesellschaft mbH, Ennsdorf, unter Bezugnahme auf § 30 Abs 1 Z 1 KO die Unwirksamkeitserklärung der von der Gemeinschuldnerin am 14. Dezember 1985 an die beklagte Partei geleisteten Zahlung von S 98.400,-- mit der Begründung, die Gemeinschuldnerin sei im letzten Jahr vor der am 23. Juni 1985 erfolgten Konkurseröffnung zahlungsunfähig gewesen und die gegenständliche Zahlung sei vor der vereinbarten Fälligkeit erfolgt, so daß die beklagte Partei eine ihr nicht zustehende Leistung erhalten habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Anfechtungsklage und führte aus: Sie habe der nunmehrigen Gemeinschuldnerin auf Grund deren Bestellung vom 1. Juli 1985 am 29. November 1985 einen Öltank zum Preise von S 98.400,-- geliefert, am gleichen Tage die innerhalb von 30 Tagen zu zahlende Rechnung erstellt und am 18. Dezember 1985 Zahlung erhalten. Wegen der folgenden Weihnachtsfeiertage sei die innerhalb der 30-tägigen Frist erfolgte Zahlung nicht als zeitlich inkongruente Deckung anzusehen, vielmehr habe die Überweisung unter diesen Umständen den Gepflogenheiten und Erfordernissen des Geschäftsverkehrs entsprochen. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte auf Grund der vorliegenden Urkunden fest, daß die beklagte Partei in ihrer Rechnung vom 29. November 1985 der nunmehrigen Gemeinschuldnerin ein Zahlungsziel von 30 Tagen netto ohne Skonto einräumte und am Mittwoch den 18. Dezember 1985 im Wege einer Banküberweisung Zahlung erlangte. In dieser Zahlung sah es entgegen der Ansicht des Klägers keine zeitlich inkongruente Deckung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO, weil die beklagte Partei keine Befriedigung erlangt habe, welche sie nicht "in der Zeit" zu beanspruchen gehabt habe. Zwar komme es bei dieser Beurteilung nach der Rechtsprechung darauf an, ob dem Gläubiger im Zeitpunkt der Befriedigung ein materiellrechtlicher Anspruch hierauf zugestanden sei. Eine Deckung sei aber nur dann inkongruent, wenn sie sich nach der Gepflogenheit der Beteiligten oder der Verkehrsauffassung der einschlägigen Lebensverhältnisse (Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 327) in nicht unwesentlichem oder nicht üblichem Maße von der rechtlich gebührenden Deckung entferne. Unter diesen Umständen sei hier die Zahlung der Rechnung noch vor Weihnachten wegen des weitgehenden Geschäftsstillstandes in der Feiertagszeit durchaus üblich und entspreche den Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens. Somit sei die Leistung an die beklagte Partei nicht anfechtbar. Lege man lediglich den Maßstab der Klagbarkeit an, so wäre selbst eine am letzten Tag der 30-tägigen Frist erfolgte Zahlung anfechtbar, da die Klagbarkeit erst am darauffolgenden Tage eintrete.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. In der Entscheidungsbegründung verwies es darauf, daß die zur Frage der Anfechtbarkeit von Zahlungen im Rahmen eines Kontokorrentkreditverhältnisses ergangene Rechtsprechung, wonach dann eine zeitlich inkongruente Deckung vorliege, wenn der Gläubiger im Zeitpunkt der Zahlung keinen klagbaren materiellrechtlichen Anspruch hierauf gehabt habe, von der Lehre abgelehnt werde. Das Berufungsgericht teile die auf Petschek-Reimer-Schiemer aaO gestützte Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß eine Deckung dann inkongruent (nicht gebührend) sei, wenn sie sich in einem nach der Gepflogenheit der Beteiligten oder der Verkehrsauffassung der einschlägigen Lebensverhältnisse in einem nicht unwesentlichen oder nicht üblichen Maß von der rechtlich ansprüchigen Leistung entferne. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber bringt vor, im gegenständlichen Fall stehe zweifelsfrei fest, daß die von der beklagten Partei erstellte Rechnung erst nach 30 Tagen fällig, die Zahlung der nunmehrigen Gemeinschuldnerin aber bereits rund 14 Tage vor dieser Fälligkeit geleistet worden sei. Der Umstand, daß die Zahlung allenfalls wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage vorzeitig erfolgt sei, erscheine rechtlich bedeutungslos, da es nur darauf ankomme, daß die beklagte Partei im Zeitpunkt der Zahlung noch keinen materiellrechtlichen Anspruch hierauf gehabt habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach der Regelung des § 1062 ABGB ist der Käufer verpflichtet, bei Übernahme des Kaufgegenstandes den Kaufpreis zu bezahlen. Diese Hauptpflicht des Käufers steht im synallagmatischen Zug-um-Zug-Verhältnis zur Sachleistungspflicht des Verkäufers (Aicher in Rummel Rz 1 zu § 1062). Die Fälligkeit der Kaufpreisforderung hängt nicht von der Übersendung der Rechnung (Aicher aaO Rz 14) oder von dem darin in Abweichung von der Vereinbarung oder der gesetzlichen Regelung vom Verkäufer einseitig erklärtem Zahlungstag oder Zahlungstermin ab.

Hier ist in der Rechnung der Verkäuferin vom 29. November 1985 (Beilage ./1) ua angeführt: "Zahlungsart: 30 Tg Netto o/Skonto". Daß bereits bei Abschluß des Kaufvertrages abweichend von der Bestimmung des § 1062 ABGB zwischen den Vertragspartnern eine Fälligkeit des Kaufpreises erst 30 Tage ab Rechnungsdatum vereinbart worden sei, wurde aber weder vorgebracht noch festgestellt. Der festgestellten Zahlungsklausel in der Rechnung der Verkäuferin kann also nur der Charakter eines Anbots zur Vertragsänderung beigemessen werden, das von der Beklagten angenommen werden konnte, aber andernfalls nicht verbindlich war. Auf Grund der Kaufvereinbarung war der Kaufpreis demnach im Sinne des § 1062 ABGB bei Übergabe des von der Käuferin zum Kaufpreis von S 98.400,-- bestellten Öltanks an die Käuferin fällig. Die Verkäuferin als Gläubigerin hat deshalb durch die Zahlung der Beklagten vom 18. Dezember 1985 keine vorzeitige Leistung erhalten, die sie nach dem Inhalt des Vertrages im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO nicht hätte beanspruchen dürfen. Somit haben die Vorinstanzen die vorliegende Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht als ungerechtfertigt beurteilt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16411

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00675.88.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19881124_OGH0002_0080OB00675_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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