TE OGH 1988/12/6 10ObS231/88

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Veröffentlicht am 06.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Mandak (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ernst P***,

3902 Eulenbach 40, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Mai 1988, GZ 34 Rs 20/88-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. September 1987, GZ 16 Cgs 1119/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht seit 1. April 1967 eine Alterspension. Mit Schenkungsvertrag vom 9. November 1966 übergab er die ihm gehörige ideelle Hälfte an den Liegenschaften in der KG Eulenbach und der KG Großrupprechts seiner Ehefrau, die damit Alleineigentümerin wurde. Nach dem Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1971 betrug der Einheitswert sämtlicher Liegenschaften S 8.000. Mit Übergabsvertrag vom 30. März 1977 übergab die Ehefrau des Klägers alle Grundstücke der KG Eulenbach ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter. Die Restliegenschaften der KG Großrupprechts wurden mit Kaufvertrag vom 12./19. Oktober 1977 an Karl M*** verkauft.

Mit Bescheid vom 5. Feber 1987 lehnte die beklagte Partei die Gewährung einer Ausgleichszulage ab. Sie legte der Berechnung der Einkünfte die Alterspension des Klägers von S 6.501,60, ein fiktives Ausgedinge aus der Übergabe des halben Grundbesitzes an die Ehefrau des Klägers von S 180,40 und ein anrechenbares Einkommen der Ehefrau des Klägers aus dem gesamten übergebenen Grundbesitz von S 363 zugrunde. Da die Summe der Einkünfte mit S 7.045 den Richtsatz von S 6.973 übersteige, fehle es an der Voraussetzung für die Gewährung einer Ausgleichszulage.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von einer Doppelanrechnung eines Einkommens aus übergebenem Grundbesitzes in Höhe von S 180,40 (Übergabe an die Ehegattin) abzusehen und dem Kläger die Ausgleichszulage im Ausmaß des Differenzbetrages zum Familienrichtsatz zu gewähren.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Anrechnung des fiktiven Ausgedinges habe nach dem Wortlaut des § 292 ASVG für beide Ehegatten zu erfolgen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes sei eine doppelte Anrechnung eines fiktiven Ausgedinges sowohl des Klägers als auch seiner Ehefrau möglich, halte aber einer teleologischen Interpretation nicht stand, weil nach der Absicht des Gesetzgebers mit § 292 Abs 8 ASVG nur eine Pauschalanrechnung eines Ehegattenausgedinges erfolgen sollte. Für eine Doppelanrechnung des familiären Eigentumswechsels bleibe schon infolge der Bestimmung des § 292 Abs 4 lit l kein Raum; durch diese Bestimmung werde vermieden, daß Ausgedingsleistungen, die durch die Pauschalierung nach Abs 8 erfaßt seien, nochmals angerechnet würden. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle ein bestimmter Prozentsatz des Einheitswertes der Liegenschaft auf das Einkommen des Ausgleichszulagenwerbers angerechnet werden. Bei einer mehrfachen Übertragung der Liegenschaft wäre, folgte man der Ansicht der beklagten Partei, ein Mehrfaches des Einheitswertes nur einer Liegenschaft anzurechnen. Dies widerspreche der klaren Absicht des Gesetzgebers. In ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision beantragt die beklagte Partei eine Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Klageabweisung und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei meint, daß der Wortlaut der hier in Betracht kommenden Bestimmungen des § 292 ASVG für die von ihr vorgenommene "Doppelanrechnung" spreche. Der Gesetzgeber habe eine solche zumindest in Kauf genommen, weil ein und derselbe Betrieb auch sowohl beim Übergeber als auch beim Übernehmer anzurechnen sei. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. September 1988, 10 Ob S 126/88, dargelegt hat, spricht zwar die rein grammatikalische Auslegung der Bestimmungen des § 292 ASVG (und des § 142 BSVG) für die Ansicht der beklagten Partei, doch ist eine solche Auslegung nur dort zulässig, wo objektiv teleologische Kriterien keine oder widersprüchliche Wertungsergebnisse liefern. Als wesentliche Änderung des bis dahin bestehenden Systems der Ausgleichszulage wurde durch die 29. ASVG-Novelle normiert, daß der Anspruch auf Ausgleichszulage nicht mehr vom gesamten Einkommen des Pensionsberechtigten allein, sondern vom Gesamteinkommen des Pensionsberechtigten und seines Ehegatten abhängig sein soll. Es wurde ein Familienrichtsatz geschaffen, der einerseits die Einkommensverhältnisse der Wirtschaftsgemeinschaft berücksichtigt, in der der Pensionsberechtigte lebt und andererseits eine höhere Leistung vorsieht, als nach der zuvor bestandenen Rechtslage (404 BlgNR 13.GP 106). Die Wirtschaftsgemeinschaft von im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten wird als Ganzes gesehen. § 292 Abs 2 ASVG ordnet die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten an. Anspruch auf Ausgleichszulage besteht in Fällen, in denen Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben, im Ausmaß der Differenz der Summe der Einkünfte beider Ehegatten zu dem im § 293 Abs 1 lit a sub lit aa ASVG bestimmten Richtsatz. Da auf das Einkommen der einheitlichen Wirtschaftsgemeinschaft abgestellt wird, bleiben in diesen Fällen auch Unterhaltsansprüche zwischen den Ehegatten außer Betracht. § 294 Abs 1 BSVG ordnet dementsprechend (ebenso wie § 142 Abs 1 BSVG) die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen zwischen Ehegatten nur an, wenn die Ehegatten nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Auf diese Weise wird eine Doppelanrechnung - einerseits des Unterhaltsanspruches beim Einkommen des Pensionsberechtigten, andererseits des Gesamteinkommens des Ehegatten, von dem die Unterhaltsansprüche nach dem Gesetz keine Abzugsposten bilden könnten - vermieden und sichergestellt, daß den Ehegatten insgesamt zumindest ein dem Richtsatz entsprechender Betrag zur Deckung der existenziellen Bedürfnisse zur Verfügung steht. Ähnlich liegt der Fall, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb von einem Ehegatten ganz oder teilweise an den anderen übergeben wird. Dem Ausgedinge kommt, wenn es sich auch als Gegenleistung für die Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes darstellt, Unterhaltscharakter zu (Binder, Probleme der pensionsrechtlichen Ausgleichszulage ZAS 1981, 89 insb 95 mwN). Der Gesetzgeber geht davon aus, daß aus der Übergabe, Verpachtung, Aufgabe etc. eines landwirtschaftlichen Betriebes ein Einkommen erzielt werden kann, das dem in § 292 Abs 8 ASVG festgesetzten Pauschalbetrag entspricht. Dieses Einkommen fließt der Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten jedoch nur einmal zu, mögen auch zwei Übertragungsakte hintereinander vorerst an den Ehegatten und von diesem in weiterer Folge an einen Dritten stattgefunden haben. Eine am Wortlaut des Gesetzes haftende Interpretation würde, wie schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, daß die Anrechnung doppelt zu erfolgen hätte, obwohl der Gesetzgeber offenbar davon ausgeht, daß aus der Übergabe des Betriebes insgesamt nur das im § 292 Abs 8 ASVG bestimmte Einkommen erzielbar ist (so auch 10 Ob S 309/88). Ein anderes Ergebnis würde zu einem Wertungswiderspruch führen, der mit dem vom Gesetz verfolgten Zweck nicht vereinbar wäre. Bei der Ermittlung des Ausgleichszulagenanspruches ist daher nur das gemäß § 292 Abs 8 ASVG pauschal in Anschlag zu bringende Einkommen der Ehegattin zugrundezulegen. Eine Anrechnung des fiktiven Ausgedingeanspruches auch des Klägers gegenüber seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Gattin hat zu unterbleiben. Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs (1) Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E16482

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00231.88.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19881206_OGH0002_010OBS00231_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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