Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Zeh und Dr.Prohaska, beide Arbeitgeber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria K***, Laaerbergstraße 5/29, 1100 Wien, vertreten durch Dr.Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten wegen Feststellung von Versicherungszeiten infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1988, GZ 34 Rs 74/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Feber 1988, GZ 17 Cgs 2098/87-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 30.Juni 1987 stellte die beklagte Partei gemäß § 117 a GSVG fest, daß die Klägerin bis 1.Jänner 1987 in der Zeit von 7/47 - 11/84 insgesamt 111 Versicherungsmonate erworben hat. In ihrer dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr zusätzlich 137
Ersatzmonate anzurechnen, weil sie auch vom 1.Jänner 1956 bis 31. Dezember 1972 als Tochter im elterlichen Betrieb mittätig gewesen sei und ihr diese Zeit zumindest bis 1.Juni 1967 als Ersatzzeit gemäß § 229 Abs 1 Z 4 ASVG angerechnet werden müsse. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß die am 3.Juli 1930 geborene Klägerin von Juli 1947 bis Ende des Jahres 1973 im Obst- und Gemüsegeschäft ihrer Mutter gearbeitet hat und das Geschäft ab 1.August 1974 selbständig weiterführte. Die Klägerin wurde in der Zeit von 1947 bis 1973 weder zur Krankenversicherung noch zur Pensionsversicherung angemeldet, es wurden keine Beiträge bezahlt.
Aufgrund dieses Sachverhaltes seien die Voraussetzungen weder für die Anerkennung von Beitragszeiten noch von Ersatzzeiten im begehrten Zeitraum gemäß § 229 Abs 1 Z 4 ASVG gegeben, weil bis 1. Juni 1967 Teilversicherungspflicht und nach diesem Zeitpunkt Vollversicherungspflicht für die Tätigkeit der Klägerin bestanden habe.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Nach § 8 Abs 1 Z 2 ASVG in der Fassung vor der 20.ASVG-Novelle seien in der Unfall- und Pensionsversicherung unter anderem Kinder, die im Betrieb der Eltern als Dienstnehmer oder Lehrlinge beschäftigt gewesen oder die ohne Entgelt regelmäßig beschäftigt gewesen seien und keiner anderen Haupterwerbstätigkeit nachgekommen seien, teilversichert gewesen. Diese Teilversicherung sei durch die 20. ASVG-Novelle in eine Vollversicherung umgewandelt worden. Die Klägerin habe daher eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt. Mangels Anmeldung zur Versicherung und Bezahlung von Beiträgen komme eine Anerkennung von Beitrags- oder Ersatzzeiten für den begehrten Zeitraum daher nicht in Betracht.
Rechtliche Beurteilung
Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision kommt keine Berechtigung zu.
Die Klägerin ist sich bei ihrer Argumentation offensichtlich nicht über den Begriff der Pflichtversicherung (im Gegensatz zur freiwilligen Versicherung) im klaren, wenn sie immer wieder meint, jene Bestimmungen, in denen von Versicherungs- oder Ersatzzeiten die Rede ist, seien nur auf Zeiten der Vollversicherung anwendbar. Abschnitt II des ASVG regelt den Umfang der Versicherung. Während im ersten Unterabschnitt die Pflichtversicherung behandelt wird und zwar Vollversicherung und Teilversicherung, wird die freiwillige Versicherung im dritten Unterabschnitt behandelt.
Nach der Stammfassung des ASVG waren im § 8 Abs 1 Z 2 in der Unfall- und Pensionsversicherung die im Betrieb der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern als Dienstnehmer oder Lehrlinge beschäftigten Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder ferner die im Betrieb der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern ohne Entgelt regelmäßig beschäftigten Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachgehen, alle diese, soweit es sich nicht um eine Beschäftigung in einem land- oder forstwirtschaftlichen oder gleichgestellten Betrieb handelt, pflichtversichert. Diese Voraussetzungen trafen nach den Feststellungen auf die Klägerin zu. Durch die 20.ASVG-Novelle (BGBl 201/1967) wurde die genannte Bestimmung aufgehoben, weil die erwähnten Personen unter den angeführten Voraussetzungen in § 4 Abs 1 Z 3 ASVG in die Vollversicherung eingegliedert wurden. Für die Rechtsansicht der Revisionswerberin, durch die Aufhebung des § 8 Abs 1 Z 2 ASVG sei "ein rückwirkendes Erlöschen eines Pflichtversicherungstatbestandes in der Pensionsversicherung vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des ASVG bis zum 1.Juni 1967 eingetreten" bietet das Gesetz nicht den geringsten Anhaltspunkt. Durch die 20.ASVG-Novelle wurde vielmehr die schon bestehende Teilpflichtversicherung in eine Vollpflichtversicherung ausgeweitet. Nach Art IV der Übergangsbestimmungen tritt das Bundesgesetz (BGBl.201/1967) hinsichtlich des Art I am 1.Juli 1967 hinsichtlich der Art II und III rückwirkend mit 1.Juni 1967 in Kraft. Von einer rückwirkenden Aufhebung der bisher bestandenen Bestimmungen über die Teilpflichtversicherung kann keine Rede sein.
Da die Klägerin vom Inkrafttreten der Stammfassung des ASVG bis zur 20. Novelle hinsichtlich der Unfall- und Pensionsversicherung der Versicherungspflicht unterlegen war, können mangels Anmeldung zur (Teil-)Versicherung und Bezahlung von Beiträgen diese Zeiten weder als Beitragszeiten noch als Ersatzzeiten im Sinne des § 229 Abs 1 Z 4 lit a ASVG angesehen werden. Die vor Inkrafttreten des ASVG erworbenen Ersatzzeiten aber wurden im angefochtenen Bescheid ohnedies berücksichtigt. Der Feststellungsbescheid der beklagten Partei entspricht daher der Rechtslage.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E16089European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00315.88.1220.000Dokumentnummer
JJT_19881220_OGH0002_010OBS00315_8800000_000