TE OGH 1988/12/20 5Ob59/88

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Veröffentlicht am 20.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Josefine W***, Hausfrau, 2.) Rudolf W***, Angestellter, 3.) Olga R***, Hausfrau, sämtliche Fanny Elßler-Gasse 6, 7000 Eisenstadt, 4.) Lieselotte G***, Bichlwangergasse 18, 1210 Wien, und 5.) Eva K***, Hausfrau, Wiener Neustädter-Straße 16, 7202 Sauerbrunn, sämtliche vertreten durch die unter 5.) genannte Antragstellerin, diese vertreten durch Dr.Norbert Wittmann und Dr.Johannes Ehrenhöfer, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider den Antragsgegner Julius M***, Kaufmann, Fanny Elßler-Gasse 6, 7000 Eisenstadt, vertreten durch Dr.Thomas Schreiner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Angemessenheit des begehrten Hauptmietzinses gemäß §§ 37 Abs 1 Z 8, 12 Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 19.April 1988, GZ R 125/88-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 18.Februar 1988, GZ Msch 5/87-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 936 Grundbuch 3003 Eisenstadt, Fanny Elßler-Gasse 6. Der Antragsgegner benützt ein Geschäftslokal in dem auf dieser Liegenschaft befindlichen Haus.

Mit dem am 11.Juni 1987 beim Erstgericht erhobenen Antrag begehrten die Antragsteller die Feststellung der Angemessenheit des Hauptmietzinses für das Geschäftslokal im Hause Eisenstadt, Fanny Elßler-Gasse 6 in der Höhe von 150 S je m2. Mit Schreiben vom 23.Mai 1986 "an den Antragsgegner sei festgehalten worden, daß dieser das Mietobjekt in der Fanny Elßler-Gasse 6 in Eisenstadt an seinen Sohn weitergegeben habe". Es sei jedoch niemals eine Anzeige an die Vermieter erfolgt. Am 17.6.1986 habe der Vertreter des Antragsgegners ohne auf die Ansprüche dem Grunde nach einzugehen mitgeteilt, daß er mit dem von den Antragstellern geforderten Mietzins in der Höhe von 150 S pro m2 nicht einverstanden sei. Bei einem Mietobjekt in dieser Lage sei jedoch der von den Antragstellern geforderte Betrag durchaus angemessen. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages, hilfsweise die Feststellung des Hauptmietzinses mit höchstens 2.000 S monatlich. Richtig sei, daß die Antragsteller mit dem genannten Schreiben "wegen des Unternehmensüberganges im Sinne des § 12 MRG eine Erhöhungsforderung" gestellt hätten. Diese Forderung sei jedoch im Hinblick auf den schlechten Erhaltungszustand des Gebäudes weitaus überhöht. Darüber hinaus sei der nunmehrige Antrag ein Jahr nach dem Aufforderungsschreiben gestellt worden und daher verfristet.

In der Tagsatzung vom 12.November 1987 brachte der Antragsgegner ergänzend vor, daß auf dem gegenständlichen Objekt ein Wohnhauswiederaufbaudarlehen laste, der Mietzins daher gemäß § 15 WWG eingefroren sei und nicht erhöht werden könne (AS 41). Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen:

Auf der Liegenschaft der Antragsteller ist unter COZ 1 auf Grund des Schuldscheines vom 4.4.1951 ein Pfandrecht für den Wohnhaus-Wiederaufbaufonds einverleibt. Von dieser Hypothek haften noch ca 60.000 S aus. Mit diesem Kredit wurde die Straßenfront der Liegenschaft, in der sich auch das gegenständliche Mietobjekt befindet, aufgebaut. Die Entscheidung über das Fondsansuchen erging am 19.März 1951 zur Zl.231.681-III-14 S/50 des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Entscheidung über das Fondsansuchen vor dem 1.9.1952 ergangen sei und damit die Fassung der WWGN 1950, BGBl.1951/26, anzuwenden sei. Daß mit der Mehrzahl der Mieter die Anwendung der Fassung der WWGN 1952 vereinbart worden sei, sei von keiner der Parteien behauptet worden und lägen diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte vor. § 15 WWG idF BGBl.1951/26 enthalte detaillierte Vorschriften über die Mietzinsbildung für die Mietobjekte bis zur Rückzahlung des Förderungsdarlehens. In den der Novelle BGBl.1951/26 folgenden Fassungen sei das Wahlrecht des Vermieters normiert worden, statt des sich aus § 15 WWG unmittelbar ergebenden (Haupt-)Mietzinses den "nach § 2 Abs 1 lit a MG in der jeweils geltenden Fassung" zu begehren. Auf Grund der Transformationsklausel des § 58 Abs 4 MRG sei darin die Verweisung auf § 16 Abs 2 zu sehen, sodaß der danach zulässige Kategoriemietzins vereinbart werden könne, bei Geschäftsräumen hingegen für die ein Mietzins nach § 16 Abs 2 nicht bestehe, der "angemessene" Mietzins nach § 16 Abs 1 Z 1. Nach den Zinsbildungsvorschriften des MRG könne gemäß § 12 Abs 3 MRG bei Veräußerung eines Unternehmens vom Erwerber des Unternehmens der angemessene Mietzins gefordert werden, und bei Nichteinigung ein diesbezüglicher Antrag auf Feststellung des angemessenen Mietzinses gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestellt werden. Da jedoch § 15 WWG in der Fassung BGBl.1951/26 keinerlei Verweisung auf die Bestimmungen des MG enthalte, seien auf Objekte, die unter diese Bestimmung fielen, nicht die Zinsbildungsvorschriften des MRG anzuwenden, sondern der Mietzins bis zur Rückzahlung des Darlehnes gemäß § 15 WWG zu bestimmen. Ein Antrag auf Bestimmung des angemessenen Mietzinses nach § 37 Abs 1 Z 8 (§ 12 Abs 3) MRG sei daher unzulässig und damit abzuweisen gewesen. Eine Überprüfung der zeitgerechten Einbringung des Antrages innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 12 Abs 3 MRG habe daher entfallen können.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem von den Antragstellern gegen diesen Sachbeschluß erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das Rekursgericht hielt vorerst fest, daß die Präklusivfrist des § 12 Abs 3 MRG erst ab dem Zeitpunkt des Erhaltes der "Anzeige" des alten und des neuen Mieters an den Vermieter zu laufen beginne, eine solche Anzeige an die Vermieter bis zum 23.Mai 1986 allerdings nicht erstattet worden sei. Das Begehren auf Leistung eines angemessenen Zinses nach § 12 Abs 3 MRG sei daher in diesem Zeitpunkt noch nicht verfristet gewesen.

Zu der im Rekurs ausgeführten Bekämpfung der Ablehnung der Zulässigkeit des von ihnen gestellten Antrages, wonach auf Grund der allgemeinen Bestimmung des § 15 Abs 6 WWG die Transformationsklausel des § 58 Abs 4 MRG heranzuziehen sei, nahm das Rekursgericht wie folgt Stellung:

Die Zulässigkeit einer Mietzinsvereinbarung sei nach der für den Zeitpunkt der Darlehenszusage durch den Wohnhauswiederaufbaufonds (hier 19.März 1951) geltenden Fassung des WWG zu beurteilen (Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 16 MRG - erg.: Anh (WWG) -; MietSlg 28.476 ua). In der für die Entscheidung dieses Rechtsfalles geltenden Fassung des WWG (§ 15 WWG idF BGBl.1951/26) bestimme § 15 Abs 6, daß die mittels Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte (Wohnungen und Geschäftslokale) den Bestimmungen des MG mit den in Abs 7 bis 11 getroffenen Abänderungen unterlägen. Nach § 15 Abs 10 WWG idF BGBl.1951/26 könne vom Vermieter, wenn der jährliche Hauptmietzins nach Abs 7 niedriger sei als der Mietzins im Zeitpunkt der Kriegseinwirkung gewesen sei, letzterer verlangt werden. Erst in den darauf folgenden Fassungen des § 15 WWG habe der nach § 2 Abs 1 lit a MG idgF zulässige Hauptmietzins Eingang in das WWG gefunden. Da das Darlehen des Wohnhauswiederaufbaufonds für die Wiederherstellung des "gesamten Wohnhauses" gewährt worden sei und eine Abänderung der vorerst für das ganze Haus bewilligten Fondsfinanzierung auf einzelne Teile des Hauses nicht behauptet worden sei (vgl MietSlg 37.666), sei die Fiktion einer Zurückzahlung des vorerst gewährten Fondsdarlehens hinsichtlich des streitverfangenen Geschäftslokals oder eines Teiles desselben nicht heranzuziehen (vgl dazu auch MietSlg 27.547, 34.367, 35.490). Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten sei die Rechtsansicht des Erstgerichtes zutreffend. Die Transformationsklausel des § 58 Abs 4 MRG komme mangels einer entsprechenden Verweisung des § 15 WWG in der hier anzuwendenden Fassung nicht zur Anwendung (vgl Würth, aaO, Rz 3 zu § 58 MRG).

Gegen diesen bestätigenden Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des von ihnen gestellten Feststellungsantrages abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner beantragte in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf den - wenngleich ohne Begründung erfolgten - vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren (vgl Würth-Zingher, MRG2, 182 Anm.61 zu § 37 MRG) Zulassungsausspruch zulässig und auch berechtigt.

Der von den Revisionsrekurswerbern vorerst geltend gemachte Verfahrensmangel ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG).

In ihrer Rechtsrüge wenden sich die Antragsteller gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß eine Antragstellung nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG in Verbindung mit § 12 Abs 3 MRG im vorliegenden Fall unzulässig sei. Denn bereits § 15 Abs 6 WWG in der Fassung des Gesetzes BGBl.1951/26 bestimme, daß die mit Fondshilfe wiederhergestellten Mietobjekte den Bestimmungen des MG unterliegen, sodaß damit auch die Regelung des § 58 Abs 4 MRG zutreffe. Diese Transformationsklausel bestimme aber, daß bei Geschäftsräumen der angemessene Mietzins nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG angewendet werden könne. Darüber hinaus enthielte § 12 MRG keine detaillierten Bestimmungen über die Höhe des Mietzinses, diese Norm stelle vielmehr eine neue Regelung für die Weitergabe von Mietobjekten dar, die sicherlich von § 15 Abs 6 WWG idF BGBl.1951/26 umfaßt sei. § 12 MRG müsse daher im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, sodaß eine Erhöhung des Mietzinses auf den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag möglich sei. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.

Nach § 1 Abs 1 des am 1.Jänner 1982 in Kraft getretenen MRG (§ 58 Abs 1 MRG) gilt dieses Gesetz für die Miete ua von Geschäftsräumlichkeiten aller Art, und zwar nach § 43 Abs 1 auch für vor dem 1.Jänner 1982 abgeschlossene Verträge. Diese gesetzliche Vermutung kann nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestandes widerlegt werden (Würth-Zingher, MRG2, 3, Anm 1 zu § 1 MRG; Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1 MRG samt Rechtsprechungshinweis). Da das Vorliegen eines der in den Absätzen 2 bis 4 des § 1 MRG normierten Ausnahmetatbestände weder behauptet wurde noch der Aktenlage zu entnehmen ist, ist hier davon auszugehen, daß auf das Mietverhältnis für das vom Antragsgegner benützte Geschäftslokal die Bestimmungen des MRG anzuwenden sind. Auf die im bisherigen Verfahren wiederholt vorgenommene Erörterung der Frage der Anwendbarkeit des MRG kraft Verweisung durch das WWG (§ 15 Abs 6 WWG idFd WWGN 1950) kommt es im vorliegenden Fall somit nicht an. Denn die Anwendbarkeit des MRG kraft Verweisung eines Gesetzes auf das MRG oder auf das MG iS der Transformationsklausel des § 58 Abs 4 MRG ist nur dann und insoweit zu prüfen, als einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 bis 4 MRG gegeben ist. Mangels Vorliegens eines dieser Tatbestände kommt somit auch bei dem WWG unterliegenden Mietgegenständen § 12 Abs 3 MRG zur Anwendung. Tritt somit bei der Veräußerung eines von einem Hauptmieter einer unter Heranziehung von Mittel des WWG wieder aufgebauten Geschäftsräumlichkeit im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens kein gespaltenes Mietverhältnis ein, sondern kommt es vielmehr zum Übergang der Hauptmietrechte an den Unternehmenserwerber, so gelten auch die übrigen Regelungen des § 12 Abs 3 MRG. Im Anwendungsbereich des § 12 Abs 3 MRG, also für die dem Rechtsbestand des WWG und MG fremd gewesene Rechtsfigur des Überganges von Mietrechten kraft Unternehmensveräußerung auf den Erwerber des Unternehmens sind die Zinsbildungsvorschriften des § 15 WWG idjgF somit nicht maßgebend. Unter diesen Umständen kommt die Bestimmung des § 15 WWG über die Mietzinsbildung bei der Entscheidung dieser Rechtssache gar nicht zum Tragen. Es erübrigt sich deshalb auf die von den Revisionsrekurswerbern in ihrem Rechtsmittel zuletzt noch geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken einzugehen. Denn das Normenkontrollverfahren hat zur Voraussetzung, daß ein im konkreten Fall anzuwendendes Gesetz zur Beurteilung steht (vgl Fasching, Lehrbuch, Rz 83).

Ist aber § 12 Abs 3 MRG voll anwendbar, so ist der Vermieter berechtigt, vom Erwerber des Unternehmens und der Mietrechte die Erhöhung des Hauptmietzinses auf den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag innerhalb der - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte und vom Obersten Gerichtshof auch schon ausgesprochen wurde (5 Ob 104/87) - ab der vom bisherigen Hauptmieter und dem Erwerber des Unternehmens zu erstattenden Anzeige in Lauf gesetzten 6-monatigen Frist zu begehren. Da die Vorinstanzen es unterlassen haben, den nach § 12 Abs 3 MRG für die gegenständlichen Geschäftsräumlichkeiten angemessenen Hauptmietzins festzustellen, mußte dem Revisionsrekurs Folge gegeben und die Rechtssache nach Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an das Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen werden.

Anmerkung

E16241

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00059.88.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19881220_OGH0002_0050OB00059_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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