TE OGH 1988/12/20 10ObS331/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Zeh und Dr.Prohaska (beide Arbeitgeber) in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard K***, Kirchweg 30, 6600 Höfen, vertreten durch Dr.Dieter Außerladscheider, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei A*** U*** (Landesstelle S***), Adalbert

Stifter-Straße 65, 1200 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten wegen Feststellung (Streitwert S 35.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 1988, GZ 5 Rs 142/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.November 1987, GZ 46 Cgs 1176/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt in Höfen, Kirchweg 30 das Fremdenheim "Buchenhof". Die Erträge aus der Zimmervermietung stellen für die Klägerin die Haupteinnahmsquelle für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes dar. Sie hält ihre ordnungsgemäß angemeldete Pension ganzjährig geöffnet. Während des Zeitraumes vom 13.4.1985 bis 15.5.1985 beherbergte die Klägerin keine Feriengäste. Dieser Zeitraum stellt für die Klägerin grundsätzlich eine schlechte Saison dar, in der nur selten Gästeübernachtungen stattfinden. Auch während der Zeit in der die Klägerin keine Gäste beherbergt, hat sie sich um die Reinhaltung der Zimmer, die Wartung der Installationsanlagen und dergleichen regelmäßig zu kümmern. Sie wohnt selbst im Haus "Buchenhof". Am 27.4.1985 begab sich die Klägerin kurz vor das Haus und hielt sich kurze Zeit im Bereich des Zuganges zum "Buchenhof" auf, dies auch zu dem Zweck, um Nachschau zu halten, ob nicht eventuell ein Fremdengast komme. Nach kurzer Zeit ging sie wieder zur Haustüre zurück, trat zirka 2 bis 3 m vor der Haustür mit dem rechten Fuß auf einen Stein und kippte um, wobei sie sich am rechten Fuß einen Bänderriß sowie eine Verletzung am Sprunggelenk zuzog. Es hatte zuvor keine Anmeldung eines Fremdengastes für den 27.4.1985 stattgefunden. Die Klägerin war unmittelbar vor dem Unfall einfach aufs Geradewohl vor die Tür gegangen, um nachzusehen, ob nicht doch ein Gast komme. Die Zimmervermietung der Klägerin funktioniert insbesondere durch Vermittlung von Gästen durch das örtliche Fremdenverkehrsbüro, durch Mundpropaganda sowie dadurch, daß Gäste auf den "Buchenhof" durch Beschilderung an der Straße im näheren Umkreis des Hauses aufmerksam werden.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß der Unfall vom 27.4.1985 vor ihrem Fremdenheim "Buchenhof" einen Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs 1 ASVG darstelle.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß die Klägerin in der fraglichen Zeit keine Feriengäste beherbergt habe und auch keine angemeldet gewesen seien. Es fehle an einem Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und ihrer die Versicherungspflicht begründende Tätigkeit.

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Ursächlich könne nur eine Abfolge von Bedingungen sein, aus denen ein bestimmter Erfolg hervorgehe oder hervorzugehen geeignet sei. Die Tatsache, daß die Klägerin sich vor die Pension begeben habe, sei dem Gewerbebetrieb nicht dienlich gewesen. Durch bloßes gelegentliches "nach der Straße sehen" habe die Klägerin niemals Gäste gewonnen. Der Unfall stehe daher nicht in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Unfallversicherung schütze vor den Gefahren, denen ein Versicherter in seiner Rolle als Erwerbstätiger ausgesetzt sei. Damit die Tätigkeit eines Selbständigen unter Versicherungsschutz stehe, müsse ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb vorliegen. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang sei nur dann gegeben, wenn eine spezifisch betriebliche Tätigkeit, die dem Betrieb mittelbar oder unmittelbar zu dienen vermöge, verrichtet werde. Diese Voraussetzung liege nicht vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 4 ASGG zulässig, weil das Verfahren über eine im § 65 Abs 2 ASGG vorgesehenen Klage auf Feststellung, daß eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit sei, als Verfahren über wiederkehrende Leistung im Sinn der eingangs genannten Gesetzesstelle zu gelten hat. Die Qualifikation eines Unfalles als Arbeitsunfall wird durch die Entscheidung über diese Klage für das spätere Verfahren über allfällige Leistungsansprüche aus der Unfallversicherung - als solche kommen insbesondere auch Rentenansprüche in Frage - bindend festgestellt und bildet damit die Grundlage für die Entscheidung über ein Leistungsbegehren. Es wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung, das Verfahren über die Feststellungsklage für die Zulässigkeit der Revision anders als ein über den Leistungsanspruch geführtes Verfahren zu behandeln (idS zum Verfahren über die Feststellung von Versicherungszeiten 10 Ob S 26/87).

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht unter Berufung auf Tomandl ausgeführt, daß die Unfallversicherung vor allem Gefahren in ihren Schutzbereich einbezieht, denen ein Versicherter als Erwerbstätiger ausgesetzt ist. Im Vordergrund stehen dabei Ausübungshandlungen des Versicherten, das sind Handlungen, die durch zwei Bedingungen charakterisiert sind: Die Tätigkeit muß einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und sie muß vom Handelnden in dieser Intentition entfaltet werden (subjektive Bedingung) (Tomandl-System 3. ErgLfg. 278 f). Tomandl (aaO 280) kritisiert, daß die Judikatur dazu neige, bei Tätigkeiten die von Arbeitnehmern ausgeführt werden, zu prüfen, ob sie "im Interesse des Betriebes" gelegen seien und nur in diesem Fall den Schutz der Unfallversicherung bejahe. Diese Argumentation sei überholt. Ein Erörterung dieser Frage ist jedoch hier entbehrlich. Auch Tomandl bezieht seine Kritik ausdrücklich nur darauf, daß diesem Kriterium in Fällen, die Arbeitnehmer betreffen, maßgebliche Bedeutung zuerkannt wurde. Bei Selbständigen erstreckt sich der Schutz auf jede Tätigkeit, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dient (Tomandl aaO und Grundriß des österr Sozialrechtes3 Rz 137). Wird eine selbständige Erwerbstätigkeit im eigenen Haus ausgeübt, so sind der betriebliche und der private Bereich regelmäßig weitgehend miteinander verwoben. Zur Abgrenzung des persönlichen und betrieblichen Bereiches ist hier auch eine Prüfung der Frage erforderlich, wie weit eine bestimmte Tätigkeit einem betrieblichen Interesse dienlich war. Es kommt nicht darauf an, ob sie dem Unternehmen objektiv dienlich ist, sondern es genügt, wenn der Versicherte von seinem Standpunkt aus, also subjektiv der Auffassung sein konnte, daß die Tätigkeit den Interessen des Unternehmens zu dienen geeignet war, vorausgesetzt, daß diese subjektive Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen im Einzelfall eine ausreichende Stütze findet (Lauterbach Unfallversicherung3 35. Lfg., 203; Brackmann Handbuch der Sozialversicherung 60. Nachtrag, 480 n mwN). Die Pensionsgäste der Klägerin wurden entweder vom örtlichen Fremdenverkehrsbüro vermittelt oder kamen durch Empfehlung oder auf Grund der Information durch die an der Straße angebrachten Hinweistafeln zum Unternehmen der Klägerin. In der fraglichen Zeit war "tote Saison", in der praktisch keine Gäste zum Haus der Klägerin kamen. Am Unfallstag bestand keinerlei Hinweis auf die Ankunft von Gästen und im Hinblick auf die Zeit, die außerhalb der Saison lag und in der das Haus regelmäßig leer stand, war mit dem Eintreffen von nicht angemeldeten Gästen, nicht zu rechnen; es war auch eine Kontaktaufnahme mit potentiellen Gästen, dadurch daß sich die Klägerin vor dem Haus aufhielt, nicht zu erwarten, zumal Gäste immer bereits über die Übernachtungsmöglichkeit informiert zur Pension der Klägerin kamen. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin auch subjektiv nicht der Ansicht sein, daß ihr Weg vor das Haus dem Unternehmen dienlich sein konnte und auch objektiv war der Weg vor das Haus nicht geeignet die Interessen ihres Unternehmens zu fördern. Der Unfall stand daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E16481

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00331.88.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19881220_OGH0002_010OBS00331_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten