TE OGH 1988/12/22 13Os139/88

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Veröffentlicht am 22.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef H*** wegen des Verbrechens der Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 15 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 24.Mai 1988, GZ. 10 Vr 244/87-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, des Angeklagten Josef H*** und des Verteidigers Dr. Benischke zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 12.April 1946 geborene Musiker Josef H*** ist der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. (I) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB. (II), des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 15 StGB. (III) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. (IV) schuldig erkannt worden.

Darnach hat er in Buhwil (Schweiz) seine Ehegattin Emilie H***-K*** zu den nachstehenden Zeitpunkten vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

einige Tage vor dem 14.Juli 1986, indem er mit den Händen auf sie einschlug und ihr Fußtritte versetzte (Hämatome am linken Oberarm und im linken Ellbogenbereich sowie am linken Oberschenkel seitlich; I 1);

am 20.August 1986, indem er wiederholt mit den Händen auf sie einschlug, ihr Fußtritte versetzte und sie die Treppe hinunterstieß (Prellungen mit blutunterlaufenen Stellen auf dem rechten Handrücken, im Brustbereich links und eine Distorsion im linken oberen Sprunggelenk; I 2); ferner hat er Emilie H***-K*** durch nachgangeführte Äußerungen zumindest mit einer Körperverletzung und auch mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

am 20.August 1986, indem er ihr das heiße Bügeleisen vor das Gesicht hielt, durch die Äußerung: "Ich werde dich damit zeichnen" (II 1);

in der Nacht zum 26.September 1986 durch die Äußerung: "Ich werfe Dich samt den Kleidern aus dem Fenster", nachdem er ihr das Nachthemd vom Körper gerissen hatte (II 2);

in der Nacht zum 27.September 1986 durch die Äußerung: "Wenn ich dich erschlage, hilft mir die Bernerin schon wieder heraus", wobei er ihr den Mund zuhielt und sie würgte (II 3);

des weiteren hat er Emilie H***-K*** teils durch Gewalt, teils durch Drohung mit dem Tod zu nachangeführten Handlungen bzw. Unterlassungen einerseits genötigt, und zwar:

in der Nacht zum 26.September 1986 durch die Äußerung; "Sei ja schön ruhig, ich werde dich sonst umlegen", dazu, daß sie im Bett liegen blieb und das Schlafzimmer die ganze Nacht nicht verließ (III 1 a);

in der Nacht zum 27.September 1986 dadurch, daß er die Frau in den Keller zerrte, dort kurzfristig in einem Raum einschloß und in weiterer Folge ihren Kopf in die Tiefkühltruhe steckte, wodurch er sie am Verlassen des Wohnhauses hinderte (III 1 b), sowie andererseits

in den Monaten April bis Oktober 1986 durch die wiederholten Äußerungen: "Ich bringe dich um", bzw. "Ich erschieße dich, wenn du dich nicht von mir scheiden läßt", zur Einwilligung in die Ehescheidung zu nötigen getrachtet (III 2);

schließlich hat er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 1986 den Staatsbürgerschaftsnachweis, den Taufschein, die Geburtsurkunde und drei Leumundszeugnisse seiner Ehegattin sowie die Heiratsurkunde und die Geburtsurkunde ihrer Eltern, mithin Urkunden, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr von seiner Gattin zur Vorlage bei Behörden und Arbeitgebern gebraucht werden

(IV).

Der Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit Nichtikeitsbeschwerde, die er auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 a und 9 lit. b StPO. stützt.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Tatsachenrüge (Z. 5 a) gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, aktenbezogen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Sachverhaltsannahmen aufzuzeigen. Der bloße Hinweis auf das "anhängige Scheidungsverfahren" (siehe III 2 und S. 332; 336; 337) und den Befund des Facharzts für Psychiatrie Dr. Arnulf L*** vom 18. Februar 1987, wonach bei der Zeugin eine ausgeprägte neurotische Partnerbeziehung mit Tendenzen zur Selbstschädigung bestand und die Zeugin ein erheblich neurotisch depressives Zustandsbild bot (S. 73), ist ebensowenig geeignet, erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Gerichts zu erwecken wie der vom Beschwerdeführer aus der im Akt erliegenden Korrespondenz der Zeugin Emilie H***-K*** gezogene Schluß auf "finalgerichtete Tendenzen" ihrer Handlungsweise (S. 353). Hat doch der Schöffensenat die Aussage dieser Zeugin besonders deshalb für glaubwürdig erachtet, weil ihre Angaben mit der ursprünglich geständigen Verantwortung des Angeklagten übereinstimmten und durch die Wahrnehmung mehrerer Polizeibeamter sowie durch ärztliche Befunde erhärtet wurden (S. 333). Aktenkundige Beweisergebnisse, die nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen menschlichen Erfahrung der Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen entgegenstünden, liegen sohin nicht vor.

Es schlagen aber auch die Rechtsrügen (Z. 9 lit. b) nicht durch. Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß das Gericht die Frage der inländischen Strafgewalt unerörtert gelassen hat, doch stellt der Umstand, daß das Urteil entgegen § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. die Erwägungen nicht anführt, von denen das Gericht bei der Entscheidung einer Rechtsfrage geleitet wurde, keinen der im § 281 Abs. 1 StPO. taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe her (SSt. 20/70 im Text u. v.a.). Die Beschwerde ist auch im Recht, wenn sie mit Beziehung auf den Tatort (hinsichtlich aller Delikte: Buhwil in der Schweiz) und unbeschadet des aktenkundigen Umstands, daß der Angeklagte als Österreicher strafbare Handlungen gegen seine Gattin beging, die gleichfalls die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, mangels eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (S. 324 oben) die Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z. 7 StGB. ("... wenn beide ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben") für unanwendbar erklärt. Die inländische Strafgewalt richtet sich daher - wie der Beschwerdeführer zutreffend erkennt - ausschließlich nach § 65 StGB. Darnach gelten für andere als die in den §§ 63 und 64 StGB. bezeichneten Taten, die im Ausland begangen worden sind, sofern die Taten auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht sind, die österreichischen Strafgesetze, wenn (u.a.) der Täter zur Zeit der Tat Österreicher war (§ 65 Abs. 1 Z. 1 StGB.). Die Strafbarkeit entfällt jedoch (u.a.), wenn die Strafbarkeit der Tat nach den Gesetzen des Tatorts erloschen ist (§ 65 Abs. 4 Z. 1 StGB.).

Der Beschwerdeführer stellt betreffend das Verbrechen der schweren Nötigung und das Vergehen der Urkundenunterdrückung (III und IV) sinngemäß eine "identische" Norm, d.h. nach moderner Auffassung: die Voraussetzung der beiderseitigen Strafbarkeit (mutual punishability), die nicht deckungsgleich und folglich nicht "ident" sein muß (EvBl. 1987/140), in Abrede (§ 65 Abs. 1 StGB.). Indes genügt hier der Hinweis auf die Art. 181 - Nötigung - und 254 Abs. 1 - Unterdrückung von Urkunden (zum Nachteil eines Angehörigen:

Antragsdelikt; siehe Abs. 2 leg. cit.) - des Schweizerischen Strafgesetzbuchs.

Daß eine Straftat im Tatortstaat nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden kann, wie die Delikte der (einfachen) Körperverletzung (Art. 123 Schw. StGB.), der Drohung (Art. 180 Schw. StGB.) und der Unterdrückung von Urkunden zum Nachteil der Ehegattin (Art. 254 Abs. 2 Schw. StGB.), spielt für die beiderseitige Strafbarkeit keine Rolle. Diesem Prinzip ist entsprochen, wenn die Tat sowohl nach dem Tatortrecht als auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, sei es auch unter verschiedenen materiellrechtlichen Verfolgungsvoraussetzungen:

einerseits Antrag, andererseits kein solcher erforderlich (Leukauf-Steininger2, RN. 8 bis 10 zu § 65 StGB. und EvBl. 1987/140). Unter dem Gesichtspunkt einer Erledigung des Strafanspruchs (§ 65 Abs. 4 Z. 1 StGB.) hinwieder ist es ohne Belang, daß die nach dem Tatortrecht Berechtigte die am 18. und 27.September 1986 gestellten (S. 191, 196) und am 2.Oktober 1986 bestätigten (S. 229) Strafanträge gegen Josef H*** wegen einfacher Körperverletzung (Art. 123 Z. 1 Schw. StGB.) und Drohung (Art. 180 Schw. StGB.) am 12. März 1987 fristgerecht (Art. 31 Abs. 2 Schw. StGB.) zurückgezogen (S. 295 a) und betreffs Unterdrückung von Urkunden (Art. 254 Abs. 1 und 2 Schw. StGB.) einen Antrag innerhalb der ihr eingeräumten Frist (Art. 29 Schw. StGB.) gar nicht gestellt hat. Der Strafantrag nach Schweizerischem Recht (Art. 28 ff. Schw. StGB.) ist nämlich eine Verfolgungsvoraussetzung, der Mangel eines solchen oder dessen Zurücknahme bewirken aber kein Erlöschen der Strafbarkeit, sondern nur den Verlust des Verfolgungsrechts. Demnach liegt kein Anwendungsfall des § 65 Abs. 4 Z. 1 (oder 2) StGB. vor, der lediglich auf eine im Ausland gefällte Sachentscheidung (Freispruch oder Einstellung aus materiellrechtlichen oder Beweisgründen), nicht aber darauf abstellt, daß der Verletzte (Geschädigte) sein Verfolgungsrecht verliert (Formalentscheidung; Leukauf-Steininger a. a.O. RN. 10, Liebscher im WK. § 65 StGB. Rz. 20 und nochmals EvBl. 1987/140).

Da schließlich auch die Beschwerdebehauptung, es fehle die Ermächtigung zur Verfolgung des Vergehens der gefährlichen Drohung durch die bedrohte Ehegattin (§ 107 Abs. 4 StGB.), nicht zutrifft (S. 77 b verso), war die sohin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 106 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. In Bemessung dieser Strafe waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens (in drei Fakten) mit sechs Vergehen (gemeint: Vergehensfakten), die einschlägige Vorstrafe und die mehrfache Wiederholung jedes einzelnen Delikts; mildernd hingegen das teilweise Geständnis sowie der teilweise Versuch beim Verbrechen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an: Ein erfahrungsgemäß von Emotionen beherrschtes Geschehen zwischen Ehegatten müsse in einem milderen Licht gesehen werden.

Dem Berufungswerber ist lediglich zu erwidern, daß in Ausmessung der Freiheitsstrafe weit im unteren Bereich des von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reichenden Strafsatzes des § 106 StGB. trotz der Konkurrenz des wiederholt begangenen und versuchten Verbrechens (III 1 a, b, 2) mit den als Vergehen eingestuften strafbaren Handlungen (I 1, 2; II 1, 2, 3; IV) dem von der Berufung aufgezeigten Aspekt ausreichend Rechnung getragen ist. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E16123

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00139.88.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19881222_OGH0002_0130OS00139_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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