TE OGH 1989/1/10 4Ob506/89

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Veröffentlicht am 10.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria R***, Pensionistin, Linz, Spaunstraße 17, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Josef S***, Angestellter, Enns, Michael-Lehner-Weg 8, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Feststellung (Streitwert 100.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15. September 1988, GZ 6 R 117/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 2. März 1988, GZ 4 Cg 69/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war 3/4-Eigentümerin der Liegenschaft EZ 812 KG Kleinmünchen, bestehend aus den Grundstücken 765 Bauarea - mit dem Haus Spaunstraße 17 - und 1791/55 Garten im Gesamtausmaß von 966 m2; das restliche Viertel gehörte ihrer Schwägerin Maria G***. Die Klägerin wollte schon zu Lebzeiten ihren Liegenschaftsanteil übereignen und kam über eine Bekannte auf den Beklagten. Dieser erklärte von Anfang an, daß er im Hinblick auf seine große Familie keine finanziellen Lasten übernehmen könne, aber zu verschiedenen Ausgedingsleistungen bereit sei.

Am 22. Jänner 1973 schlossen die Parteien vor dem Notar Dr. Walter P*** einen Übergabsvertrag, der unter anderem folgende Bestimmungen enthielt:

"Erstens: Frau Maria R*** übergibt an Herrn Josef S*** und der letztere übernimmt die der Übergeberin gehörenden drei-Viertel-Anteile der Liegenschaft 'Or.Nr. 17 Anton Spaunstraße

u. Konskr.Nr. 334 Scharlinz', Einlagezahl 812 der Katastralgemeinde Kleinmünchen, bestehend aus den Grundstücken 765 Bauarea und 1791/55 Garten im unverbürgten Gesamtausmaße von 966 m2 in Worten neunhundertsechsundsechzig Quadratmeter, samt allem, was mit diesen Liegenschaftsanteilen erd-, mauer- niet- und nagelfest verbunden ist und demnach ein rechtliches oder tatsächlches Zubehör derselben bildet, sowie mit allen Rechten und Befugnissen, mit welchen diese Liegenschaftsanteile bisher von der Übergeberin benützt und besessen wurden, oder diese dieselben zu besitzen und zu benützten berechtigt war, kurz so, wie diese Liegenschaftsanteile am Tage der tatsächlichen Übergabe liegen und stehen werden, um den beiderseits vereinbarten Übergabspreis von S 30.000,-- in Worten Schilling dreißigtausend, sowie gegen Bestellung des im nachstehenden vereinbarten Fruchtgenußrechtes sowie der Ausgedingsrechte zugunsten der Übergeberin, der Frau Maria R***.

Zweitens: Der Übernehmer, Herr Josef S***, verpflichtet sich, für sich, seine Erben und Rechtsnachfolger, den gesamten Übergabspreis von S 30.000,-- in Worten Schilling dreißigtausend, binnen 6 (sechs) Monaten nach dem Ableben der Übergeberin, Frau Maria R***, an deren Erben bar und vollständig und ohne zwischenzeitige Verzinsung zur Auszahlung zu bringen. Eine grundbücherliche Sicherstellung sowie Wertsicherung dieses Übergabspreises wird nicht vereinbart.

Drittens: Die Übergeberin, Frau Maria R*** behält sich lebenslänglich das Fruchtgenußrecht im Sinne der Bestimmungen der Paragraphe 509 (fünfhundertneun) und folgende des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches an den übergebenen Liegenschaftsanteilen ausdrücklich vor. Die Übergeberin ist demnach berechtigt, die Vertragsliegenschaftsanteile ausschließlich zu bewirtschaften, den Ertrag derselben einzulösen, ist jedoch andererseits auch verpflichtet, alle auf den Eigentümer entfallenden Lasten zu tragen. Zur Verdinglichung dieses Rechtes erteilt der Übernehmer, Herr Josef S***, seine ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund dieser Urkunde und ohne sein weiteres Wissen und Einvernehmen, ob der ihm auf Grund dieser Urkunde zukommenden drei-Viertel-Anteile der Liegenschaft 'Or.Nr. 17 Anton Spaunstraße u. Konskr. Nr. 334 Scharlinz', Einlagezahl 812 der Katastralgemeinde Kleinmünchen, die Dienstbarkeit des Fruchtgenußrechtes gemäß Paragraphe 509 (fünfhundertneun) und folgende des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, für Maria R***, gemäß diesem Vertragsabsatze grundbücherlich einverleibt werden könne.

Viertens: Weiters bedingt sich die Übergeberin, Frau Maria R***, ohne Anrechnung auf den obigen Übergabspreis und außer dem Fruchtgenußrecht folgende Ausgedingsrechte lebenslänglich aus, und zwar:

1. Das Recht auf Reinigung, Herhaltung und Ausbesserung der Kleidung und Wäsche und das Putzen der Schuhe, nicht jedoch die Nachschaffung all dieser Sachen im Bedarfsfalle.

2. Das Recht auf häusliche Pflege und häusliche Wartung, soweit diese Leistungen mit dem Angestelltenverhältnis des Übernehmers vereinbar sind, sowie das Recht auf Besorgung der erforderlichen Botengänge und endlich die Verpflichtung, nach Weisung der Übergeberin die Gartenarbeiten und Hausarbeiten zu verrichten.

3. Das Recht auf Besorgung eines orts- und standesgemäßen Begräbnisses sowie die Herhaltung des Grabes durch mindestens zehn Jahre nach dem Ableben der Übergeberin. Sonstige Auszugsleistungen werden nicht vereinbart. Eine grundbücherliche Sicherstellung dieser Rechte wird nicht ausbedungen.

Fünftens: Die Übergabe beziehungsweise Übernahme der Vertragsliegenschaftsanteile in den tatsächlichen Besitz und Genuß des Übernehmers, erfolgt an jenem Tage, an welchem das im Absatze "Drittens" dieses Vertrages vereinbarte Fruchtgenußrecht endet, weshalb auch mit diesem Zeitpunkt Last und Vorteil auf den Übernehmer übergehen. Zufall und Gefahr gehen jedoch schon mit dem heutigen Tage auf den Übernehmer über.

....

Siebentens: Beide Vertragsteile erteilen ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund dieser Urkunde und ohne ihr weiteres Wissen und Einvernehmen ob den der Maria R*** gehörenden drei-Viertel-Anteilen der Liegenschaft 'Or.Nr. 17 Anton Spaunstraße

u. Konskr.Nr. 334 Scharlinz', Einlagezahl 812 der Katastralgemeinde Kleinmünchen, das Eigentumsrecht für Josef S*** grundbücherlich einverleibt werden könne.

.....

Elftens: Zu Steuerbemessungszwecken wird festgestellt, daß die Vertragsliegenschaftsanteile einen anteilsmäßigen Einheitswert von S 114.000,-- in Worten Schilling hundertvierzehntausend, haben. Die Übergeberin, Frau Maria R***, ist am 28. (achtundzwanzigsten) April 1908 (neunzehnhundertacht) geboren. Das jährliche Fruchtgenußrecht wird mit dem Betrage von S 4.800,-- in Worten Schilling viertausendachthundert und die jährlichen Ausgedingsrechte mit dem Betrage von S 3.600,-- in Worten Schilling dreitausendsechshundert, veranschlagt."

.....

Der Vertragsverfasser, Notar Dr. Walter P***, hatte den Übergabsvertrag den Bestimmungen des ABGB über das Fruchtgenußrecht angepaßt und das den Parteien erläutert. Es stand fest, daß die Liegenschaft - von der Benützung der Wohnung und des Gartens abgesehen - keinen Ertrag abwarf; die Bewertung des Fruchtgenußrechtes im Vertragspunkt "Elftens" wurde nur aus steuerrechtlichen Gründen vorgenommen. Außer den im Vertragstext festgehaltenen Regelungen wurde über Erhaltungsarbeiten nicht weiter gesprochen.

Auf Grund der im Punkt "Drittens" des Notariatsaktes enthaltenen Aufsandungserklärung wurde ob dem 3/4-Anteil des Beklagten an der Liegenschaft EZ 812 KG Kleinmünchen die Dienstbarkeit des Fruchtgenußrechtes zugunsten der Klägerin grundbücherlich einverleibt.

Das zunächst gute Verhältnis zwischen den Parteien änderte sich ab 1981. Mit der am 7. Februar 1983 beim Kreisgericht Steyr zu 3 a Cg 34/83 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Rückübertragung ihres Liegenschaftsanteiles, in eventu die Verurteilung des Beklagten zu einer monatlichen Zahlung von 5.000 S anstelle und der im notariellen Übergabsvertrag vereinbarten Ausgedingsrechte. Dieser Rechtsstreit endete am 15. Jänner 1985 mit einem gerichtlichen Vergleich, in welchem sich der Beklagte verpflichtete, anstelle der im Punkt "Viertens" des Notariatsaktes angeführten Ausgedingsleistungen mit Ausnahme eines orts- und standesgemäßen Begräbnisses ab 1. Februar 1985 der Klägerin monatlich 1.000 S - wertgesichert - zu zahlen. Der Übergabspreis von 30.000 S wurde dem Beklagten unter der Widmung als Prozeßkostenbeitrag erlassen. Im Punkt 3 des Vergleiches verpflichtete sich der Beklagten, die Liegenschaft Spaunstraße 17 nicht zu betreten; ausgenommen waren hievon Besuche bei Maria G*** oder deren Rechtsnachfolger sowie notwendige Verwaltungsoder Erhaltungsarbeiten bezüglich der Substanz der Liegenschaft oder des Hauses. Damit sollten die Bestimmungen des Übergabsvertrages vom 22. Jänner 1973 nicht abgeändert werden.

Bis Juli 1985 trug die Klägerin sämtliche mit der Liegenschaft und dem darauf gelegenen Haus verbundenen Gebühren, Abgaben und Kosten (anteilsmäßig mit der Miteigentümerin Maria G***). Danach zahlte die Klägerin die Gemeindeabgaben nicht mehr; seither legt sie der Beklagte, dem sie als Miteigentümer vom Magistrat Linz vorgeschrieben werden, aus und verrechnet sie mit seiner im gerichtlichen Vergleich vereinbarten Ausgedingszahlung. Im Jänner 1987 trat im Haus Spaunstraße 17 ein Wasserrohrbruch auf, nachdem kurze Zeit vorher Maria G***, die im Erdgeschoß gewohnt hatte, ausgezogen war. Am Freitag, den 23. Jänner 1987, verständigte ein Kohlenhändler den Beklagten vom Wasserrohrbruch und riet zu einer raschen Schadensbehebung, weil durch das austretende Wasser infolge der herrschenden Kälte einige Stiegen bereits gänzlich vereist seien. Der Beklagte beauftragte darauf den Installateur Florian W*** mit der Behebung des Schadens, die noch am selben Tage in Angriff genommen wurde; den Arbeitsauftrag unterschrieb die Klägerin dem Installateur. Da sie den Installateur am nachfolgenden Montag nicht mehr ins Haus ließ, konnten die Arbeiten nicht vollendet werden. Die Rechnung des Installateurs vom 30. Jänner 1987 über 2.055,17 S beglich der Beklagte, weil die Klägerin die Zahlung verweigerte.

Nachdem der Klagevertreter mit Schreiben vom 23. Jänner 1987 den Beklagten zur Behebung des Wasserrohrbruchschadens auf seine - des Beklagten - Kosten aufgefordert hatte, lehnte dieser in einem Antwortschreiben seiner Rechtsschutzversicherung DAS vom 19. Februar 1987 seine kostenmäßige Heranziehung zu Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten unter Hinweis auf den Übergabsvertrag ab. Das Haus Spaunstraße 17 ist ein einstöckiges Zweifamilienhaus mit Giebeldach. Am Dach sind mindestens vier oder fünf Dachziegel schadhaft und müssen ausgewechselt werden, da bei Regen unzweifelhaft Wasser in den Dachboden eindringt. Bei einem Dachbodenfenster fehlt die Einglasung. Die Klägerin bewohnt das Obergeschoß; das Erdgeschoß ist nunmehr unbewohnt. Zum Obergeschoß gehört eine Terrasse; auf der Terrassenseite bröckeln das Mauergesims und die Bemalung teilweise ab. Das Gesimse weist Sprünge und Risse auf, die Dachrinne müßte wieder gestrichen werden. Die Dachrinne über dem Eingangstor ist heruntergefallen. Der Außenputz ist vergraut und teilweise - insbesondere im Bereich der Fenster - abgebröckelt. Im Garten stehen ungefähr 6 relativ alte Obstbäume sowie Ribisel- und Stachelbeersträucher.

Mit der Behauptung, daß sie aus dem Fruchtgenuß keinerlei Ertrag ziehe und der Beklagte daher nach dem Vertrag verpflichtet sei, die in der nächsten Zeit notwendigen kostspieligen Erhaltungs- und Adaptierungsarbeiten am Haus Spaunstraße 17 auf seine Kosten durchzuführen zu lassen, begehrt die Klägerin die Feststellung, daß sie auf Grund des Übergabsvertrages nicht verpflichtet sei, Erhaltungsarbeiten an der Liegenschaft EZ 812 KG Kleinmünchen auf eigene Kosten oder mit einem Anteil von 3/4 durchführen zu lassen oder dafür aufzukommen, solange der Reinertrag des Liegenschaftsanteiles des Beklagten die Erhaltungsarbeiten an dieser Liegenschaft nicht decke.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da im Übergabsvertrag vereinbart worden sei, daß die Klägerin alle auf den Eigentümer entfallenden Lasten zu tragen habe, müsse sie auch für die Erhaltungsarbeiten aufkommen. Die im gerichtlichen Vergleich vereinbarten monatlichen Zahlungen an die Klägerin seien als Ertrag des Fruchtgenußrechtes zu werten. Das Klagebegehren sei auch aus rechtlichen Gründen in der gewählten Form nicht zulässig. Eine ernstliche Gefährdung von Rechten der Klägerin liege nicht vor. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Rechtlich würdigte er den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß die vertragliche Regelung des Punktes "Drittens" des Übergabsvertrages vom 22. Jänner 1973 dem § 513 ABGB entspreche. Die Vertragsbestimmung, daß die klagende Fruchtnießerin verpflichtet sei, "alle auf den Eigentümer entfallenden Lasten zu tragen", entspreche den üblichen Gepflogenheiten und gehe nicht über die gesetzliche Regelung hinaus. Auch der gerichtliche Vergleich vom 15. Jänner 1985 habe die Regelung des Fruchtgenusses inhaltlich nicht geändert. Der 3/4-Liegenschaftsanteil, an dem die Klägerin ihr Fruchtgenußrecht habe, sei aber nicht ertraglos. Die Klägerin habe die Möglichkeit, durch Nutzung des Gartens und Vermietung eines Hausanteils beachtliche Erträgnisse zu erzielen; mache sie davon keinen Gebrauch, so habe sie sich das selbst anzurechnen und könne die Folgen nicht auf den Beklagten überwälzen. Der Umstand, daß die Klägerin das Haus bewohne, sei entsprechend zu bewerten. Die jährliche Zahlung des Beklagten von 12.000 S sei hingegen nicht als Ertrag anzusehen, weil damit nur die vom Beklagten seinerzeit übernommenen Ausgedingsrechte abgegolten würden. Die Kosten der Behebung des Rohrbruches vom Jänner 1987 und die anstehenden notwendigen Erhaltungsarbeiten fänden in den fiktiven Erträgen aus dem 3/4-Liegenschaftsanteil samt Haus ihre volle Deckung. Da die Leistung bekannt gewesen sei und ziffernmäßig hätte begehrt werden könne, fehlten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Feststellungsklage. Dazu komme, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Fruchtnießer und Eigentümer im Gesetz so genau geregelt seien, daß der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Regelung abgesprochen werden müsse.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Ergänzend stellte es fest:

Die Klägerin bewohnt auf Grund ihres Fruchtgenußrechtes das erste Obergeschoß des Hauses Spaunstraße 17, bestehend aus einem Vorzimmer, zwei Zimmern, einer Küche, einem WC und einem Speisezimmer. In dieser Wohnung sind ein Wasseranschluß und eine Dusche vorhanden. Weiters benützt die Klägerin auf Grund des Fruchtgenußrechtes das im Erdgeschoß rechts vom Eingang gelegene Zimmer. Die Wohnung hat insgesamt eine Nutzfläche von rund 70 m2. In der Zeit vom Jänner bis September 1987 hat die Klägerin im Zusammenhang mit der Ausübung des Fruchtgenußrechtes - nach dem vom Beklagten vorgelegten Kontoauszug, Beilage ./.2 - im Monat durchschnittlich 710 S - ohne Berücksichtigung der Rechnung der Firma W*** vom 30. Jänner 1987 - aufgewendet.

Rechtlich meinte das Gericht zweiter Instanz, daß als Ertrag im Sinne der §§ 511 ff ABGB auch jener Vermögenswert anzusehen sei, der beim Fruchtgenußberechtigten dadurch entstehe, daß er sich Aufwendungen erspare, die er ohne den Fruchtgenuß hätte; das seien im vorliegenden Fall die Aufwendungen für eine gleichwertige Wohnung. Die mit dem Fruchtgenußrecht hier verbundene Wohnung falle unter die Ausstattungskategorie B (§ 16 Abs 2 Z 2 MRG), für die sich unter Zugrundelegung der Nutzfläche von 70 m2 und des im Jahre 1987 geltenden Quadratmetersatzes von 18,30 S ein monatlicher Höchstmietzins von 1.281 S ergebe; für eine solche Wohnung der Ausstattungskategorie C ergäbe sich ein monatlicher Höchstmietzins von 854 S. Nach § 512 ABGB sei als reiner Ertrag nur das anzusehen, was nach Abzug der nötigen Auslagen übrig bleibe; der Fruchtnießer übernehme alle Lasten, die mit der dienstbaren Sache verbunden seien. Wenn im Übergabsvertrag ausgeführt sei, daß die Fruchtgenußberechtigte alle auf den Eigentümer fallenden Lasten zu tragen habe, sei das wohl als Verweis auf § 512 ABGB und nicht als eine Vereinbarung darüber, wer die Kosten der Erhaltungsarbeiten zu tragen habe, anzusehen, zumal mit dem Übergabsvertrag ein Fruchtgenußrecht im Sinne der §§ 509 ff ABGB begründet worden sei. Da die monatlichen Lasten der Fruchtgenußberechtigten (nur) rund 710 S betrügen, sei davon auszugehen, daß das Fruchgenußrecht der Klägerin einen Reinertrag abwerfe. Der Fruchtnießer sei aber gemäß § 513 ABGB (nur) nach Maßgabe des erzielten Ertrages zur Erhaltung der Substanz verpflichtet; die Beweislast für das Nichtzulangen des Ertrages treffe ihn. Der Fruchtnießer brauche über den Reinertrag hinaus nichts aufzuwenden, habe aber vorerst bis zur Höhe des Reinertrages seiner Instandhaltungspflicht nachzukommen. Das geltend gemachte Feststellungsbegehren, daß die Klägerin für die Erhaltungsarbeiten nicht aufkommen müsse, solange der Reinertrag die Arbeiten nicht decke, entspreche nicht der Rechtslage, weil der Fruchtnießer zur Finanzierung der Erhaltungsarbeiten nach Maßgabe der Erträge verpflichtet sei. Aus diesem Grund und weil ein Reinertrag der Klägerin vorliege, sei das Klagebegehren abzuweisen. Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil - soweit überblickbar - zu der hier maßgebenden Rechtsfrage, ob auch der Vorteil den ein Fruchtgenußberechtigter aus der Eigenbenützung der dienstbaren Sache zieht, als Ertrag im Sinne des § 513 ABGB zu werten ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sind daher - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes und des Beklagten - zweifelsfrei gegeben. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Nach § 513 ABGB ist der Fruchtnießer verbunden, die dienstbare Sache als ein guter Haushälter in dem Stande, in welchem er sie übernommen hat, zu erhalten, und aus dem Ertrage die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen. Die Instandhaltungspflicht des Fruchtnießers ist demnach durch die Höhe des Ertrages der dienstbaren Sache begrenzt, der Fruchtnießer ist zu den Aufwendungen nur nach Maßgabe des erzielten Ertrages verpflichtet; er braucht aus eigenem hiezu nichts aufzuwenden. Reicht der Ertrag zur ordentlichen Instandhaltung nicht zu, so hat der Eigentümer die Mehrkosten zu bestreiten (Ehrenzweig2 I/2, 333 mit FN 8; Klang in Klang2 II 591; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 513; Pimmer im Praxiskommentar zum ABGB, Rz 1 zu § 513; GlUNF 352; MietSlg 20.038, 20.039; SZ 57/155). Die Frage aber, was unter dem "Ertrag" im Sinne des § 513 ABGB zu verstehen ist, wurde bisher offenbar weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre behandelt.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

Der Fruchtnießer hat das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschänkungen zu genießen (§ 509 ABGB); er hat das Recht auf den vollen Ertrag (§ 511 ABGB). Er kann daher das auf dem dienstbaren Grund befindliche Gebäude - auch wenn er nur, wie die Klägerin, Bruchteilsnutznießer ist (GlUNF 4077, EFSlg 1957/402) - selbst bewohnen, ist aber auch berechtigt, die Sache zu vermieten oder zu verpachten (Ehrenzweig aaO 328; Klang aaO 584 und 587 f; Petrasch aaO Rz 3 zu § 509;

Koziol-Weiser8 II 154 f; JBl 1987, 376 ua). Außerdem kann er sich alle Früchte der Sache aneignen (Ehrenzweig aaO; Klang aaO 588;

Petrasch aaO Rz 1 zu § 511; Koziol-Welser aaO). Ob nun der Fruchtnießer die von ihm geernteten Früchte verkauft oder selbst (mit seiner Familie) verbraucht, macht keinen Unterschied; auch im letzteren Fall hat er einen Ertrag. Bei Berechnung des reinen Ertrages im Sinne des § 512 ABGB - also des Ertrages, der nach Abzug aller nötigen Auslagen einschließlich der Kosten, ohne welche die Früchte nicht erzielt werden können, übrig bleibt - ist dann eben der Geldbetrag einzusetzen, den der Dienstbarkeitsberechtigte bei Veräußerung der Früchte erzielt hätte. Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn der Fruchtnießer das dienende Gebäude, anstatt es zu vermieten, selbst bewohnt; dann muß eben als Ertrag der erzielbare Mieterlös veranschlagt werden. Bei anderer Auffassung hinge es allein von der Entscheidung des Fruchtgenußberechtigten ab, ob es zu einem Ertrag kommt, obwohl sich das nach dem oben Gesagten im Hinblick auf § 513 ABGB auf die Verpflichtung des Eigentümers auswirkt, für Erhaltungsarbeiten aufzukommen.

Der Einwand der Klägerin, daß eine solche Auffassung rechtspolitisch bedenklich sei, weil Einfamilienhäuser betreffende Übergabsverträge in der Regel sicherstellen sollten, daß der Übergeber als Gegenleistung für die Aufgabe seines Eigentumsrechtes berechtigt ist, das übergebene Haus ohne Zahlung eines Benützungsentgeltes zu bewohnen, schlägt nicht durch. § 513 ABGB enthält dispositives Recht (SZ 43/83; MietSlg 20.038 ua; Petrasch aaO Rz 1 zu § 513); den Parteien steht es daher frei, im Hinblick auf den wirtschaftlichen Zweck des Fruchtgenußrechtes im Einzelfall eine von § 513 ABGB abweichende Regelung zu treffen. Im vorliegenden Fall war aber - nach den getroffenen Feststellungen - der übereinstimmende Parteiwille darauf gerichtet, das Fruchtgenußrecht im Sinne der Bestimmungen des ABGB zu regeln. Der Annahme, daß nach dem (übereinstimmenden) Willen der Parteien die Klägerin keinesfalls für Erhaltungsarbeiten zu zahlen hätte, steht auch die Feststellung entgegen, daß der Beklagte von Anfang an erklärt hatte, er könne keinerlei finanzielle Lasten übernehmen.

Die Klägerin hat sohin durch die jahrelange Benützung der im Haus Spaunstraße 17 gelegenen Wohnung einen geldwerten Ertrag in der Höhe der Beträge erzielt, die sie bei einer Vermietung hätte erlangen können. Darauf, unter welche Ausstattungskategorie im Sinne des § 16 MRG die Wohnung fällt, kommt es hier nicht an, hätte doch ein Mieter in jedem Fall neben dem in § 16 MRG festgelegten Hauptmietzins (§ 15 Abs 1 Z 1 MRG) - ua - noch den auf den Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten und den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben (§ 15 Abs 1 Z 2 MRG) zu zahlen. Die vom Berufungsgericht auf Grund des Kontoauszuges Beilage ./. 2 festgestellten, zunächst vom Beklagten ausgelegten, letztlich aber (durch Gegenverrechnung) von der Klägerin getragenen Auslagen fallen aber durchwegs unter § 15 Abs 1 Z 2 MRG (Wasser- und Kanalgebühren, Grundsteuer, Müllabfuhr udgl.) Da auch ein Mieter diese Beträge neben dem Hauptmietzins zu ersetzen hätte, hat sie das Gericht zweiter Instanz zu Unrecht von dem (fiktiven) Mietzins in Abzug gebracht. Andere Aufwendungen der Klägerin, die ihren - möglichen - Mietzinsertrag aus dem Fruchtgenußrecht geschmälert hätten (§ 512 ABGB), wurden aber weder behauptet noch festgestellt. Selbst wenn man der von der Klägerin in der Revision aufgestellten Behauptung folgen wollte, daß ihre Wohnung in die Ausstattungskategorie C falle, ergäbe dies insgesamt doch einen nicht unbeträchtlichten Ertrag, auch wenn man die Möglichkeit der Erzielung eines höheren Mietzinses zwischen der Begründung des Fruchtgenusses im Jahre 1973 und dem Inkrafttreten des MRG (1. Jänner 1982) außer Betracht läßt.

Soweit die Klägerin die Feststellung anstrebt, daß sie überhaupt nicht für Erhaltungsarbeiten aufzukommen habe, da sie keinerlei Reinertrag habe, mußte sie also scheitern.

Ihr kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß ihr Feststellungsinteresse dennoch zu bejahen sei, weil der Beklagte die Verpflichtung zur Erhaltung des Hauses generell bestritten habe. Dieser Standpunkt des Beklagten ist zwar unzutreffend, weil die Parteien keine von § 513 ABGB abweichende Regelung vereinbart haben. Die Klägerin hat aber kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung (§ 228 ZPO) der Verpflichtung des Beklagten, über ihren Reinertrag hinausgehende Kosten für Erhaltungsarbeiten zu tragen. Das Bedürfnis eines Klägers nach Klarstellung muß entweder schon in der Gegenwart oder für einen bereits absehbaren und konkreten Anlaß in näherer Zukunft bestehen (Fasching III 73 Anm. 28 zu § 228). Die Klägerin hat zum Anlaß ihrer Klage den Streit um Reparaturkosten in der Höhe von rund 2.000 S genommen. Daß Erhaltungsarbeiten in der nächsten Zeit in einem solchen Ausmaß notwendig würden, daß sie auch durch den Ertrag, den die Klägerin durch die Benützung der Wohnung erzielt hat, nicht gedeckt wären, hat sie nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen. Das Einsetzen der wenigen fehlenden Dachziegel und eines Dachbodenfensters sowie das Befestigen der heruntergefallenen Dachrinne kann keine besonders hohen Kosten verursachen; daß die Erneuerung des teilweise abbröckelnden Verputzes in naher Zukunft notwendig wäre, steht nicht fest. Vor allem aber fehlen alle Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte - nach dessen Meinung sich das Haus in tadellosem Zustand befindet (S. 26) - die Absicht hätte, demnächst von der Beklagten die Durchführung bestimmter aufwendiger Erhaltungsarbeiten zu verlangen (vgl. Welser, Zur Erhaltungspflicht des Fruchtnießers nach § 513 ABGB und ihre Sanktionierung, NZ 1982, 145 ff). Die Klägerin hat auch nicht behauptet, daß sie in absehbarer Zeit vom Beklagten solche Arbeiten verlangen werde; die Frage, ob sie als Fruchtnießerin dazu überhaupt berechtigt wäre (vgl. GlUNF 352; JBl 1961, 321; Ehrenzweig aaO 333 FN 8), ist hier nicht zu untersuchen.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E16354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00506.89.0110.000

Dokumentnummer

JJT_19890110_OGH0002_0040OB00506_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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