TE OGH 1989/1/10 2Ob603/88

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Veröffentlicht am 10.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Paul Meyer, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagten Parteien 1) M*****, vertreten durch Dr. Gert Paulsen und Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, und 2) I*****, vertreten durch Dr. Josef Pollan, Rechtsanwalt in Villach, wegen Herausgabe (Streitwert S 660.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27. Juli 1988, GZ 3 R 129/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13. April 1988, GZ 23 Cg 16/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.030,35, keine Barauslagen) und der zweitbeklagten Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.035,35, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am ***** geborene I***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Rosegg vom 18.3.1977, L 18/76-43, wegen Geisteskrankheit gemäß § 1 Abs 2 EntmO beschränkt entmündigt. Diese Entscheidung wurde ihm am 22.3.1977 zugestellt. Ein von ihm gegen diese Entscheidung erhobener Rekurs blieb erfolglos. Am 4.4.1977 verfasste er ein eigenhändiges schriftliches Testament, mit dem er den Kläger zum Universalerben einsetzte und den beiden Beklagten Geldbeträge vermachte. I***** verstarb am *****1980. Sein Nachlass, zu dem unter anderem die Liegenschaft EZ ***** KG ***** gehörte, wurde mit rechtskräftiger Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Villach vom 21.8.1980, A 265/80-15, den beiden Beklagten und der Mutter des Klägers, die auf Grund des Gesetzes unbedingte Erbserklärungen abgegeben hatten, zu je einem Drittel eingeantwortet.

Im vorliegenden Rechtsstreit stellte der Kläger das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihm den ihnen jeweils zu einem Drittel eingeantworteten Nachlass des I***** herauszugeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers ob ihren je 1/3-Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** einzuwilligen. Der Kläger stützte dieses Begehren im Wesentlichen darauf, dass er im Oktober 1987 das eigenhändige schriftliche Testament seines Onkels I***** vom 4.4.1977 aufgefunden habe. I***** sei zur Zeit der Errichtung dieses Testamentes weder geisteskrank noch geistesschwach gewesen, sondern habe sich im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befunden; zumindest habe er das Testament in einem lichten Augenblick verfasst. Die Mutter des Klägers habe dessen alleiniges Erbrecht bereits anerkannt.

Die Beklagten wendeten unter anderem ein, dass die letztwillige Anordnung des I***** vom 4.4.1977 nicht der im § 4 Abs 2 EntmO aufgestellten Formvorschrift entspreche und daher ungültig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im Wesentlichen den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich dahin, dass I***** am 4.4.1977 gemäß § 4 Abs 2 EntmO wirksam nur mündlich vor Gericht testieren hätte können und dass daher sein an diesem Tag errichtetes schriftliches eigenhändiges Testament formungültig sei. Ob damals Gründe für die Aufhebung seiner beschränkten Entmündigung vorgelegen seien, sei ebensowenig zu prüfen wie die Behauptung, dass er dieses schriftliche Testament in einem lichten Augenblick verfasst habe. Die Erbschaftsklage des Klägers sei daher abzuweisen. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstand, über den es entschieden hat, hinsichtlich beider Beklagter je S 60.000,--, nicht aber je S 300.000,-- übersteigt und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im Wesentlichen aus, gemäß § 4 Abs 2 EntmO habe ein wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche beschränkt Entmündigter nur mündlich vor Gericht testieren können. Diese Formvorschrift sei an den Formaltatbestand der Entmündigung gebunden und vom wirklichen Geisteszustand des Entmündigten unabhängig. Die Frage, ob die beschränkte Entmündigung zu Recht erfolgt sei oder ob der beschränkt Entmündigte in einem lichten Moment ein Testament errichtet habe, sei daher nicht zu prüfen. Die Verschärfung einer Formvorschrift bedeute keine Beschränkung der persönlichen Freiheit an sich. Die Testierfähigkeit werde mit dem 14. Lebensjahr erworben. Die Vollendung des 18. Lebensjahres und die Frage nach der beschränkten Entmündigung habe nicht für die Testierfähigkeit an sich, sondern nur für die Formvorschrift Bedeutung. Das Berufungsgericht schließe sich dieser vom Erstgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretenen Ansicht an; es teile nicht die Ansicht eines Teiles der Lehre, wonach in lichten Augenblicken des Entmündigten oder nach Wiederherstellung seiner Gesundheit die Formvorschrift des § 4 Abs 2 EntmO entfalle.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, dass zu der hier zu entscheidenden Frage die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht genügend ausgeformt erscheine.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Aber auch der Rechtsrüge des Klägers kommt keine Berechtigung zu. Bei Lösung der Frage, ob im zeitlichen Geltungsbereich der Entmündigungsordnung der beschränkt Entmündigte sich im Fall seiner Heilung oder eines lichten Augenblicks vor Aufhebung der beschränkten Entmündigung wirksam jeder Testierform bedienen oder im Sinne des § 4 Abs 2 EntmO wirksam nur mündlich vor Gericht testieren konnte, gingen Lehre und Rechtsprechung auseinander. Während ein Teil der Lehre die Ansicht vertrat, auch der beschränkt Entmündigte könne im Fall eines lichten Zwischenraums oder nach Wiederherstellung seiner Gesundheit in jeder Form testieren (siehe dazu die ausführlichen Darstellungen in SZ 58/70 und NotZ 1988, 103), ging die Rechtsprechung seit der in SZ 25/26 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes mit Billigung eines Teils der Lehre ständig dahin, dass die Formvorschrift des § 4 Abs 2 EntmO bis zur Aufhebung der Entmündigung zu gelten habe (SZ 25/26; SZ 29/13; SZ 52/11, NotZ 1988, 103 ua). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die im Gesetz für letztwillige Anordnungen aufgestellten Formvorschriften zwingend sind. Wurde die vorgeschriebene Form nicht gewahrt, so ist die letztwillige Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erwiesenen Willen ungültig. Maßgebend sind dabei die Formgebote zur Zeit der Errichtung des letzten Willens (so zuletzt NotZ 1988, 103). Daran hält der erkennende Senat auch im vorliegenden Fall fest. Der in SZ 58/70 (= JBl 1986, 311) veröffentlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, auf die sich der Kläger in seiner Revision beruft, ist entgegen der von ihm vertretenen Meinung nichts anderes zu entnehmen. In dieser Entscheidung hatte sich nämlich der Oberste Gerichtshof nur mit der Frage zu befassen, ob das eigenhändige Testament eines voll Entmündigten gültig war, wenn dieser in einem lichten Zwischenraum testiert hatte. Der Oberste Gerichtshof beantwortete diese Frage dahin, dass eine Beschränkung der Testamentsform nach § 4 Abs 2 EntmO nur für Personen bestand, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche beschränkt entmündigt waren, und folgte der Ansicht, dass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch der ausnahmsweise testierfähige voll Entmündigte sich nur der im § 4 Abs 2 EntmO vorgeschriebenen Form bedienen könne, nicht. Dass aber im zeitlichen Geltungsbereich der Entmündigungsordnung ein beschränkt Entmündigter trotz der im § 4 Abs 2 EntmO aufgestellten Formvorschrift im Fall seiner Heilung oder eines lichten Augenblicks vor Aufhebung der beschränkten Entmündigung sich wirksam auch anderer Testierformen bedienen hätte können, wurde in dieser Entscheidung keinesfalls ausgesprochen. Die Vorinstanzen haben vielmehr diese hier entscheidende Rechtsfrage im Sinne der darstellten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen die Revisionsausführungen keinen Anlass bieten, richtig gelöst.

Der Revision des Klägers muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E16157

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00603.88.0110.000

Im RIS seit

01.01.1995

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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