TE OGH 1989/1/12 6Ob744/88

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Veröffentlicht am 12.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Erlagssache der Antragstellerin A***-Betriebsgesellschaft m.b.H. & Co. Kommanditgesellschaft, Trofaiach, Montanstraße 41, vertreten durch Dr.Franz und Dr.Gertrud Wiesner, Rechtsanwälte in Graz, wider die Antragsgegnerin M*** V***, wegen gerichtlicher

Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 9.November 1988, GZ 3 R 277/88-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 27.Mai 1988, GZ 18 Nc 304/88-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und der angefochtene Beschluß derart abgeändert, daß der Erlagsantrag abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin betreibt im Bundesland Steiermark an verschiedenen Orten Spielautomaten. Sie ist damit als Unternehmerin im Sinne des Lustbarkeitsabgabegesetzes (Stmk LGBl Nr.37/1950 idF der Novelle 1986, LGBl Nr.34) abgabepflichtig. Die Abgabepflicht unterliegt den Regelungen der steiermärkischen Landesabgabenordnung (LGBl Nr.158/1963 idF der Gesetze LGBl Nr.63/1965, Nr.112/1967, Nr.34/1983 und Nr.11/1986). Nach den Antragsbehauptungen habe die als Erlagsgegnerin bezeichnete Gemeinde die von der Antragstellerin geschuldeten Abgaben in einem überhöhten Betrag festgesetzt. Die Antragstellerin habe deswegen Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof anhängig gemacht. Die Antragsgegnerin habe als Abgabenbehörde das Anbot der Antragstellerin abgelehnt, auf die ihr vorgeschriebenen Beträge an Lustbarkeitsabgaben Sparbücher zu erlegen, "wobei die Erlagsgegnerin die Verfügungsmacht über diese Sparbücher erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges, und zwar einschließlich Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof erhält". Die Antragstellerin begehrte die Annahme eines Sparbuches einer inländischen Kreditunternehmung zum gerichtlichen Erlag, "um weitere Exekutionsführungen gegen uns, als auch gegen die Gastwirte, die die Aufstellungsplätze zur Verfügung stellen, vermeiden zu können und zum anderen, um vermeiden zu können, daß für uns Säumnisfolgen verschiedenster Art Platz greifen können". Dazu vertrat die Antragstellerin die Ansicht, daß sie "mit schuldbefreiender Wirkung lediglich die vorerwähnten Beträge nur bei Gericht hinterlegen" könnte. Sie beantragte daher, den Erlag des Sparbuches auf ihre Abgabenverpflichtung zugunsten der abgabenberechtigten Gemeinde unter folgenden Bedingung der Ausfolgung anzunehmen:

"Die Erlagsgegner sind berechtigt, über diese Erlagssumme ohne Zinsen nach Entscheidung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes, als auch des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerden an diese Höchstgerichte, und zwar nach Maßgabe des Ausganges dieser Verfahren zu verfügen. Falls durch ein Höchstgericht unsere Meinung geteilt wird, wonach nämlich unter allen Umständen das einzelne Spiel unter Berücksichtigung des Standortes zu prüfen ist, um einen angemessenen Betrag vorschreiben zu können, so ist vor Ausfolgung des Erlagsbetrages ohne Zinsen an die Erlagsgegner die Rechtskraft der von der zuständigen Behörde nach Vornahme der vorgeschriebenen Bewertungsmaßnahmen zu erlassenden Bescheide abzuwarten."

Das Erstgericht erklärte, das Sparbuch mit einer Einlage von 84.000 S wegen ungeklärter Rechtslage unter folgenden Ausfolgungsbedingungen zum gerichtlichen Erlag anzunehmen:

"Der Erlagsgegner ist berechtigt, über diese Erlagssumme nach Entscheidung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerden an diese Höchstgerichte, und zwar nach Maßgabe des Ausganges dieses Verfahrens zu verfügen. Falls durch ein Höchstgericht die Meinung des Erlegers geteilt wird, wonach nämlich unter allen Umständen das einzelne Spiel unter Berücksichtigung des Standortes zu prüfen ist, um einen angemessenen Betrag vorschreiben zu können, so ist vor Ausfolgung des Erlagsbetrages an die Erlagsgegner die Rechtskraft der von der zuständigen Behörde nach Vornahme der vorgeschriebenen Bewertungsmaßnahmen zu erlassenden Bescheide abzuwarten."

Dazu sprach das Erstgericht in einem zweiten Punkt seiner Entscheidung ausdrücklich aus, daß "die vom Erleger gestellte Bedingung, daß der Erlagsgegner nach der unter Punkt 1.) gestellten Erfüllung der Bedingungen über die Erlagssumme ohne Zinsen verfügungsberechtigt wird," abgewiesen werde.

Die Antragstellerin erhob gegen diesen Beschluß Rekurs mit dem Abänderungsantrag auf Annahme des Sparbuches zu gerichtlichem Erlag zu den im Antrag umschriebenen Ausfolgungsbedingungen (Aufhebung des Punktes 2 und Einfügung der Worte "ohne Zinsen" im Punkt 1 entsprechend dem Erlagsantrag).

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Die Antragstellerin ficht diese bestätigende Rekursentscheidung mit einem auf Annahme des Erlages zu den im Antrag umschriebenen Ausfolgungsbedingungen und der Bezeichnung des Anfechtungsgrundes als "Revisionsgrund gemäß § 503 Abs 1 Z 4 ZPO" unter Geltendmachung einer akten- und tatsachenwidrigen Unterstellung der Antragsbehauptungen durch das Rekursgericht an.

Rechtliche Beurteilung

Zum Anfechtungsumfang ist dabei vorweg festzuhalten:

Der Erleger kann die Ausfolgung der dem Erlagsgegner als Erfüllung einer Schuld angetragenen Leistung durch das Gericht von Voraussetzungen abhängig machen, soweit diese nicht durch ihren Inhalt oder ihre Verknüpfung mit der Leistung gegen die Rechtsordnung verstoßen. Die Annahme eines Gegenstandes zum gerichtlichen Erlag unter Abänderung der vom Antragsteller umschriebenen Ausfolgungsbedingungen ist keine Stattgebung des Erlagsantrages, sondern die Bewilligung eines wesensmäßig anderen Erlages, weil es den Erleger unter Voraussetzungen an einen Besitzwechsel in Ansehung der Erlagssache bindet, die er nach seinem Antrag nicht als hinreichend verstanden wissen wollte. Bewilligt das Gericht die Annahme eines Gegenstandes zur gerichtlichen Hinterlegung unter Umschreibung der Voraussetzungen für die Ausfolgung des Gegenstandes an den Erlagsgegner, die vom Erlagsantrag abweichen, und ficht der Antragsteller deshalb den Annahmebeschluß an, ist dieser wegen der wesensmäßigen Veränderung des Erlages bei Abweichung von den durch den Antragsteller umschriebenen Ausfolgungsvoraussetzungen (aliud nicht minus) zur Gänze angefochten. Eine Teilrechtskraft des Annahmebeschlusses ist wegen dieser notwendigen Einheit des Anfechtungsgegenstandes nicht anzunehmen.

Der angefochtene Beschluß ist eine im Verfahren außer Streitsachen ergangene bestätigende Rekursentscheidung. Gegen diese findet nach der Regel des § 16 Abs 1 AußStrG "nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität" der weitere Rechtszug an den Obersten Gerichtshof statt. Die Ausführung eines nach der zitierten Gesetzesstelle beachtlichen Anfechtungsgrundes wird in der nunmehr gefestigten Rechtsprechung als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels behandelt.

Der Sache nach hat die Rechtsmittelwerberin mit ihrem Erlagsantrag einen Teil der erlegten Sache, nämlich die von der Spareinlage abreifenden Zinsen, als Leistungs- und damit Ausfolgungsgegenstand ausgenommen. Die Vorinstanzen haben sich entgegen diesem unmißverständlich zum Ausdruck gebrachten Willen der Antragstellerin über die von ihr gesetzte Einschränkung hinweggesetzt. Darin liegt auch nach den Rechtsmittelausführungen die geltend gemachte Beschwer der Antragstellerin.

Auch wenn in der Fällung einer Entscheidung, die vom gestellten Antrag wesensmäßig abweicht, diesem gegenüber also etwas anderes, ein aliud, darstellt, verfahrensrechtlich kein nichtigkeitsbegründender Verstoß gesehen wird, ist doch die beschlußmäßige Bindung des Antragstellers im Erlagsverfahren an eine von ihm einseitig nicht mehr abänderbare Voraussetzung der Ausfolgung des Erlagsgegenstandes an den Erlagsgegner, wenn er diese Ausfolgungsbedingung nicht gesetzt oder als hinreichend erklärt hat, ein in keiner materiellrechtlichen Regelung gedeckter Vorgang, so daß in einem derartigen Annahmebeschluß eine offenbare Gesetzwidrigkeit erkannt werden muß.

Die Rechtsmittelwerberin hat also einen nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrund schlüssig ausgeführt. Das Vorliegen dieses Anfechtungsgrundes zwingt aber zur Prüfung der Erlagsvoraussetzungen schlechthin.

Das Vorliegen der Voraussetzungen zur gerichtlichen Hinterlegung nach § 1425 ABGB ist aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

Nach der systematischen Einordnung im Gesetz und nach dem letzten Satz des § 1425 ABGB ist der Zweck einer gerichtlichen Hinterlegung des Leistungsgegenstandes die Schuldtilgung. Wo eine solche nach der Art des gewählten Vorganges kraft Gesetzes nicht eintreten kann, ist auch eine gerichtliche Hinterlegung wegen Zwecklosigkeit unzulässig.

Auf Abgabenforderungen, die nur durch ihre Entrichtung im Sinne der abgabengesetzlichen Vorschriften getilgt werden können und nicht auch durch gerichtliche Hinterlegung eines der Abgabenschuld entsprechenden Geldbetrages, sind keine Erläge zu Gericht anzunehmen. Der Erlag auf eine Abgabenschuld ist kein Erlag "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes", wie das in der Zuständigkeitsregelung des Art XVIII EGJN formuliert ist, und nach den anzuwendenden Vorschriften der steiermärkischen Landesabgabenordnung keine gesetzlich vorgesehene Form der Tilgung einer Abgabenschuld.

Der Antrag war aus diesen Erwägungen zur Gänze abzuweisen.

Anmerkung

E16253

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00744.88.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19890112_OGH0002_0060OB00744_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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