TE OGH 1989/1/18 14Os188/88

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Veröffentlicht am 18.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Jänner 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Burianek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt P*** und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Kurt P***, Helmut K*** und Martina F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.September 1988, GZ 6 d Vr 12113/87-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.Jänner 1961 geborene Kurt P***, der am 19.August 1962 geborene Helmut K*** und die am 11.Juli 1966 geborene Martina F*** des "Vergehens des schweren" (richtig des Verbrechens des) gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (vgl. US 3, 8) schuldig erkannt.

Darnach haben sie in der Zeit von Dezember 1984 bis März 1985 in Wien "in wiederholten Angriffen in Gesellschaft als Beteiligte gewerbsmäßig" fremde bewegliche Sachen in einem nicht mehr feststellbaren, "5.000 S aber jedenfalls übersteigenden" (gemeint: 25.000 S nicht übersteigenden - siehe US 8) Wert, nämlich Lederbekleidung, wie Lederjacken, Lederhosen und Lederröcke, Verfügungsberechtigten verschiedener "K***", der Firma F*** und weiterer nicht mehr feststellbarer "Geschäfte" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die drei Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Angeklagten P*** auf die Z 3, 5, 5 a und 10, vom Angeklagten K*** auf die Z 5, 5 a und 9 lit a und von der Angeklagten F*** auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

Nicht zielführend ist zunächst der vom Angeklagten P*** erhobene Beschwerdeeinwand zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 3), die in § 221 Abs 1 StPO normierte - hier

dreitägige - Vorbereitungsfrist für die "Verteidigung eines Beschuldigten" sei deshalb verletzt, weil der in der Hauptverhandlung am 13.September 1988 als Verteidiger einschreitende Rechtsanwalt Dr. R*** vom Angeklagten zufolge Ausbleibens ("aus einem Versehen" - S 292) des bestellten Verteidigers Dr. N*** erst unmittelbar vor Verhandlungsbeginn mündlich bevollmächtigt worden sei.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß die in Rede stehende Vorbereitungsfrist nur dem Angeklagten selbst, nicht aber auch anderen Prozeßbeteiligten, wie etwa dem Verteidiger oder dem Ankläger eingeräumt wird (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 RN 8, 9, 35 zu § 221). Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte - in Kenntnis des Ausbleibens seines Verfahrenshilfeverteidigers - den eingangs genannten Rechtsanwalt zu Beginn der Hauptverhandlung mit seiner Verteidigung betraut hat (S 259), kann entgegen dem Beschwerdevorbringen auch von einem Verstoß gegen die prozessuale Belehrungspflicht (§ 3 StPO) keine Rede sein. Daß aber die dreitägige Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 1 StPO gegenüber dem Angeklagten P*** selbst nicht gewahrt worden wäre (Z 3), wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Der Mangel einer zur Vorbereitung der Hauptverhandlung ausreichenden Frist für den Verteidiger hingegen vermag nur im Fall der Ablehnung eines deshalb in der Hauptverhandlung gestellten Vertagungsantrages eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO zu begründen; ein solcher Vertagungsantrag wurde indes vorliegend nicht gestellt. Gleiches gilt für das in diesem Zusammenhang der Sache nach abermals aus dem zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 4) gerügte Unterbleiben der Vernehmung des Gruppeninspektors der Bundespolizeidirektion St. Pölten N. H***, welcher am 26. März 1986 die Einvernahme des Angeklagten P*** durchgeführt hat (S 133, 135). Da auch insoweit bei der Hauptverhandlung kein darauf abzielender Antrag, über den das Schöffengericht durch ein Zwischenerkenntnis abzusprechen gehabt hätte, vorlag und dem Gericht daher in Wahrheit (bloß) die Unterlassung einer amtswegigen Beweisaufnahme vorgeworfen wird, gelangt der sachlich angerufene Nichtigkeitsgrund (Z 4) nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 1 ff zu § 281 Z 4).

Entgegen den Ausführungen in der Mängelrüge der Angeklagten P*** und F*** konnte das Schöffengericht aus den für glaubwürdig erachteten Polizeiangaben der Zeugin Elfriede W*** (vgl. S 87 ff) im Zusammenhalt mit dem Geständnis des Angeklagten P*** vor der Polizei (S 133 f) sowohl die mehrfache Tatverübung durch die drei Angeklagten (als Mittäter) als auch die gewerbsmäßige Begehung der Diebstähle ableiten (US 6, 7). Es kann daher in diesem Zusammenhang weder von einer undeutlichen noch von einer offenbar unzureichenden Begründung die Rede sein (wobei die Beschwerdeführer zudem übersehen, daß bei Annahme der Absicht - wie hier -, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die keineswegs die einzige Erwerbsquelle des Täters sein muß, für die in Rede stehende Qualifikation auch schon eine einzige Tat genügen kann).

Mit den bezüglichen Ausführungen der Mängelrüge unternehmen die Beschwerdeführer - ohne formale Begründungsmängel aufzeigen zu können, wie sie zur Herstellung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO erforderlich wären - ausschließlich einen - nach wie vor - unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch, die gemäß § 258 Abs 2 StPO auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse erfolgte freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes mit dem Ziel zu bekämpfen, den von den Tatrichtern abgelehnten Verfahrensergebnissen, insbesondere der nach Widerruf seines Geständnisses nachfolgenden leugnenden Verantwortung des Angeklagten P*** wie auch der in der Hauptverhandlung geänderten Aussage der Zeugin Elfriede W*** doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei übersehen die Beschwerdeführer, daß die Beweiswürdigung zwar unter Berücksichtigung aller wesentlichen Beweistatsachen und entsprechend den Denkgesetzen vorzunehmen sowie (einleuchtend) zu begründen ist; es ist jedoch keineswegs notwendig, im Urteil alle Details aus den Verfahrensergebnissen zu erörtern, die isoliert betrachtet unter Umständen zugunsten eines Angeklagten ausgelegt werden könnten. Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO genügt es vielmehr, im Urteil in "gedrängter Darstellung" anzugeben, welche entscheidenden Tatsachen aus welchen (denkrichtigen) Gründen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden.

Dieser Verpflichtung hat das Erstgericht im vorliegenden Fall durchaus entsprochen. Die festgestellten (wiederholten) Diebstähle sind insbesondere durch die (bereits angeführten) im Urteil verwerteten Verfahrensergebnisse vollkommen gedeckt. Daß aber der Angeklagte P*** mit der Angeklagten F*** in der Zeit von Dezember 1984 bis Jänner 1985 ein Verhältnis unterhalten hat und hierauf ab März 1985 eine derartige Beziehung zwischen dem Angeklagten K*** und F*** bestand, hat das Schöffengericht ohnedies ausdrücklich in den Kreis seiner Erwägungen miteinbezogen (US 6).

Das von allen drei Angeklagten unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit gerügte Unterbleiben einer Erörterung der in den vom Schuldspruch erfaßten Tatzeitraum fallenden Haftzeiten des Angeklagten K***, die von dessen Verteidiger in der Hauptverhandlung mit bis 18.Dezember 1984 und vom 12.Jänner bis 24. Feber 1985 angegebenen wurden (S 243), betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache. Denn abgesehen davon, daß das Urteil den Tag (14.Dezember 1984) der bedingten Entlassung des Angeklagten K*** aus der Strafhaft ohnedies enthält (vgl. US 6), steht die in der Hauptverhandlung ins Treffen geführte (weitere) Haftzeit - die im übrigen nach den vom Vorsitzenden allerdings erst nach der Urteilsverkündung veranlaßten (und demzufolge hier nicht verwertbaren) Erhebungen vom 12.Feber bis 1.März 1985 dauerte (ON 49) - der wiederholten Begehung von Diebstählen innerhalb des in Rede stehenden Gesamtzeitraumes keinesfalls entgegen. Aber auch den Tatsachenrügen (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus der Verantwortung der drei Angeklagten in der Hauptverhandlung für den Obersten Gerichtshof - nach eingehender Prüfung der vorgebrachten Einwände und des (sonstigen) Akteninhalts - keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen, daß die Angeklagten P***, K*** und - auch die am 28.Jänner 1987 zum AZ 1 d Vr 14508/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen (gleichartig begangenen) Diebstahls (von Bekleidungsgegenständen) verurteilte (US 6) Angeklagte - F*** im bewußten und gewollten Zusammenwirken, getragen von der im § 70 StGB normierten Absicht, Diebstähle in den im Spruch genannten Geschäftslokalen wiederholt verübt haben. Das in weitwendigen Ausführungen vorgebrachte Bestreben der drei Beschwerdeführer aus den Beweisergebnissen andere, für sie günstigere Schlüsse zu ziehen, als dies das Erstgericht im Weg der Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) getan hat, muß daher versagen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) des Angeklagten K*** macht nicht, wie er vermeint, Feststellungsmängel (in Ansehung seiner bereits erörterten Haftzeiten) geltend, sondern behauptet Begründungsmängel. Als Feststellungsmängel sind nämlich lediglich solche Lücken der tatsächlichen Feststellungen anzusehen, die eine Gesetzesanwendung hindern (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 50 und 85 zu § 281 Z 5). Die gerügte Unterlassung der Feststellung der in Rede stehenden Haftzeit betrifft daher keinen für die rechtliche Beurteilung der Tat relevanten Umstand, sondern allein die Frage des Erweises der Täterschaft des Angeklagten. Damit wird in Wahrheit ein Begründungsmangel (Z 5) behauptet, der indes, wie bereits dargetan, gleichfalls nicht vorliegt.

Ebensowenig gesetzmäßig ausgeführt ist die Subsumtionsrüge (Z 10) der Angeklagten P*** und F***, welche bezüglich der vom Erstgericht angenommenen (Qualifikation der) gewerbsmäßigen Tatbegehung Feststellungsmängel insbesondere auch in subjektiver Beziehung behaupten. Denn die genannten Beschwerdeführer setzen sich dabei über die dem Urteil eindeutig zu entnehmende Konstatierung hinweg, wonach es allen drei Angeklagten bei ihrer deliktischen Handlungsweise darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Diebstähle von Bekleidungsgegenständen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und sie demnach mit der vom Gesetz geforderten Absicht gehandelt haben (vgl. US 3, 6, 8). Der geltend gemachte Subsumtionsirrtum wird sohin nicht - so wie dies die Prozeßordnung erfordert - aus einem Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten materiellen Strafrecht abzuleiten gesucht.

Daß die Tat im Urteilsspruch - ersichtlich versehentlich, weil in den Gründen ausdrücklich von einem 25.000 S nicht übersteigenden Schadensbetrag die Rede ist (vgl. US 8) und im Spruch auch § 128 StGB (nF) nicht angeführt wird - als "schwerer" Diebstahl bezeichnet wird, vermag der Beschwerde der Angeklagten F*** zuwider (auch unter der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang relevierten Z 10 des § 281 Abs 1 StPO) keine Nichtigkeit des Urteils zu bewirken, weil der unrichtigen Benennung der Tat keinerlei rechtliche Konsequenz zukommt (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 87 und 88 zu § 260). Soweit sich aber die Beschwerde der Genannten gegen die - in Wahrheit gar nicht erfolgte - Annahme (auch) der Qualifikation des Bandendiebstahls (§ 130 zweiter Fall StGB) wendet, geht sie zur Gänze von einem urteilsfremden Sachverhalt aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die übrigen Entscheidungen gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

Anmerkung

E16506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00188.88.0118.000

Dokumentnummer

JJT_19890118_OGH0002_0140OS00188_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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