TE OGH 1989/2/7 1Ob505/89

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Veröffentlicht am 07.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilhelm F***, Pensionist, Wien 8., Tigergasse 26-28, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul, Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Harald P***-N***, Kammersänger, Wien 1., Himmelpfortgasse 5, und Herzogenburg, Krental 8, vertreten durch Dr. Georg Chytka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21. September 1988, GZ 41 R 444/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. Jänner 1988, GZ 48 C 379/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger kündigte die vom Beklagten gemietete Vier-Zimmer-Wohnung in Wien 1., Himmelpfortgasse 5, nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG auf. Der Beklagte benütze die Wohnung seit Jahrzehnten nicht, er wohne ständig in Herzogenburg. Seit Jahren sei die Gaszufuhr zur Wohnung gesperrt.

Der Beklagte wendete ein, er sei, wenn er nicht aus beruflichen Gründen auswärts zu tun habe, zwei- bis dreimal wöchentlich in Wien und benütze die Wohnung. Die Gasleitung sei abgesperrt worden, weil sie undicht gewesen sei. Aus finanziellen Gründen habe er sie vorläufig noch nicht erneuert.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam. Es stellte fest, der Beklagte besitze in Herzogenburg ein Kellerhaus mit Garten. Er benütze die aufgekündigte Wohnung höchstens drei Tage wöchentlich, den Rest der Zeit, also etwa vier Tage, halte er sich in seinem Haus in Herzogenburg auf. Das Haus in Herzogenburg sei zwar winterfest, der Beklagte könnte jedoch in diesem Haus weder sein Klavier noch seine Bibliothek und sein Notenarchiv unterbringen. Das Wochenende verbringe er, wenn es nicht regne, in Herzogenburg. Die Gaszufuhr zur aufgekündigten Wohnung sei deshalb abgesperrt, weil vor etwa 20 Jahren eine undichte Stelle entstanden sei. Die Neuinstallierung der Gasleitungen werde etwa 70.000 bis 80.000 S kosten. Der Beklagte heize zwei Räume der aufgekündigten Wohnung mit Koks, zwei weitere mit Strom. In der Wohnung nehme er nur das Frühstück ein, mittags esse er auswärts. In der Wohnung sei bei der Eingangstür ein Scherengitter angebracht. Der Beklagte lasse dieses aber auch dann oft zu, wenn er sich in der aufgekündigten Wohnung aufhalte, weil er in einem Kabinett weit hinten schlafe und dann nichts hören könne. In den letzten Jahren habe der Beklagte die aufgekündigte Wohnung teilweise renoviert. In der Zeit vom 19. November 1986 bis 18. November 1987 habe der Beklagte 371 und 220 kW/h verbraucht.

Rechtlich nahm das Erstgericht an, daß der Beklagte das Bestandobjekt nicht regelmäßig verwende. Der Beklagte halte sich weniger als die Hälfte einer Woche in der aufgekündigten Wohnung auf, die aufgekündigte Wohnung sei nicht sein wirtschaftlicher Mittelpunkt. Auch ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten an der aufgekündigten Wohnung verneinte es.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes 30.000 S übersteige. Eine regelmäßige Benützung sei dann zu bejahen, wenn der Mieter die aufgekündigte Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraumes im Jahre als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt ausnütze. Der Beklagte benütze die aufgekündigte Wohnung etwa drei Tage wöchentlich und halte sich etwa vier Tage pro Woche in seinem Haus mit Garten in Herzogenburg auf. Sein Klavier, seine Bibliothek und sein Notenarchiv sowie der Großteil seiner persönlichen Sachen befänden sich in der aufgekündigten Wohnung. Eine regelmäßige Benützung der Wohnung durch den Beklagten liege daher vor, die Wohnung bilde für den Beklagten während eines beachtlichen Zeitraumes im Jahr seinen wirtschaftlichen Mittelpunkt. Die Frage des dringenden Wohnbedürfnisses sei aber nur dann zu prüfen, wenn die aufgekündigte Wohnung nicht regelmäßig benützt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Soweit in der Revision ausgeführt wird, schon auf Grund des festgestellten Sachverhaltes wäre das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen, kann dem Kläger nicht gefolgt werden. Regelmäßige Verwendung für Wohnzwecke liegt vor, wenn der Mieter die Wohnung während eines beachtlichen Zeitraumes im Jahr als Mittelpunkt seiner Lebenshaltung benützt. Solange dieser Schwerpunkt zumindest zum Teil noch in der aufgekündigten Wohnung liegt, erfüllt auch die Benützung einer weiteren Wohnung den Kündigungstatbestand nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht (MietSlg 32.393, 31.422, 30.424 ua, zuletzt 1 Ob 674/88, 1 Ob 528/88; Würth in Rummel, ABGB, Rz 32 zu § 30 MRG). Bei einer regelmäßigen Benützung der aufgekündigten Wohnung durch einen alleinstehenden Mann drei Tage in der Woche ist ein solcher Mittelpunkt seiner Lebenshaltung zu bejahen (Würth aaO). In der Revision bekämpft aber der Kläger erstmals die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, der Beklagte benütze die aufgekündigte Wohnung höchstens drei Tage wöchentlich, der Beklagte heize zwei Räume mit Strom. Begehrt werden die Feststellungen, der Beklagte benütze seine Wohnung während der kalten Jahreszeit nur sporadisch, aber nicht zu längeren Aufenthalten oder gar Übernachtungen, weil er sie nicht beheize, der Beklagte halte sich auch während der warmen Jahreszeit nicht dreimal, sondern höchstens einmal wöchentlich in der aufgekündigten Wohnung auf. Es entspricht nun ständiger Rechtsprechung, daß der in erster Instanz siegreiche Kläger im Falle einer Vollrevision die Bekämpfung der Beweiswürdigung dann noch in der Revision nachtragen kann, wenn die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen vom Berufungsgericht nicht etwa aus Anlaß der Ausführungen in der Berufungsbeantwortung ohnedies überprüft und gebilligt worden sind (SZ 59/101; SZ 55/123; SZ 55/115 uva). Das Berufungsgericht hat eine solche Überprüfung und Billigung bisher nicht vorgenommen.

Da sich auf Grund der vom Kläger gewünschten Feststellungen ergeben könnte, daß der Beklagte die aufgekündigte Wohnung nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet, ist der Revision Folge zu geben. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist aufzuheben; die Rechtssache ist an das Berufungsgericht zur Erledigung dieser Beweisrüge und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E16524

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00505.89.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19890207_OGH0002_0010OB00505_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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