TE OGH 1989/2/7 10ObS29/89

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Veröffentlicht am 07.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt Resch (Arbeitgeber) und Anton Prader (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Leopold L***, Limesstraße 58, 4060 Leonding, vertreten durch Dr. Johannes Grund, Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Oktober 1988, GZ 12 Rs 147/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20. Juni 1988, GZ 12 Cgs 35/88-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 24.November 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab. Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es stellte fest, daß der am 15.Juni 1935 geborene Kläger noch alle mittelschweren Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen ohne Arbeitspausen, die über das physiologische Ausmaß hinausgehen verrichten kann. Arbeiten mit häufigem Bücken bis zum Boden oder das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg sind ebenso wenig möglich, wie Arbeiten im Freien, bei denen der Kläger einer Unterkühlung oder Durchnässung ausgesetzt wäre. Am Arbeitsplatz sollte eine ständige, das übliche Ausmaß überschreitende Belastung der Atemwege durch Rauch-, Gas- oder Staubentwicklung vermieden werden. Da der Kläger als Kranführer keinen Berufsschutz genieße und auf eine ganze Reihe von Tätigkeiten verwiesen werden könne, die seinem Leistungskalkül entsprechen, sei er nicht invalide im Sinne des § 255 Abs. 3 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge. Feststellungen über das Berufsbild des Klägers, der in der Berufung vorbringt, bei der V***-Alpine als Kranführer beschäftigt gewesen zu sein, dieser Beruf komme etwa dem Lehrberuf eines Kraftfahrzeugmechanikers gleich, seien nicht erforderlich, weil nach ständiger Rechtsprechung der Beruf eines Kranfahrers nur eine qualifizierte Hilfsarbeitertätigkeit darstelle. Eine angelernte Tätigkeit könnte, wie beim Kranführer, nur dann angenommen werden, wenn komplizierte Mechanikerarbeiten, die dem Berufsbild eines Kraftfahrzeugmechanikers oder Schlossers entsprächen, verrichtet werden, dies sei in erster Instanz nicht behauptet worden. Die erst in der Berufung aufgestellten Behauptungen unterlägen dem Neuerungsverbot.

Rechtliche Beurteilung

Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt. Die Frage, ob eine angelernte Tätigkeit im Sinne des § 255 Abs. 2 ASVG vorliegt, ist ebenso wie jene, auf welche Berufe ein Pensionswerber verwiesen werden darf, eine Rechtsfrage. Voraussetzung für die Qualifikation als angelernter Arbeiter ist es, daß der Versicherte hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Kenntnisse den Anforderungen entspricht, die üblicherweise an Absolventen eines Lehrberufes gestellt werden. Ein angelernter Beruf muß zwar keinem gesetzlichen Lehrberuf entsprechen, es reicht jedoch nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Arbeitern ganz allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht wird. Grundlage für die Lösung der Frage bilden aber detaillierte Feststellungen über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Versicherte im einzelnen erworben hat (SSV-NF 1/48, 1/70). Mit der bloß in die rechtliche Beurteilung aufgenommene Feststellung, daß der Kläger "Kranführer" war und der Ausführung, ein "Kranführer" übe nur qualifizierte Hilfsarbeitertätigkeiten aus, wird ohne jedes Feststellungssubstrat die rechtliche Beurteilung vorweggenommen. Aus der allgemeinen Bezeichnung "Kranführer" lassen sich weder der tatsächliche Aufgabenbereich des Klägers und seine durch praktische Arbeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ableiten, noch viel weniger, ob der Kläger eine allenfalls angelernte Tätigkeit im Sinne des § 255 Abs. 2 ASVG in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag auch ausgeübt hat. Erst wenn die aufgezeigten fehlenden Feststellungen vorliegen, kann die Frage entschieden werden, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines angelernten Berufes gegeben sind. Sollte dies bejaht werden, wäre weiter zu klären, ob der Kläger seine bisherige Tätigkeit nach seiner medizinischen Leistungsfähigkeit nicht weiterhin ausüben kann oder ob es artverwandte Verweisungstätigkeiten gibt.

Die Entscheidung über den Vorbehalt der Revisionskosten beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E16947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00029.89.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19890207_OGH0002_010OBS00029_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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