TE OGH 1989/2/7 1Ob513/89

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Veröffentlicht am 07.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Rene M***, geboren am 17. Juni 1986, infolge Rekurses der B*** P*** als Amtskurator

gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 27. Dezember 1988, GZ 18 R 897/88-124, womit der Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Perg gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Perg vom 25. November 1988, GZ P 32/86-120, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung in der Sache aufgetragen.

Text

Begründung:

Nachdem der Minderjährige bereits im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe bei Pflegeeltern untergebracht worden war, ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 10. November 1987 die gerichtliche Erziehungshilfe durch Unterbringung des Kindes bei den bisherigen Pflegeeltern in Rechberg an und gewährte den Eltern des durch deren nachfolgende Eheschließung legitimierten Kindes ein Besuchsrecht. Mit Beschluß vom 25. November 1988 dehnte das Erstgericht das bisher eingeräumte Besuchsrecht dahin aus, daß es den Eltern zugestand, das Kind für die Dauer eines Monats von einem von ihnen festgesetzten Tag an wie folgt zu pflegen: Die Eltern sollten das Kind in Rechberg während der beiden ersten Wochen von 9.00 bis 19.00 Uhr und für die restliche Zeit des Monats zur Gänze auch über Nacht betreuen dürfen; tagsüber sollten die Eltern und die Pflegeeltern das Kind stundenweise noch gemeinsam betreuen. Die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der gerichtlichen Erziehungshilfe behielt das Erstgericht einer weiteren Beschlußfassung vor.

Den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Perg als Amtskurator wies das Gericht zweiter Instanz zurück. Gemäß § 21 JWG habe die Bezirksverwaltungsbehörde, sofern sie nicht Vormund sei, im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren u.a. in Fällen der gerichtlichen Erziehungshilfe die Stellung eines besonderen Kurators im Sinne des § 271 ABGB und sei als solcher dazu berufen, die Einleitung des vormundschaftlichen Verfahrens zu beantragen, wenn sie die Voraussetzungen für eine der dort genannten Maßnahmen für gegeben erachte. Diese Gesetzesstelle richte somit eine Spezialform der Kollisionskuratel ein. Der Gesetzgeber habe die Bezirksverwaltungsbehörde in diesem Verfahren nicht als Behörde, sondern als Kurator im Sinne des bürgerlichen Rechtes einrichten wollen. Ausfluß dieser besonderen Stellung sei das Antrags-, Anhörungs- und Rekursrecht. Gemäß § 34 JWG stehe der Bezirksverwaltungsbehörde u.a. gegen die Entscheidung oder Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes hinsichtlich der gerichtlichen Erziehungshilfe sowie gegen die Entscheidung über die Aufhebung der genannten Maßnahme die Rechtsmittelbefugnis zu. Das Erstgericht habe jedoch keine Entscheidung im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren über die gerichtliche Erziehungshilfe getroffen, sondern eine - wenngleich großzügige - Regelung des Besuchsrechtes im Sinne des § 148 ABGB. Nach dieser Gesetzesstelle stehe der Bezirksverwaltungsbehörde jedoch nur ein eingeschränktes Anhörungsrecht zu. Das Rekursrecht stünde ihr nur als Amtsvormund zu. Diese Stellung sei jedoch mit der Legitimierung des Kindes durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern beendet worden. Der Bezirksverwaltungsbehörde komme somit kein Rekursrecht zu; soweit sie behaupte, es handle sich bei der vom Erstgericht verfügten Maßnahme bereits um die Vorwegnahme der Übergabe des Kindes an dessen Eltern, so sei dem zu entgegnen, daß die Ausdehnung des Besuchsrechtes nach dem Inhalt des erstinstanzlichen Beschluß gerade dazu dienen soll, die Möglichkeit der Aufhebung der gerichtlichen Erziehungshilfe und der Übergabe des Kindes an seine Eltern zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Bezirkshauptmannschaft Perg als Amtskurator erhobene Rekurs gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz ist berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin beruft sich zur Dartuung ihres Rekursrechtes auf ihre Stellung als gesetzlicher Amtskurator gemäß § 21 JWG. Diese Bestimmung räumt der Bezirksverwaltungsbehörde, wenn sie - wie hier - nicht Vormund ist, im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren die Stellung eines besonderen Kurators u.a. in den Fällen der gerichtlichen Erziehungshilfe ein und beruft sie insbesondere dazu, die Einleitung des Verfahrens zu beantragen, wenn sie die Voraussetzungen für eine solche Maßnahme gegeben erachtet. § 26 JWG setzt für die Gewährung der gerichtlichen Erziehungshilfe gegen den Willen des Erziehungsberechtigten einen Antrag der Bezirksverwaltungsbehörde voraus; die amtwegige Anordnung solcher Maßnahmen durch das Gericht ist nicht vorgesehen. Gemäß § 34 Abs. 3 und 4 JWG ist u.a. die Entscheidung über die Genehmigung der gerichtlichen Erziehungshilfe auch der Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlichem Amtskurator zuzustellen, auch wenn sie nicht Vormund ist; diese ist dann auch zur Erhebung von Rechtmitteln befugt. Aus diesen Bestimmungen kann zwar nicht abgeleitet werden, daß die Bezirksverwaltungsbehörde in Vormundschafts- bzw. Pflegschaftssachen schlechthin zur Anfechtung jedweder gerichtlichen Entscheidung berechtigt ist, wenn die gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet wurde; das Rekursrecht steht ihr vielmehr nur im Rahmen des ihr als gesetzlichem Amtskurator zugewiesenen Aufgabenbereiches zu (EvBl. 1982/81 u.a.), doch darf die - auch - das Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtskurator regelnde Bestimmung des § 34 Abs. 4 JWG nicht derart eng verstanden werden, daß der Amtskurator überhaupt nur gegen die Verweigerung der Gewährung sowie gegen die Aufhebung der von ihm beantragten gerichtlichen Erziehungshilfe (§ 27 JWG) durch das Gericht rekurslegitimiert wäre. Den Gesetzesmaterialien (RV 140 BlgNR 7. GP 20) ist als Motiv für die Einrichtung der Amtskuratel zu entnehmen, daß die Bezirksverwaltungsbehörde in die Lage versetzt werden soll, dem Gericht gegenüber nicht als Behörde, sondern als Kurator im Sinne des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches aufzutreten. Aus dem Zusammenhalt der §§ 21, 26, 27 und 34 JWG ergeben sich dann im Verfahren über gerichtliche Erziehungshilfe der Aufgabenkreis des Amtskurators und damit auch die Grenzen seines Rechtsmittelrechtes:

Ihm ist bei allen Maßnahmen des Gerichtes, durch die der Zweck der gewährten Erziehungshilfe in Frage gestellt werden kann, Parteistellung und somit auch die Rekurslegitimation zuzubilligen. Das Erstgericht hat - wie es in der Begründung seines Beschlusses selbst zum Ausdruck brachte - die stufenweise, letztlich aber derart weitgehende Ausdehnung des Rechtes der Eltern auf persönlichen Verkehr mit ihrem Kind angeordnet daß dieses Recht, wie im Rekurs zutreffend hervorgehoben wird, der Übergabe des Kindes in die Pflege und Erziehung der Eltern schon nahe kommt von einer bloßen Besuchsrechtsentscheidung kann dann keine Rede mehr sein; es handelt sich vielmehr um die Vorbereitung der von den Eltern beantragten Aufhebung der gerichtlichen Erziehungshilfe. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß die in Form der Unterbringung des Kindes bei Pflegeeltern angeordnete gerichtliche Erziehungshilfe durch die Anordnung des Erstgerichtes wesentlich beeinflußt, wenn nicht gar in Frage gestellt werden kann. Dann muß aber der Bezirksverwaltungsbehörde als Amtskurator das Rekursrecht dagegen zugebilligt werden.

Da das Gericht zweiter Instanz den Rekurs des Amtskurators unzutreffend als unzulässig zurückgewiesen hat, wird es nun über diesen zu entscheiden haben.

Anmerkung

E16148

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00513.89.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19890207_OGH0002_0010OB00513_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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