TE OGH 1989/2/9 13Os12/89 (13Os13/89)

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Veröffentlicht am 09.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roland S*** wegen des Verbrechens nach §§ 127 ff. StGB. über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 27.Oktober 1988, GZ. 7 c Vr 6017/88-103, nach Anhörung der Generalprokuatur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Roland S*** werden zurückgewiesen.

Über die Berufung der Staatsanwaltschaft hat gemäß § 285 i StPO. das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Roland S*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach Verkündung des Urteils am 27.Oktober 1988 ersuchte der Angeklagte um drei Tage Bedenkzeit (S 67); eine Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung beim Gerichtshof erster Instanz ist innerhalb der gesetzlichen Frist (§§ 284 Abs. 1, 294 Abs. 1 StPO.) nicht eingelangt. Mit einer am 30.November 1988 bei Gericht eingelangten Eingabe (ON. 120) beantragte der Angeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die er damit begründete, daß er am 28.Oktober 1988 einen Schriftsatz verfaßt und Mithäftlingen zur Weiterleitung übergeben habe, diese Rechtsmittelanmeldung aber dann nicht bei Gericht eingelangt sei. Auch habe er am Abend des 28.Oktober 1988 einen Selbstmordversuch unternommen. Zugleich meldete er Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Am 5.Jänner 1989 wurde vom Verteidiger des Angeklagten eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung beim Gerichtshof erster Instanz überreicht.

Rechtliche Beurteilung

Dem Beschuldigten ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels gegen ein Urteil zu erteilen, sofern er nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten (§ 364 Abs. 1 Z. 1 StPO.).

Solche unabwendbaren Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Der Antragsteller hat nicht behauptet, daß er durch den Selbstmordversuch an der Rechtsmittelanmeldung gehindert oder daß der Gefangenhausbehörde die schriftliche Anmeldung bereits übergeben worden war und aus deren Verschulden nicht weitergeleitet wurde. Wie sich aus durchgeführten Erhebungen ergibt, wurde Roland S*** am 28. Oktober 1988 um 22 Uhr nach Selbstbeschädigung in die Erste Chirurgische Universitätsklinik zur ambulanten Versorgung seiner Verletzung ausgeführt, bereits um 23.40 Uhr wieder an das Gefangenhaus rücküberstellt und dort am darauffolgenden Tag in der Krankenabteilung des Gefangenenhauses aufgenommen (Auskunft des Gefangenenhauses an die Generalprokuratur). Damit hatte der Antragsteller aber bis zum 31.Oktober 1988 als dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist Gelegenheit, sich von der Krankenabteilung des Gefangenenhauses aus um die ordnungsgemäße Weiterleitung der seinen Mithäftlingen übergebenen Rechtsmittelanmeldung zu kümmern und allenfalls eine neuerliche Anmeldung vorzunehmen. Weil er aber die Weiterleitung den anderen Häftlingen überließ, ohne sich innerhalb der noch drei Tage lang offenen Frist zur Anmeldung der Rechtsmittel von der ordnungsgemäßen Weitergabe an die Gefangenhausleitung zu überzeugen bzw. die Anmeldung zu wiederholen, ist nach Lage des Falles kein unabwendbarer Umstand i.S. des § 364 Abs. 1 Z. 1 StPO. - der bei Berücksichtigung der gewöhnlichen Abläufe der Dinge normalerweise nicht in den Bereich der Möglichkeiten einbezogen werden und dem man, auch bei Anwendung erhöhter Vorsicht in seinen Handlungen, nicht entgehen kann (vgl. Foregger-Serini, StPO.3, § 364 Erl. VI) - gegeben.

Damit waren aber die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. und die Berufung des Angeklagten S*** von dem für die Entscheidung über beide Rechtsmittel zuständigen Obersten Gerichtshof (§§ 285 Abs. 2, 296 Abs. 1 StPO.) als zu spät angemeldet (§§ 285 a Z. 1, 294 Abs. 4 StPO.) zurückzuweisen (bzgl. Berufung siehe 13 Os 46/88, 15 Os 60,61/88).

Die Staatsanwaltschaft hat rechtzeitig Berufung betreffend den Angeklagten S*** angemeldet (II. Band ON. 111 S. 109) und rechtzeitig ausgeführt (II. Band ON. 123 S. 145). Die Verhandlung und Entscheidung über dieses Rechtsmittel fallen gemäß § 285 i StPO. in die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz.

Anmerkung

E16499

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00012.89.0209.000

Dokumentnummer

JJT_19890209_OGH0002_0130OS00012_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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