TE OGH 1989/2/21 11Os5/89 (11Os6/89)

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Veröffentlicht am 21.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Telfser als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut R*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß es der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien unterließ, den Verurteilten im Sinn des § 268 Abs. 2, zweiter Satz, StPO zu belehren, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Soyer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Durch das Vorgehen des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafachen Wien im Verfahren AZ 3 e E Vr 823/88, der es unterließ, den Verurteilten Helmut R*** über die Möglichkeit eines Widerrufes des von ihm ohne Beisein eines Verteidigers erklärten Rechtsmittelverzichtes zu belehren, wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 268 Abs. 2, zweiter Satz, StPO nF verletzt. Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10.August 1988, AZ 25 Bs 395/88 (ON 19 des zitierten Vr-Aktes), mit dem der Wiedereinsetzungsantrag und die nachgeholte Rechtsmittelanmeldung des Verurteilten Helmut R*** zurückgewiesen wurden, wird aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Wien die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten (auf das Datum der Vollmachtserteilung gestützten) Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit einem in gekürzter Form gemäß den §§ 458 Abs. 3, 488 Z 7 StPO beurkundeten Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.März 1988, GZ 3 e E Vr 823/88-8, wurde der am 27.Dezember 1959 geborene Kraftfahrzeugmechaniker Helmut R***, ein österreichischer Staatsbürger, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, begangen am 13.August 1987 in Griechenland an dem österreichischen Staatsbürger Matthias H***, schuldig erkannt. Er wurde hiefür zu einer gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Zur Hauptverhandlung am 10.März 1988 war Helmut R*** ohne Verteidiger erschienen; nach der Urteilsverkündung erklärte er, auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil zu verzichten (S 41 dA). Nach der Aktenlage (vgl. S 65 und 67 dA iVm dem Vorbringen des Verurteilten Helmut R*** in seinem Antrag ON 15, S 60 dA) ist davon auszugehen, daß die nach dem § 268 Abs. 2 (zweiter Satz) StPO nF vorgeschriebene Belehrung des Helmut R*** durch den Einzelrichter über die Möglichkeit, den ohne Beisein eines Verteidigers abgegebenen Rechtsmittelverzicht binnen drei Tagen schriftlich oder zu Protokoll zu widerrufen, unterblieb. Am 24. Juni 1988 brachte Helmut R*** durch den nachträglich von ihm gewählten Verteidiger Dr. Karl B*** unter anderem deshalb gemäß dem § 364 StPO einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung des Rechtsmittels der Berufung (wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe) gegen das eingangs angeführte Urteil des Einzelrichters ein und holte gleichzeitig die Anmeldung der Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe nach (ON 15 dA). Das gemäß dem § 364 Abs. 2 StPO zur Entscheidung zuständige Oberlandesgericht Wien wies daraufhin mit Beschluß vom 10.August 1988, AZ 25 Bs 395/88 (= ON 19 des Vr-Aktes), den Wiedereinsetzungsantrag und die nachgeholte Rechtsmittelanmeldung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß der in der Begründung dieser Entscheidung vom Gerichtshof zweiter Instanz gezogene Schluß, die Datierung der Vollmacht für den nun einschreitenden Verteidiger mit 20.Mai 1988 lasse "zwingend darauf schließen, daß spätestens an diesem Tag die behauptete Unkenntnis des Angeklagten von der Möglichkeit eines Widerrufes des Rechtsmittelverzichtes geendet hat", logisch nicht haltbar ist und darüber hinaus auch in seinem Ergebnis den eher dem Regelfall entsprechenden Verlauf einer ins Detail gehenden anwaltlichen Beratung erst nach Studium der Prozeßakten außer acht läßt, war dem Oberlandesgericht auch das Vorbringen des Verurteilten (in der an die Generalprokuratur gerichteten Eingabe vom 21. Oktober 1988) nicht bekannt, wonach er erstmals am 16.Juni 1988 von der Bestimmung des § 268 Abs. 2, zweiter Satz, StPO nF Kenntnis erlangte und seinen Verteidiger dahin informierte, daß die in der genannten Gesetzesstelle vorgeschriebene Belehrung unterblieb. Jedenfalls wurde aber - wie von der Generalprokuratur zutreffend geltend gemacht - durch die bereits erwähnte Vorgangsweise des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in der Hauptverhandlung am 10.März 1988 das Gesetz in der Bestimmung des § 268 Abs. 2, zweiter Satz, StPO nF verletzt.

Diese Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten Helmut R*** zum Nachteil; war er doch dadurch infolge seiner ihm zuzugestehenden damaligen Unkenntnis der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit zum Widerruf des Rechtsmittelverzichtes an einer rechtzeitigen Anmeldung der Berufung (wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe) gehindert. Deshalb war auch gemäß dem § 292, letzter Satz, StPO der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang konkrete Wirkung zuzuerkennen.

Anmerkung

E16700

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00005.89.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19890221_OGH0002_0110OS00005_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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