TE OGH 1989/2/21 10ObS55/89

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Veröffentlicht am 21.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR.Dr. Johann Herbst (Arbeitgeber) und Harald Reisenberger (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erna M***, Altmannsdorferstraße 164/63/3, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Entziehung einer Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Oktober 1988, GZ 31 Rs 271/88-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. Mai 1988, GZ 17 Cgs 1043/87-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26. März 1987 entzog die beklagte Partei die der Klägerin mit Bescheid vom 2. April 1985 ab 1. November 1984 zuerkannte Invaliditätspension mit Ablauf des Monates April 1987. Das Erstgericht wies das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der klagenden Partei die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. Mai 1987 weiter zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 16. Juni 1941 geborene Klägerin von 1957 bis 1961 als Hausgehilfin und von 1962 bis 1984 als Lebensmittelarbeiterin bei der I*** Nahrungsmittel AG tätig war.

Am 5. Dezember 1985 wurde bei der Klägerin folgender Gesundheitszustand festgestellt: Zustand nach Entfernung der linken Brust 1984, nicht mit Sicherheit ausschließbares Fehlen der rechten Niere, chronischer Alkoholismus mit Leberzellenschädigung, Anämie, kein Hinweis auf Metastasen im Skelettsystem, Tumormarker gegenüber dem VG erhöht. Auf Grund der Laborergebnisse wurde mit einem Fortschreiten der krebsigen Erkrankung gerechnet und daher die Weitergewährung der Pension mit Nachuntersuchung in einem Jahr empfohlen.

Gegenüber dem Zeitpunkt der Gewährung der Invaliditätspension im November 1984 ist insofern eine Besserung eingetreten, als der Beobachtungszeitraum nun schon zwei Jahre beträgt und die Penson'schen Eiweißkörper bei der neuerlichen Kontrolle negativ sind. Es ist zu keiner Fern- und Lokalverimpfung gekommen. Die Operationsfolgen, derentwegen die Invaliditätspension ursprünglich gewährt wurde, sind abgeklungen.

Die Klägerin ist in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen in normaler Arbeitszeit, mit den üblichen Pausen zu verrichten. Auszuschließen sind sämtliche Hebe- und Tragearbeiten, insbesondere solche in der Gemeinschaft - vom Berufungsgericht wurde auf Grund der mündlichen Ergänzung des Sachverständigengutachtens dies dahin berichtigt, daß Hebe- und Trageleistungen über 10 kg überhaupt nicht, solche unter 10 kg nicht ständig verrichtet werden können - Arbeiten, bei denen die Arme in oder über der Horizontalen gehalten werden müssen, Akkord- und Bandarbeiten, sowie Arbeiten an rasch laufenden Maschinen oder an Maschinen, bei denen das Arbeitstempo von der Maschine diktiert wird. Es besteht die Notwendigkeit einer Diät, die auch von zu Hause mitgebracht werden kann. Arbeiten in ständiger Nässe und Kälte sowie solche, die mit einem ständigen Kontakt mit Chrom oder chromhaltigen Chemikalien (Zement, Farben etc.) verbunden sind, sowie solche unter ständigem besonderem Zeitdruck sind auszuschließen.

Da gegenüber dem Zeitpunkt der Gewährung der Invaliditätspension die Operationsfolgen abgeklungen, eine Metastasenbildung nicht eingetreten sei und die Tumoraktivitäten abgenommen hätten, sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten. Weil diese noch Tischarbeiten in der Lederwarenerzeugung oder Einsteckarbeiten, Laborarbeiten in Ausarbeitungslabors der Fotobranche, Hilfsarbeiten in der Spielwarenerzeugung sowie im Adressenverlag und in der Plastik- und Kunststoffartikelerzeugung sowie Tätigkeiten als Aufsichtsorgan verrichten könne, sei die Entziehung der Invaliditätspension zu Recht erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision ist nicht berechtigt. Soweit in der Revision schon in der Berufung geltend gemachte angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz gerügt werden, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können diese mit Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32). Die Feststellungen des Erstgerichtes geben klar den Gesundheitszustand der Klägerin zum Zeitpunkt der Gewährung der Invaliditätspension und jenen zum Zeitpunkt der Entziehung wieder und legen im einzelnen dar, worin die eingetretene Verbesserung des Gesundheitszustandes besteht. Es trifft daher nicht zu, daß kein Vergleich (den auch der chirurgische Sachverständige in seiner mündlichen Gutachtenserörterung ON 8 vorgenommen hat) zu den maßgeblichen Zeitpunkten vorgenommen worden wäre.

Die Entziehung einer Leistung nach § 99 ASVG setzt voraus, daß sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Zuerkennung der Leistung wesentlich geändert haben. Eine die Entziehung der Pension rechtfertigende Änderung der Verhältnisse kann in den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Pensionisten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an das Leiden bestehen (SSV-NF 1/43). Gerade nach Tumoroperationen bedarf es nicht nur eines Heilungsverlaufes unmittelbar nach der Operation, sondern einer gewissen Zeit der Beobachtung, ob diese Operation auch erfolgreich war und keine weiteren Herde festzustellen sind. Im vorliegenden Fall sind nicht nur die zum Gewährungszeitpunkt noch vorliegenden Folgen der erst kürzere Zeit zurückliegenden Operation, die eine Arbeitsfähigkeit zur Gänze ausschlossen, abgeklungen, vielmehr mußte zum Pensionsgewährungszeitpunkt nach den Laborergebnissen mit einem Fortschreiten der krebsigen Erkrankung gerechnet werden, während zum Zeitpunkt der Entziehung zwei Jahre später der Tumormarker gegenüber den Vergleichswerten 1985 abgesunken ist und die Tumoraktivitäten abgenommen haben. Diese Umstände aber stellen insgesamt eine wesentliche Besserung dar.

Selbst wenn man zugrundelegte, daß der Klägerin Hebe- und Tragearbeiten überhaupt nicht zugemutet werden können (allerdings wäre dann das Leistungskalkül leichte und mittelschwere Arbeiten unverständlich) und ihre Chromallergie mitberücksichtigt, könnte sie jedenfalls auf die vom Erstgericht angeführten Tätigkeiten einer Tischarbeiterin mit Einsteckarbeiten, Hilfsarbeiten im Adressenverlag oder auf Aufsichtstätigkeiten verwiesen werden. Die Entziehung der Invaliditätspension erfolgte daher zu Recht. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E16689

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00055.89.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19890221_OGH0002_010OBS00055_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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