TE OGH 1989/2/21 11Os160/88

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Veröffentlicht am 21.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann J*** wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1, Abs. 2 (1. Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.Juni 1988, GZ 7 b Vr 1.071/87-97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Bassler, des Angeklagten Johann J***, der Privatbeteiligtenvertreterin Dr. Prokopp und des Verteidigers Dr. Ofner zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im Schuldspruch des Johann J*** sowie im Strafausspruch (und demgemäß auch in dem auf den § 369 Abs. 1 StPO gestützten Adhäsionserkenntnis) aufgehoben.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Vom Schöffengericht war mit dem angefochtenen Urteil über jenen Teil der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage abzusprechen, mit welchem Johann J*** zur Last gelegt wurde, in der Zeit von 1975 bis Herbst 1981 aus ihm von Margaritha N*** zur bestmöglichen Veranlagung überlassenen Geldern zumindest einen Betrag von 376.577,41 S mit Bereicherungsvorsatz für sich verwendet zu haben (Punkt I 1 der Anklageschrift vom 5.März 1984, ON 34 in 7 b Vr 615/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, hinsichtlich dessen eine Ausscheidung mit Beschluß vom 6.November 1986 verfügt worden war - siehe S 101/II des zitierten Aktes). Daß die Staatsanwaltschaft bei diesem Vorwurf die mißbräuchliche Verwendung von Zinserträgen der bei der R*** hinterlegten Pfandbriefe im Nominale von einer Million Schilling im Auge hatte, ergibt sich zweifelsfrei aus der Bezugnahme auf das Gutachten des Buchsachverständigen DDr. Josef G*** in der Begründung der Anklageschrift (vgl. S 253/Band I und S 229/Band I der zitierten Akten).

Mit dem angefochtenen Urteil wurde nun der am 13.Mai 1919 geborene Pensionist Johann J*** des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1, Abs. 2, erster Fall, StGB schuldig erkannt, weil er in Wien in der Zeit "ab" 23.Februar 1981 die ihm in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der Margaritha N*** durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbrauchte und ihr einen Vermögensnachteil in der Höhe von 227.082,10 S zufügte, daß er am 23.Februar 1981 von Margaritha N*** zur Sicherung eines "Betriebskredites" (des Angeklagten) bei der R*** hinterlegte Pfandbriefe der

L*** FÜR N*** im Nominale von einer Million Schilling eigenmächtig realisierte und mit dem Realisat von rund 975.000 S den besicherten Kredit vorzeitig abdeckte (S 164, 172/III), aus dessen Mitteln (unter anderem) seit dem Jahre 1975 (S 162, 163/III) ein Betrag von insgesamt 227.082,10 S zur Zahlung der Prämien für seine eigene freiwillige (Weiter-)Versicherung bei der Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte abgezweigt worden war, er sohin den zuletzt genannten Betrag nach Ansicht des Schöffensenates in strafrechtlich relevanter Weise (aus dem genannten Realisat) "für sich verwendete". Zum Differenzbetrag auf die in der Anklageschrift genannte Summe (376.577,41 S abzüglich 227.082,10 S ergibt 149.495,31 S) erging - von der Staatsanwaltschaft unangefochten - ein Freispruch gemäß dem § 259 Z 3 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet der ziffermäßigen Übereinstimmung (der Schuld- und Freispruchssummen) mit dem den Anklagegegenstand bildenden Geldbetrag wurde allerdings der Schuldspruch vom Erstgericht - wie sich sowohl aus dem Urteilstenor als auch aus der Begründung der Entscheidung eindeutig ergibt (vgl. insbesondere S 164, 172 f, 177 unten, 198/III) - auf einen von der Anklagebegründung abweichenden Sachverhalt gestützt. Eine andere Interpretation lassen auch jene - undeutlichen - Urteilspassagen, in denen auf die Geldflußberechnungen der Sachverständigen DDr. G*** und Dkfm. B*** Bezug genommen wird (insbesondere S 176 f und 206 f/III), nicht zu, weil darüber hinaus ausdrücklich festgestellt wurde, daß die Zahlung der Prämien zur freiwilligen Weiterversicherung aus Betriebsmitteln des Unternehmens - und nicht etwa aus Zinserträgen - vorgenommen wurde (siehe S 174/III). Bei all dem übersah das Erstgericht, daß dieser dem Schuldspruch zugrundegelegte Sachverhalt bereits Gegenstand des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Juli 1987, GZ 7 b Vr 615/85-102, war. Denn mit diesem - in Rechtskraft

erwachsenen - Urteil wurde der Angeklagte im zweiten Rechtsgang im Sinn des Punktes I 2 der Anklage vom 5.März 1984, GZ 24 f Vr 1719/82-34 (später AZ 7 b Vr 615/85) des Verbrechens der versuchten Untreue nach den §§ 15, 153 Abs. 1, Abs. 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt und vom weiteren Anklagevorwurf gemäß dem Punkt II der Anklage, er habe im Mai 1981 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Margaritha N*** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über den wahren Wert eines in seinem Besitz befindlichen Waldmüller-Gemäldes, und durch die Behauptung, er wolle vor einer gemeinsamen Amerikareise die bei ihr bestehende Schuld in Höhe von 1,7 Millionen S aus der Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 700.000 S und "der Verwendung und Realisierung von Pfandbriefen der L*** FÜR

N*** in der Höhe von 975.000 S" (!) tilgen, zu

Handlungen, und zwar zum Ankauf dieses - einen Wert von höchstens 500.000 S repräsentierenden - Bildes um einen vereinbarten Kaufpreis von 1,5 Millionen S unter Anrechnung dieses Betrages auf die Schuld verleitet, wodurch die Genannte an ihrem Vermögen einen Schaden von "cirka 1,2 Millionen S" erlitten habe, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. In Ansehung dieses mit Freispruch erledigten Sachverhaltes hatte die Staatsanwaltschaft bereits in der Anklageschrift den Verdacht geäußert, der Angeklagte habe schon bei der Aufnahme des Darlehens in Höhe von 700.000 S sowie bei der Verpfändung der Pfandbriefe im Nominale von einer Million Schilling für einen Kredit der R*** betrügerisch gehandelt (siehe S 248 f, 255/I in 7 b Vr 615/85). Die Staatsanwaltschaft glaubte aber, den Schwerpunkt der Anklage auf den zeitlich nachfolgenden (ihrer Ansicht nach betrügerischen) Verkauf des Waldmüller-Gemäldes zum Zweck der Tilgung dieser Schulden legen zu müssen (siehe S 250, 255/I in 7 b Vr 615/85).

Anklagesatz und Begründung sind ein einheitliches Ganzes (vgl. Mayerhofer-Rieder2 ENr. 5 zu § 262 StPO). Gegenstand der Anklage und ihrer urteilsmäßigen Erledigung ist daher das "Gesamtverhalten" des Angeklagten, wie es sich aus Anklagesatz und Anklagebegründung ergibt (vgl. Mayerhofer-Rieder2 ENr. 7 zu § 262 StPO). Da die Staatsanwaltschaft den zuletzt erwähnten Freispruch in Rechtskraft erwachsen ließ, war damit der gesamte Sachverhalt einschließlich der vom Angeklagten am 23.Februar 1981 erfolgten "Realisierung und Verwendung" der Pfandbriefe der H*** FÜR

N*** zur Abdeckung des Kredites bei der R***

erledigt und insoweit das Anklagerecht des Staatsanwaltes verbraucht. Wenn daher der Schöffensenat im nunmehr angefochtenen Urteil dem Angeklagten als Untreue zur Last legt, daß er aus - seit 7.Juli 1976 mit Pfandbriefen der Margaritha N*** besicherten - Krediten der R*** (S 170 f/III) in der Zeit von 1975 bis 1980

(S 163/III) Zahlungen an die Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 227.082,10 S leistete, die seiner freiwilligen Weiterversicherung dienten, und den Kredit vom 7. Juli 1976 am 23.Februar 1981 durch eigenmächtige Realisierung der verpfändeten Wertpapiere der Margaritha N*** vorzeitig abdeckte, griff er auf den bereits urteilsmäßig abgesprochenen Sachverhalt zurück und verstieß so - abgesehen davon, daß insoweit auch ein noch unerledigt gebliebener Anklagevorwurf gar nicht mehr vorlag - gegen den sich aus den Vorschriften des XX. Hauptstückes der StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Der Schuldspruch ist daher mit - vom Rechtsmittelwerber nicht geltend gemachter - materieller Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behaftet, die der Oberste Gerichtshof, weil sie dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen hatte.

Ein formeller Freispruch hatte indes nicht zu ergehen, weil es für eine Anwendung des § 259 StPO in bezug auf den zugrundeliegenden Sachverhalt schon an der im ersten Satz dieser Gesetzesvorschrift normierten Grundvoraussetzung, nämlich einer - von dem immer erhobenen - (noch unerledigten) Anklage fehlt. Im übrigen ist nach Lage dieses Falles auch eine über die Urteilsaufhebung hinausgehende Formalentscheidung prozeßtechnisch entbehrlich.

Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei Johann J*** mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen war.

Anmerkung

E16698

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00160.88.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19890221_OGH0002_0110OS00160_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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