TE OGH 1989/2/21 5Ob509/89

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Veröffentlicht am 21.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** D*** Gesellschaft mbH, Wien 3., Kelsenstraße 2, vertreten durch Dr.Kurt Heller, Dr.Heinz H.Löber, DDr.Georg Bahn, Dr.Werner Huber und Dr.Günther J.Horvath, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*** Gesellschaft für EDV-Ingenieurleistungen Gesellschaft mbH, Wien 22., Rosthorngasse 5, vertreten durch Dr.Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 400.000,-- S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6.Oktober 1988, GZ 2 R 123/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3.Mai 1988, GZ 30 Cg 47/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.036,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.185,15 S an USt.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen miteinander am 25.2.1985 einen Kooperationsvertrag, der auszugsweise folgenden Wortlaut aufweist:

"Präambel

C*** D*** (klagende Partei) hat die Vertriebsrechte für ein als "Archimedes" bezeichnetes und im folgenden öfters auch als "Programm" bezeichnetes Softwareprodukt erworben, die es ihr erlauben, dieses Program zu vertreiben und von Subdistributoren vertreiben zu lassen. A*** (beklagte Partei) ist daran interessiert, "Archimedes" in unmodifizierter Form in Österreich zu vertreiben.

A*** ist Urheber und alleiniger Eigentümer des von ihr entwickelten Softwareprogramms "AVA" und ist daran interessiert, dieses Softwareprogramm selbst und über Dritte zu vertreiben bzw. vertreiben zu lassen. C*** D*** ist bereit, den Vertrieb von "AVA" in Österreich zu übernehmen. Dies vorausgeschickt, schließen die Vertragspartner nachstehenden Vertrag:

I. VERTRAGSGEGENSTAND

1. Gegenstand dieses Vertrages ist

a) das um einen Digitalisierteil erweiterte "AVA" (im weiteren "AVA" genannt) sowie eine allfällige Umstellung von "Archimedes" durch A*** und

b) die Einräumung von wechselseitigen Vertriebsrechten für "AVA" und "Archimedes".

2. Als "AVA" und "Archimedes" im Vertragssinn verstehen sich die angeführten Programme einschließlich

-

der dazugehörigen Dokumentation

-

aller Programmkopien, unabhängig davon, von wem sie angefertigt werden

-

jener Teile von Programmen, die durch Abänderungen oder Weiterentwicklungen der gegenständlichen Programme als Bestandteil neuer Programme anzusehen sind, soferne sie von einem der Vertragspartner oder für einen von seinen Kunden entwickelt wurden.

                   II. UMSTELLUNGSARBEITEN

B. Umstellungsarbeiten für "Archimedes"

1. Das "Archimedes"-Programm wird A*** unmodifiziert und

unumgestellt in der derzeit bestehenden und der A*** bekannten

Form einschließlich des Quellencodes in einer auf Data General

Desktop Betriebssystem AOS lauffähigen Form innerhalb von dreißig

Tagen nach Unterfertigung dieses Vertrages übergeben. Die

Lauffähigkeit auf dem oben angeführten Desktop ist von C*** D***

innerhalb von drei Tagen nach Übergabe des Archimedes-Programms bei

A*** auf der Basis eines praxisbezogenen Testbeispiels unter

Berücksichtigung des Art. III.B.2.1 nachzuweisen...... .

2. Es steht A*** frei, dieses Archimedes-Programm in

unmodifizierter Form zu den Bestimmungen dieses Vertrages zu

vertreiben oder es auf österreichische Verhältnisse anzupassen, zu

verbessern, weiterzuentwickeln und dgl. oder nicht...... ..

III. VERTRIEBSRECHTE

B. Vertrieb von Archimedes

1.1 Mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Archimedes-Programms räumt C*** D*** der A*** das Recht ein, das Archimedes-Programm auf nicht ausschließlicher Basis innerhalb Österreichs ("Vertragsgebiet") zu vertreiben, wobei der Vertrieb in der Gewährung von Sublizenzen an Kunden besteht.... .

2. Lizenzgebühr

2.1 Als Gegenleistung für die Überlassung des Archimedes-Programms gemäß Art. III.B.1.1 sowie für das Recht, Demonstrationen des Programms durchzuführen und das Recht auf Eigenverwendung im Rechenzentrum der A***, verpflichtet sich A*** zu einer einmaligen Lizenzgebühr von Ö.S. 700.000 zuzüglich Umsatzsteuer, die von A*** wie folgt an C*** D*** zu bezahlen ist:

Ös 100.000,-- fällig bei Abschluß des Vertrages

ÖS 100.000,-- fällig bei Übergabe des Archimedes-Programms

ÖS 100.000,-- fällig bei Abnahme des Archimedes-Programms ÖS 200.000,-- fällig sechs Monate nach Übergabe des Archimedes-Programms

ÖS 200.000,-- fällig neun Monate nach Übergabe des Archimedes-Programms, spätestens jedoch am 30.11.1985.

Dieser Betrag beinhaltet zehn Manntage Analytikerunterstützung zu je acht Stunden für Programmabnahme, Programmadaption und Einschulung. Diese können innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsunterzeichnung nach vorheriger Terminvereinbarung in zwei Etappen angefordert werden. Für die Programmabnahme werden unabhängig von der Dauer der Abnahme maximal drei Manntage angerechnet.

2.4 Für die Durchführung des Abnahmetests des Programms "Archimedes" wird A*** im Rahmen der Installation und Einführung die erforderliche Rechen- und Computerzeit kostenfrei zur Verfügung stellen. Für die Durchführung des Abnahmetests wird einvernehmlich eine Frist von maximal drei Tagen veranschlagt. Die erfolgreiche Abnahme ist durch ein Abnahmeprotokoll zu bestätigen, das von beiden Vertragsparteien zu unterfertigen ist. Sollten die in Art. II.3 angeführten Fristen zuzüglich einer Frist von drei Wochen für die Durchführung des Abnahmetests aus Gründen, die von C*** D*** zu vertreten sind, um mehr als drei Wochen überschritten werden, ist A*** berechtigt, von diesem Vertrag teilweise oder zur Gänze zurückzutreten.

IV. ALLGEMEINE AUF BEIDE SOFTWARE-PROGRAMME

ANWENDBARE BESTIMMUNGEN

2. Haftung

2.2 Soferne sich aus diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt, bestehen keine Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche, sofern diese nicht zumindest auf grobe Fahrlässigkeit von einer der beiden Vertragsparteien zurückzuführen sind..... .

6. Schlußbestimmungen

6.4 Rechtserhebliche Erklärungen aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform."

Vor Abschluß des Kooperationsvertrages hatte der damalige EDV-Leiter der beklagten Partei Josef J*** zweimal (das erste Mal am 10.10.1984 mit Ing.TAUFENECKER) jeweils während eines Tages das Schwesterunternehmen der klagenden Partei in Frankfurt am Main aufgesucht, um einen Eindruck von dem in Deutschland vertriebenen Programmpaket "Archimedes" zu gewinnen. Zweck des zweiten Besuches war es gewesen, die Dokumentation einzusehen, was auch geschehen war. Nach dem J*** einen günstigen Eindruck gewonnen hatte, waren sodann bis Februar 1985 Vertragsverhandlungen geführt worden. Vom 9.4.1985 bis 12.4.1985 wurde das Software-System "Archimedes" von der Mitarbeiterin der deutschen Schwestergesellschaft der klagenden Partei Doris S*** bei der beklagten Partei installiert und erläutert. Hiebei wurden ein Magnetband mit der vorhandenen Software samt Ursprungscode sowie ein Ausdruck des Benutzerhandbuches übergeben. S*** übertrug die Software auf die vorhandenen Rechner. Sie mußte hiebei Änderungen vornehmen, da die beklagte Partei ein anderes Digitalisierungsgerät benutzte als erwartet. Bei einigen Details reagierte die Anlage nicht, wie es gewünscht war. Am 12.4.1985 bestätigte J*** für die beklagte Partei die Übernahme und Abnahme des Systems. Vom 29.4.1985 bis 3.5.1985 nahm Doris S*** weitere Installations- und Anpassungsarbeiten vor, wobei auch die schon bei ihrem ersten Besuch als notwendig aufgefallenen Änderungen vorgenommen wurden. Eine Mängelrüge wurde bei ihren Besuchen von der beklagten Partei nicht erhoben.

In der Folge befaßte sich bei der beklagten Partei vom 5.5.1985 bis Oktober 1985 Dipl.Ing.TOPALGÖKCELI mit der Anwendung des Programms in seiner bestehenden Form, die er für nicht funktionsfähig hielt. Über aufgetretene Probleme telefonierte er mehrmals mit Doris S***. Nach dem Sommer 1985 befaßte sich bei der beklagten Partei Dipl.Ing.T*** mit der Programmweiterentwicklung. Hiebei erschien ihm die vorhandene Dokumentation als unzulänglich.

Gegenüber der klagenden Partei reklamierte die beklagte Partei erstmals mit Schreiben vom 25.10.1985 (Postaufgabe 28.10.1985) wegen unzureichender Programmdokumentation und bestehender Programmfehler. In den folgenden Auseinandersetzungen anerkannte die klagende Partei die Reklamation nicht als solche, sondern wies auf die Verfristung hin, bot jedoch Hilfestellungen an und übersandte am 17.11.1985 eine neue Leitfadenversion und am 27.2.1986 zur Unterstützung der Umstellungsarbeiten weiteres Dokumentationsmaterial. Mit der am 27.10.1986 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung der ausständigen restlichen Lizenzgebühr von 400.000 S samt Anhang. Die einzelnen Punkte des Kooperationsvertrages seien detailliert ausgehandelt worden. Sie habe der beklagten Partei über die Ist-Form hinausgehende Zusagen über besondere Eigenschaften des "Archimedes"-Programms, etwa in bezug auf Umstellbarkeit, nicht gemacht. Die Gewährleistungspflicht sei vertraglich ausgeschlossen worden. Die Mängelrüge sei verspätet erhoben worden. Sie habe keine Mängelbehebung vorgenommen, sondern der beklagten Partei nur Hilfestellung geleistet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie ließ unbestritten, daß die Parteien am 25.2.1985 einen Kooperationsvertrag abgeschlossen haben, dessen Gegenstand unter anderem die Einräumung von Vertriebsrechten hinsichtlich des Programms "Archimedes" an die beklagte Partei war, und gab zu, daß ihr dieses Programm in Übereinstimmung mit Art. II.B.1 des Vertrages übergeben worden sei. Sie wendete im wesentlichen ein, das angeführte Programm hätte auch die "dazugehörige Dokumentation" umfaßt, ihr sei jedoch lediglich eine lückenhafte bzw. unrichtige Dokumentation übergeben worden. Trotz mehrfacher Versuche der klagenden Partei sei es bisher der beklagten Partei nicht gelungen, eine lückenlose Dokumentation zu erhalten bzw. das "Archimedes"-Programm zum ordnungsgemäßen "Laufen" zu bringen. Da bisher eine vertragsgemäße Benutzung dieses Programms infolge der fehlenden Dokumentation nicht möglich sei, sei der restliche Betrag von 400.000 S noch nicht fällig. Wegen der mangelhaft gelieferten Dokumentation seien Wartung und Pflege des Produktes nicht möglich. Der Vertrag sei nicht erfüllt. Die mangelnde Lauffähigkeit des Programms sei gegenüber der klagenden Partei wiederholt gerügt worden. Es hätten mehrere erfolglose Verbesserungsversuche stattgefunden. Durch die unzureichende Dokumentation sei der Vertragszweck, nämlich der Weiterverkauf des Programms durch die beklagte Partei, vereitelt worden. Innerhalb von 6 Monaten ab Abnahme des Programms seien Mängelrügen und Verbesserungsversuche erfolgt. Der beklagten Partei stünden Gewährleistungsansprüche, nämlich Preisminderung, in eventu Wandelung, zu. Der Gewährleistungsausschluß sei unwirksam, weil es sich um ein neues Produkt gehandelt habe.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Die Streitteile hätten in Art. IV.2.2 des Kooperationsvertrages einen Gewährleistungsausschluß vereinbart. Ein solcher könne unter Umständen sittenwidrig sein (MGA ABGB32 § 929 E 9, 19 bis 21). Dem Gesetzgeber sei bei der grundsätzlichen Zulassung eines allgemeinen Gewährleistungsverzichtes im § 929 ABGB vorgeschwebt, daß es sich um eine konkrete, dem Erwerber bei Abschluß bekannte Sache handle, die vor Abschluß des Vertrages besichtigt werden könne, sodaß dem Erwerber die Prüfung seines konkreten Risikos möglich sei (Reischauer in Rummel, ABGB, § 929 Rz 3 mit Zitierung von Zeiller). Der Ausschluß jeglicher Gewährleistung in allgemeinen Geschäftsbedingungen werde bei Veräußerung fabriksneuer Waren allerdings für sittenwidrig gehalten (Koziol-Welser8 I 249). Sittenwidrigkeit sei nicht schon bei jedweden Bedenken gegen eine Vertragsbestimmung anzunehmen, sondern nur bei grob rechtswidrigen Verstößen gegen oberste Rechtsgrundsätze; entscheidend sei das Gesamtbild, das sich aus Inhalt, Zweck, Beweggrund und Begleitumständen des Rechtsgeschäftes ergebe (MGA ABGB32 § 879 E 38, 40). Bei Heranziehung dieser Grundsätze sei der vorliegende Gewährleistungsverzicht nicht als sittenwidrig anzusehen. Dagegen sprächen insbesondere das Aushandeln des Vertrages ohne Gebrauch allgemeiner Geschäftsbedingungen, die der beklagten Partei eingeräumte Möglichkeit zur - wenn auch kurzen - Prüfung des in Deutschland bereits vertriebenen Programmpaketes samt Dokumentation vor Vertragsabschluß, die Fachkundigkeit der beklagten Partei, die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes mit seiner derzeit bestehenden, unmodifizierten, unumgestellten und der beklagten Partei bekannten Form sowie die Vorsehung eines im Falle einer erfolgreichen Abnahme nach Durchführung des Abnahmetests zu unterfertigenden Abnahmeprotokolls. Wäre die beklagte Partei infolge von Mängeln des Programms oder der Dokumentation nach immerhin mehrtägigen Abnahmetests mit der Leistung der klagenden Partei nicht zufrieden gewesen, so hätte sie die Unterschrift auf das Übergabe- und Abnahmeprotokoll verweigern und die Leistung als zur Vertragserfüllung ungeeignet zurückweisen können. Sei der Gewährleistungsverzicht der beklagten Partei aber wirksam, so bestünden nach Abnahme des Programmpaktes weder Ansprüche auf Preisminderung oder Wandelung noch Leistungsverweigerungsrecht wegen unterlassener Verbesserung. Ansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrages kämen nach Annahme der Leistung ohnehin nicht mehr in Betracht (MGA ABGB32 § 918 E 12, § 922 E 4).

Aber auch wenn man den vereinbarten Gewährleistungsausschluß für sittenwidrig halte, vermöge dies zu keinem für die beklagte Partei günstigeren Ergebnis zu führen: Zwar seien die Bestimmungen über die kaufmännische Rügepflicht gemäß § 377 HGB auf den vorliegenden Lizenzvertrag nicht anwendbar, da es sich um keinen Handelskauf oder Werklieferungsvertrag handle. Die beklagte Partei habe aber die sechsmonatige Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB nicht gewahrt. Diese habe mit der Unterfertigung des Abnahmeprotokolls am 12.4.1985 zu laufen begonnen und sei im Zeitpunkt der ersten Mängelrüge gegenüber der klagenden Partei mit Schreiben vom 25.10.1985 bereits abgelaufen gewesen. Verbesserungsversuche seien wohl eine Anerkennung des Gewährleistungsanspruches und unterbrächen daher die Klagefrist (MGA ABGB32 § 933 E 24, 15), doch sei in der Tätigkeit der Doris S*** nicht die Verbesserung eines gerügten Mangels im gewährleistungsrechtlichen Sinn gelegen gewesen. Es habe sich dabei um die vertraglich vorgesehene Analytikerunterstützung bei der zwangsläufig nötigen Programmadaption gehandelt (vgl. Art. III.B.2.1 des Kooperationsvertrages). Eine rechtzeitige Mängelrüge sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil sich die Mitarbeiter der beklagten Partei erst nach dem zweiten Besuch der Doris S*** mit dem Programmpaket näher befaßt hätten. Im Falle einer unerledigten Mängelrüge wäre das Übernahmeprotokoll wohl auch kaum vorbehaltlos unterschrieben worden. Spätere Telefonate des Dipl.Ing.TOPALGÖKCELI mit der beim deutschen Schwesterunternehmen der klagenden Partei tätigen Doris S*** hätten - abgesehen vom Formerfordernis gemäß Art. IV.6.4 des Kooperationsvertrages - eine Mängelrüge gegenüber der klagenden Partei selbst nicht zu ersetzen vermocht. Was die späteren Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen anlange, so habe die klagende Partei zwar weitere Hilfestellung angeboten und auch weitere Unterlagen übersandt, die Reklamation der beklagten Partei aber auch unter Hinweis auf ihre Verspätung nicht aktzeptiert. Von einer Anerkennung eines Gewährleistungsanspruches der beklagten Partei (vgl. MGA ABGB32 § 933 E 24) könne somit keine Rede sein, da aus dem Verhalten der klagenden Partei auf ein Bewußtsein, verpflichtet zu sein, nicht geschlossen werden könne (vgl. MGA ABGB32 § 1497 E 18, vgl auch E 1).

Zusammenfassend ergebe sich, daß Gewährleistungsansprüche der beklagten Partei entweder von vornherein wirksam vertraglich ausgeschlossen worden oder durch Verfristung erloschen seien. Bei dieser Rechtslage erübrigten sich Feststellungen darüber, ob das Programmpaket "Archimedes" tatsächlich mangelhaft sei. Die beklagte Partei sei demnach zur Zahlung auch der restlichen vertraglichen Lizenzgebühr von 400.000 S verpflichtet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen (mit Ausnahme der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachgetragenen Feststellung, daß sich die Mitarbeiter der beklagten Partei erst nach dem zweiten Besuch der Doris S*** mit dem Programmpaket näher befaßt hätten) als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei, daß ein wirksamer Gewährleistungsverzicht der beklagten Partei vorliege. Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus:

Als Verfahrensmangel rüge die beklagte Partei, daß das Erstgericht entgegen ihrem Antrag keinen Sachverständigen aus dem Computerfach beigezogen habe. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung des angeblich in einer Unvollständigkeit der Dokumentation bestehenden Mangels des Programmpakets "Archimedes" habe es aber schon deshalb nicht bedurft, weil dieses Programm der beklagten Partei vereinbarungsgemäß (Art. II.B.1 des Kooperationsvertrages) "unmodifiziert und unumgestellt in der derzeit bestehenden und der A*** bekannten Form....." zu übergeben war, die beklagte Partei in erster Instanz aber gar nicht behauptet habe, daß die Dokumentation des Programms bei seiner Übergabe einen geringeren Umfang aufgewiesen hätte als im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Sie habe vielmehr ausdrücklich vorgebracht, daß ihr das "Archimedes"-Programm in Übereinstimmung mit Art. II.B.1 des Vertrages übergeben worden sei. Abgesehen davon sei die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen laut Art. IV.2.2 des Kooperationsvertrages einvernehmlich ausgeschlossen worden. Mit dem Vorbringen, daß der Gewährleistungsausschluß unwirksam sei, da es sich um ein neues Produkt gehandelt habe, habe die beklagte Partei erkennbar die Sittenwidrigkeit dieses Gewährleistungsausschlusses eingewendet. Zu Recht habe daher das Erstgericht diese Frage einer Prüfung unterzogen. Zur Vermeidung von Wiederholungen könne hier auf die durchaus zutreffende Begründung des Erstgerichtes verwiesen werden. Die beklagte Partei habe zur Stützung ihres Anspruches in erster Instanz lediglich vorzubringen vermocht, daß es sich bei dem gegenständlichen Programm um ein neues Produkt gehandelt habe. Damit sei offenbar auf die in Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung Bezug genommen worden, wonach der volle Ausschluß jeder Gewährleistung bei fabriksneuen Waren unter bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig sei (vgl EvBl 1981/53 mwN). Die Neuheit des gegenständlichen Programms vermöge jedoch eine Sittenwidrigkeit des - gemäß § 929 ABGB grundsätzlich wirksamen - umfassenden Gewährleistungsverzichtes nicht zu begründen. Anders als im Falle des Einkaufs fabriksneuer Waren (wie zB von Möbeln, vgl. BGHZ 22/12), bei dem es - zum Unterschied vom Kauf gebrauchter Waren - typischerweise ein schützenswertes Anliegen des Käufers sei, eine mangelfreie Sache zu erhalten, spiele nämlich die Unterscheidung zwischen einem neuen Computerprogramm und einem solchen, das bereits in Verwendung gestanden sei, in bezug auf die Erwartungen, welche vom Erwerber (Lizenznehmer) in die Qualität des Produktes gesetzt werden, keine Rolle. Die Neuheit des gegenständlichen Produktes sei somit für die von der beklagten Partei geltend gemachte Sittenwidrigkeit (vgl. EFSlg.XIX/3) des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses ohne Bedeutung. Die vom Erstgericht gegen die Sittenwidrigkeit des Gewährleistungsverzichtes ins Treffen geführten Argumente habe die beklagte Partei nicht entkräften können.

Gegen die erstrichterliche Tatsachenfeststellung, wonach von den Mitarbeitern der beklagten Partei (noch vor dem Vertragsabschluß) die Dokumentation eingesehen worden sei, werde in der Berufung eingewendet, ein Sachverständiger hätte im Hinblick auf die Dauer dieses Vorganges feststellen können, daß damit ein rechtsrelevantes Einsehen in die Dokumentation schon aus Zeitgründen nicht möglich gewesen sei. Damit strebe die beklagte Partei offenbar Feststellungen an, aufgrund deren die angebliche Unvollständigkeit der Dokumentation als geheimer Mangel zu qualifizieren wäre. Diese Ausführungen erwiesen sich aber als ebensowenig stichhaltig wie die diesbezüglichen Einwände im Rahmen des Berufungsgrundes der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung. Abgesehen davon, daß in erster Instanz dazu kein Vorbringen erstattet worden sei, übersehe die beklagte Partei dabei nämlich, daß sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht

grundsätzlich auch auf geheime Mängel erstrecke (HS 5360; HS 8328 =

JBl 1972/531 = EvBl 1972/170). Selbst wenn ein entsprechendes

Parteienvorbringen zu dieser Frage erstattet worden wäre, hätte es daher mangels ihrer rechtlichen Relevanz der Beiziehung eines Sachverständigen nicht bedurft.

Auch der weitere Einwand, die klagende Partei habe durch Übersendung von weiterem Dokumentationsmaterial bereits faktisch zugegeben, daß offensichtlich die vorhandene Dokumentation nicht ausreiche, gehe schon wegen des Gewährleistungsverzichtes ins Leere. Hier übergehe die beklagte Partei überdies die Feststellung, daß die klagende Partei die im Schreiben vom 25.10.1985 enthaltene Reklamation nicht als solche anerkannt und die Übersendung weiteren Dokumentationsmaterials nach Hinweis auf die Verfristung vorgenommen habe.

Die erstmals in der Berufung aufgestellte Behauptung, wonach sich aus der Eigenart des abgeschlossenen Geschäftes bzw. aus der schon technisch begründeten Notwendigkeit, das gegenständliche Programm einmal vollständig zum Laufen zu bringen, um es überprüfen zu können, eine Sittenwidrigkeit des Ausschlusses der Gewährleistung ergebe, sei im Hinblick auf das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtlich. Das weitere Vorbringen, die Unterzeichnung der Übernahme- bzw. Abnahmeerklärung sei keineswegs mit der rechtlichen Annahme der Leistung in Verbindung zu bringen, stehe im Widerspruch zu der bereits zitierten Behauptung in der Klagebeantwortung, womit die beklagte Partei die Übergabe des Programms in Übereinstimmung mit Art. II.B.1 des Kooperationsvertrages ausdrücklich zugegeben habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei hält ihren bereits in den Vorinstanzen vertretenen Standpunkt aufrecht, daß die ihr von der klagenden Partei übergebene Dokumentation bis jetzt zumindest mangelhaft geblieben sei, weshalb der Klagebetrag noch nicht fällig sei. Die Mängelrüge sei rechtzeitig erhoben worden. Der Gewährleistungsverzicht sei unwirksam, weil es sich um ein neues Produkt gehandelt habe und diesem aufgrund des vereinbarten Vertragszwecks ausdrücklich zugesicherte Eigenschaften, insbesondere die Möglichkeit, das Programm unmodifiziert weiterzuverkaufen, fehlten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 929 ABGB kann auf Gewährleistungsansprüche grundsätzlich verzichtet werden (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 524 f; Koziol-Welser8 I 249; Reischauer in Rummel, ABGB, § 929, Rz 1; EvBl 1961/95 ua), wobei sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht - worauf schon das Berufungsgericht zutreffend verwiesen hat - auch auf geheime Mängel erstreckt (HS 5360; HS 8328 = JBl 1972, 531 = EvBl 1972/170; 1 Ob 711/83, 7 Ob 573/88 ua). Daß die von der beklagten Partei behauptete Mangelhaftigkeit der Dokumentation im Fehlen ausdrücklich zugesagter bestimmter Eigenschaften bestünde, in welchem Fall sich die klagende Partei auf den Gewährleistungsverzicht nicht berufen könnte (Koziol-Welser8 I 249 vor und in FN 52; Reischauer aaO Rz 2; SZ 49/124, SZ 53/37; ImmZ 1987, 458; 7 Ob 573/88), läßt sich dem erstinstanzlichen Vorbringen der beklagten Partei nicht entnehmen.

Die Vorinstanzen haben gleichfalls richtig erkannt, daß der zwischen

den Streitteilen vereinbarte Gewährleistungsverzicht auch nicht

wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist. Die Rechtsprechung, wonach der

Ausschluß jeglicher Gewährleistung in allgemeinen

Geschäftsbedingungen oder Formularverträgen bei der Veräußerung

fabriksneuer Waren sittenwidrig ist (vgl SZ 53/128 = EvBl 1981/53

unter Hinweis auf BGHZ 22/12 und Bydlinski in Klang2 IV/2, 404 sowie

Koziol-Welser8 I 108 und 249 je mwN), ist auf den vorliegenden Fall

nicht anwendbar. Hier geht es um einen zwischen den Streitteilen

individuell ausgehandelten Vertrag. Anhaltspunkte dafür, daß die

beklagte Partei ihre Interessen wegen wirtschaftlicher

Unterlegenheit oder geschäftlicher Unerfahrenheit nicht ausreichend

wahren hätte können, sind weder von der diesbezüglich

behauptungs- und beweispflichtigen (EFSlg.XIX/3) beklagten Partei

vorgebracht worden noch im Verfahren hervorgekommen. Beide Parteien

sind branchenkundige Kaufleute, bei denen die Erfahrung, daß

Software immer fehlerhaft ist, sowie die Kenntnis der Bedeutung

einer guten Dokumentation und eines Abnahmetests vorauszusetzen sind

(siehe Jaburek, ÖJZ 1985, 199 ff und 225 ff, insbesondere 203; vgl

auch allgemein Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht - Allgemeiner

Teil3, 436, wonach bei Geschäftsabschlüssen zwischen Kaufleuten

derselben Branche auf Gewährleistung in sehr weitem Umfang

verzichtet werden kann). Ist aber der vereinbarte

Gewährleistungsverzicht wirksam, dann braucht auf die weiteren

Fragen, ob der von der beklagten Partei behauptete Mangel

tatsächlich gegeben ist und der klagenden Partei fristgerecht angezeigt worden ist, nicht mehr eingegangen zu werden. Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E16605

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00509.89.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19890221_OGH0002_0050OB00509_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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