TE OGH 1989/2/22 3Ob554/88

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Veröffentlicht am 22.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** St.G*** am Wolfgangsee, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Georgine O***, Private, Wien 4, Wohllebengasse 15/3, vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1988, GZ 2 R 41/88-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.Dezember 1987, GZ 10 Cg 63/87-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 24.413,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.219,40 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zugunsten der klagenden Partei ist im Grundbuch über die bebaute Liegenschaft EZ 74 KG St.Gilgen ein Vorkaufsrecht einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 16./18.Juli 1986 verkaufte die beklagte Partei die Liegenschaft an Dr.Brigitte K*** und verständigte hievon die klagende Partei mit Schreiben vom 18.Juli 1986, bei der klagenden Partei eingelangt am 21.Juli 1986. Mit einem Schreiben der klagenden Partei vom 13.August 1986, beim Beklagtenvertreter eingelangt am 18. August 1986, erklärte die klagende Partei, das Vorkaufsrecht auszuüben; diese Maßnahme wurde von der Salzburger Landesregierung am 14.August 1986 aufsichtsbehördlich genehmigt. Dem Schreiben vom 13. August 1986 lag ein Gemeinderatsbeschluß vom 19.Dezember 1985 zugrunde, womit die Gemeindevorstehung im Falle des Eintretens des Vorkaufsfalles bevollmächtigt wurde, das Vorkaufsrecht im Falle eines auf Grund der Budgetverhältnisse finanzierbaren Angebotes auszuüben, sowie ein Beschluß der Gemeindevorstehung vom 8. August 1986. Die Gemeindevertretung (Gemeinderat) genehmigte diesen Beschluß der Gemeindevorstehung (Gemeindevorstand) erst am 25. September 1986. Der Kaufpreis wurde von der klagenden Partei gerichtlich erlegt. Behauptungen, daß letzteres nicht zeitgerecht erfolgt sei ,liegen nicht vor.

Zwischen den Parteien herrscht Streit über die Rechtsfrage, ob die genannten Vorgänge eine wirksame Ausübung des Vorkaufsrechtes darstellen oder nicht.

Die klagende Partei vertritt die Auffassung, sie habe die Liegenschaft innerhalb der dreißigtägigen Frist des § 1075 ABGB wirklich eingelöst und begehrt die Einwilligung zur Einverleibung ihres Eigentumsrechtes.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß nach den Bestimmungen der Salzburger Gemeindeordnung nur die Gemeindevertretung, nicht die Gemeindevorstehung über die Ausübung des Vorkaufsrechtes entscheiden habe können. Bevor der Kaufpreis bekannt gewesen sei, habe der Gemeinderat der Gemeindevorstehung die Ausübung dieses Rechtes nicht im vorhinein delegieren können. Die Genehmigung der Aufsichtsbehörde ersetze den fehlenden Beschluß des Gemeinderates nicht. Ein Fall eines sogenannten Notgeschäftsführungsrechtes des Bürgermeisters oder der Gemeindevorstehung habe nicht vorgelegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Erstgericht war der Auffassung, daß zwar die Gemeindevertretung die Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht an die Gemeindevorstehung delegieren konnte, wohl aber habe ein Fall der Notgeschäftsführung durch den Bürgermeister nach § 39 Abs 3 Salzburger Gemeindeordnung vorgelegen. Schon die Dauer der Ausübungsfrist von nur dreißig Tagen, in welcher Frist neben der Erwirkung des Gemeinderatsbeschlusses auch noch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einzuholen war, rechtfertige die Annahme, daß ohne Nachteil für die Sache und Gefahr eines Schadens für die Gemeinde nicht abgewartet werden konnte, bis der Gemeinderat beschlossen hatte. Da überdies die Frist in die Urlaubszeit gefallen sei, habe naturgemäß mit einer vermehrten Verhinderung von Mitgliedern des Gemeinderats gerechnet werden müssen.

Das Berufungsgericht ließ offen, ob ein Fall des § 39 Abs 3 Sbg GemO vorliege, nahm jedoch an, daß schon der Gemeinderatsbeschluß vom 19.Dezember 1985 die Gemeindevorstehung wirksam ermächtigt habe, das Vorkaufsrecht auszuüben. Die Gemeindevorstehung habe nur mehr zu prüfen gehabt, ob das Anbot finanzierbar sei, was keine Mißachtung der §§ 30 Abs 2 und 68 Abs 1 lit b Sbg GemO darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Gemäß § 1075 ABGB hat die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch "wirkliche Einlösung" zu geschehen, das heißt, es muß die Ausübungserklärung abgegeben werden und die Zahlung des Kaufpreises erfolgen (Faistenberger, Das Vorkaufsrecht 166 f; Bydlinski in Klang2 IV/2 841). Durch die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechtes entsteht zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten ein Kaufverhältnis (Bydlinski aaO 847). Daraus folgt, daß das Vorkaufsrecht einer Gemeinde von jenem Organ der Gemeinde auszuüben ist, das auch zum Abschluß eines Kaufvertrages zuständig wäre.

Die Salzburger Gemeindeordnung 1976, LGBl 56 bestimmt hiefür folgendes:

Der Abschluß von Kaufverträgen obliegt gemäß der Generalklausel des § 18 Abs 1 dem Gemeinderat (Gemeindevertretung). Gemäß § 68 Abs 1 lit b ist für den Erwerb von "Grundvermögen" (ausgenommen unbebaute Grundstücke, soweit hiefür nicht eine Leibrente gewährt werden soll) überdies die Genehmigung der Landesregierung erforderlich. Gemäß § 30 Abs 2 kann zwar der Gemeinderat mit der Beschlußfassung für ihm obliegende Aufgaben einen Ausschuß oder gemäß § 31 Abs 7 auch den Gemeindevorstand bestellen, doch scheidet eine solche Delegation gemäß § 30 Abs 2 lit b für Beschlüsse aus, die zu ihrer Gültigkeit einer behördlichen Genehmigung bedürfen. Gemäß § 39 Abs 3 (vgl zur Problematik dieser Bestimmung Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 156 f) wird die Gemeinde nicht verpflichtet und bei synallagmatischen Verträgen demnach auch nicht berechtigt, wenn einer schriftlichen Verpflichtungserklärung des Bürgermeisters und des im § 39 Abs 1 genannten weiteren Gemeinderatsmitgliedes nicht ein entsprechender Beschluß des Gemeinderates zugrunde liegt. Gemäß § 38 Abs 3 ist der Bürgermeister in Fällen, wo ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde nicht abgewartet werden kann, bis die Gemeindevertretung entscheidet, berechtigt, unter seiner Verantwortung die unbedingt erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ohne daß hierauf die Bestimmung des § 39 Abs 3 anzuwenden wäre. Er hat jedoch solche Maßnahmen unverzüglich der Gemeindevertretung zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die klagende Partei ihr Vorkaufsrecht innerhalb der dreißigtägigen Frist des § 1075 ABGB wirksam ausgeübt hat:

Da der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 19.Dezember 1985 die Ausübung des Vorkaufsrechtes schon grundsätzlich beschlossen hatte und dem Gemeindevorstand nur die Überprüfung des Preises und dessen Deckung im Budget der Gemeinde übertragen wurde, lag im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes keine unzulässige Delegation vor. Der Gemeinderat hat nicht die Entscheidung über den Abschluß des Kaufvertrages dem Gemeindevorstand übertragen, sondern er hat diese Entscheidung selbst getroffen und dem Gemeindevorstand die Ausführung dieses Beschlusses für den Fall übertragen, als der Kaufpreis gewissen Bedingungen entspricht.

Es lagen aber im Sinne der Ausführungen des Erstgerichtes auch die Voraussetzungen für die Ausübung des sogenannten Notgeschäftsführungsrechtes vor. Der Bürgermeister mußte nicht zunächst die Verzögerungen riskieren, die mit dem Versuch einer Einberufung des Gemeinderates in der Urlaubszeit verbunden waren, sondern konnte sofort selbst entscheiden. Die in der Revision dazu geltend gemachten Feststellungsmängel liegen nicht vor. Es muß nicht untersucht werden, ob zu diesem Zeitpunkt alle Gemeinderatsmitglieder tatsächlich erreichbar gewesen wären, weil schon die Gefahr, hier könnte es Verzögerungen geben, ausreicht. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16557

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00554.88.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19890222_OGH0002_0030OB00554_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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