TE OGH 1989/2/23 7Ob521/89

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Veröffentlicht am 23.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Frieda R***, Gebäudeverwalterin, Wien 15., Mariahilferstraße 196, vertreten durch Dr. Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermine W***, Hausfrau, Wien 5., Gumpendorferstraße 59-61/3/1, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 9. November 1988, GZ 41 R 600/88-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. März 1988, GZ 42 C 273/86m-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Der Zwischenantrag der beklagten Partei, es werde festgestellt, daß sie nicht Hauptmieterin der Geschäftsräume top. Nr. 1/23/16/17 im Hause Wien 6., Webgasse 3, ist, wird abgewiesen. In der Hauptsache werden die Urteile der Untergerichte aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Mietverträgen vom 31. Jänner 1966 und 31. Juli 1975 vermietete die Klägerin der Maria K*** die in den Mietverträgen näher bezeichneten Räume im Hause Wien 6., Webgasse 3, zur Führung eines Gasthauses. Mit Leibrentenvertrag vom 25. September 1985 übergab Maria K*** ihr an dem obgenannten Standort betriebenes Unternehmen an die Beklagte gegen eine monatliche Leibrente von S 6.000,--. Der letzte Absatz des Punktes IV des Leibrentenvertrages hat folgenden Wortlaut: "Obwohl die Übernehmerin verfügungsberechtigt ist, verbleibt das Objekt bis zur vollständigen Bezahlung, also bis zum Lebensende der Übergeberin, in deren Eigentum. Somit verbleiben auch die Hauptmietrechte bis zu diesem Zeitpunkt bei der Übergeberin."

Die Klägerin erklärt die Aufhebung des Bestandvertrages aus dem Grund des § 1118 zweiter Fall ABGB und begehrt die Räumung des Bestandobjektes.

Die Beklagte bestreitet das Vorliegen des behaupteten Aufhebungsgrundes. Sie vertritt im übrigen den Standpunkt, daß sie aufgrund des vereinbarten Eigentumsvorbehaltes an dem Unternehmen nicht Bestandnehmerin geworden sei und stellte auch einen Zwischenantrag auf Feststellung in diesem Sinn.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Zwischenantrages der Beklagten und wies das Klagebegehren ab.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes könne sich derjenige, der sein Unternehmen aufgrund eines Leibrentenvertrages einem anderen übergebe, die zum Unternehmen gehörigen Bestandrechte bis zum Eintritt einer Bedingung vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt sei hier zwischen den Vertragsparteien des Leibrentenvertrages vereinbart worden. Hauptmieterin der Geschäftsräumlichkeiten sei daher nach wie vor Maria K***.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Ein Eintritt der Beklagten in das Mietverhältnis wäre nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Unternehmensveräußerung im Sinnen des § 12 Abs. 3 MRG erfolgt. Zur Erfüllung dieses Tatbestandes müsse eine endgültige Übertragung der Rechte an einem Unternehmen etwa durch Kauf, Schenkung, Übergabs- oder Leibrentenvertrag vorliegen. Nach dem Inhalt des zwischen Maria K*** und der Beklagten abgeschlossenen Leibrentenvertrages liege aber keine endgültige Übertragung vor, weil das Eigentum an dem Unternehmen erst mit vollständiger Bezahlung des Preises auf die Beklagte übergehe. Bis zum endgültigen Eigentumsübergang könnten daher auch die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 MRG nicht eintreten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist berechtigt.

Beizupflichten ist der Revisionswerberin darin, daß der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 30. April 1969, SZ 42/65, die Zulässigkeit eines Eigentumsvorbehaltes an einem veräußerten Unternehmen verneint und ausgesprochen hat, daß taugliches Objekt eines Eigentumsvorbehaltes nur Fahrnisse sein können. Dagegen wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß ein Eigentumsvorbehalt insgesamt auch beim Unternehmenskauf zulässig sei, wobei allerdings bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes bezüglich des Unternehmens konstruktiv die Einzelsachen so weit zu Sachgesamtheiten zusammenzufassen sind und darauf ein jeweils einheitlicher Eigentumsvorbehalt zu beziehen ist, als sie "an sich" Gegenstand eines einheitlichen Verfügungsgeschäftes des Eigentümers sein können (Aicher in Rummel ABGB Rdz 35 zu § 1063; Schwimann-Binder ABGB IV/1 Rdz 15 zu § 1063). Die Frage der Wirksamkeit des von den Parteien des Leibrentenvertrages bezüglich des ganzen Objektes vereinbarten Eigentumsvorbehaltes in bezug auf einzelne Unternehmensbestandteile kann hier jedoch unerörtert bleiben. Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen und führt der Erwerber das erworbene Unternehmen im Mietgegenstand weiter, so tritt er gemäß § 12 Abs. 3 MRG kraft Gesetzes in das Mietverhältnis ein (MietSlg. XXXVI/12). Nach einhelliger Ansicht kann unter Veräußerung nur eine endgültige Übertragung der Rechte am Unternehmen verstanden werden, wie durch Kauf, Schenkung, Übergabs- oder Leibrentenvertrag, Sicherungsübereignung etc., nicht aber auch eine Übertragung auf Zeit wie etwa durch Verpachtung (Würth in Rummel ABGB Rdz 8 zu § 12 MRG; Würth-Zingher, MRG2 55; Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 320 f). Eine Veräußerung setzt daher ein Rechtsgeschäft voraus, das seiner Art nach darauf gerichtet ist, im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Änderung in der sachenrechtlichen Zuständigkeit an der Gesamtsache Unternehmen herbeizuführen. Auf eine solche Änderung und nicht bloß auf eine Übertragung auf Zeit ist aber ein Rechtsgeschäft auch dann gerichtet, wenn das Verfügungsgeschäft (die Übertragung) aufgrund eines vereinbarten Eigentumsvorbehaltes aufschiebend bedingt erfolgt. Beim Eigentumsvorbehalt erlangt der Käufer durch Übergabe Rechtsbesitz, possessorischen Schutz gegen jedermann und ein besonderes, auch übertragbares Anwartschaftsrecht; lediglich sein Eigentumserwerb ist aufschiebend bedingt (Koziol-Welser8 II 144). Fraglich kann demnach nur sein, ob bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt der Mietrechtsübergang erst mit dem Eintritt der Bedingung, der vollständigen Bezahlung des Entgeltes, erfolgt. Den Widerstreit zwischen den Interessen des Vermieters an einer angemessenen Nutzung seines Eigentums und den Interessen des Mieters an einer Verwertung des im Mietobjekt betriebenen Unternehmens entschied die Rechtsprechung zugunsten des Mieters. Diese Rechtsprechung führte zu den sogenannten gespaltenen Schuldverhältnissen. Zweck des § 12 Abs. 3 MRG war es, das Entstehen solcher Schuldverhältnisse und der damit verbundenen Unsicherheiten zu verhindern und den Interessenwiderstreit einer sachgerechten Lösung zuzuführen (vgl. Würth aaO Rdz 7 zu § 12 MRG). Nach dem Regelungszweck kann es aber nicht darauf ankommen, ob ein Eigentumsvorbehalt zwischen Veräußerer und Erwerber des Unternehmens vereinbart wurde und ob die Übereignung von Bestandteilen des Unternehmens nur aufschiebend bedingt erfolgt, weil andernfalls wieder eine einem gespaltenen Mietverhältnis ähnliche Rechtslage gegeben wäre. Liegt ein auf endgültige Änderung der sachenrechtlichen Zuständigkeit am Unternehmen gerichtetes Rechtsgeschäft vor, tritt die Rechtsfolge des § 12 Abs. 3 MRG, der Eintritt des Erbwerbers in den Bestandvertrag, bereits mit dem vereinbarten Übergabstermin, mangels eines solchen mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (SZ 57/191) auch dann ein, wenn zwischen den Vertragsparteien ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde. Der Eintritt des Erwerbers in das Bestandverhältnis erfolgt kraft Gesetzes, sodaß sich der Veräußerer auch die Mietrechte nicht wirksam vorbehalten kann (Würth aa0). Übergabe und Unternehmensfortführung sind im vorliegenden Fall nicht strittig. Dem zwischen der Beklagten und Maria K*** vereinbarten Mietrechtsvorbehalt kommt nach dem Gesagten keine Bedeutung zu. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist daher die Beklagte ohne Rücksicht auf den vereinbarten Eigentumsvorbehalt (mag er nun zur Gänze unwirksam oder in Ansehung einzelner Bestandteile des Unternehmens wirksam sein) in das Bestandverhältnis eingetreten und daher auch passiv klagslegitimiert. Daraus folgt, daß der Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung abzuweisen ist, im übrigen aber die Urteile der Untergerichte zwecks Prüfung des strittigen Aufhebungsgrundes aufzuheben sind.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 52 Abs. 2 und 393 Abs. 4 ZPO.

Anmerkung

E16860

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00521.89.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19890223_OGH0002_0070OB00521_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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