TE OGH 1989/2/28 15Os14/89

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Veröffentlicht am 28.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Februar 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Lässig als Schriftführer in der Strafsache gegen Ludwig K*** wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.September 1986, GZ 11 Vr 1716/85-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem eingangs bezeichneten, unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. September 1986 wurde über Ludwig K***, der im ersten Rechtsgang zu vier Monaten (unbedingter) Freiheitsstrafe verurteilt worden war und, ohne daß auch vom öffentlichen Ankläger ein Rechtsmittel ergriffen worden wäre, mittels Nichtigkeitsbeschwerde die Verfahrenserneuerung erwirkt hatte, im zweiten Rechtszug wegen derselben strafbaren Handlungen eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verhängt, jedoch nach § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen; im Hinblick darauf, daß ihm im Gegensatz zum ersten Rechtsgang nunmehr die bedingte Strafachsicht gewährt wurde, vertrat das Gericht die Ansicht, durch den erneuerten Strafausspruch werde ungeachtet der Verhängung einer vergleichsweise längeren Freiheitsstrafe "das Verbot der reformatio in pejus § 290 StPO" nicht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dementgegen steht die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie die Feststellung eines dem erkennenden Gericht solcherart unterlaufenen Verstoßes gegen §§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO anstrebt, auf dem Standpunkt, "bei Verhängung von Freiheitsstrafen untersage das Verschlimmerungsverbot eine Erhöhung des Strafmaßes (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 39 zu § 293); eine solche könne auch durch Gewährung bedingter Strafnachsicht - wie dies vorliegend geschehen sei - nicht ausgeglichen werden, weil der Verurteilte im Widerrufsfall (§ 53 Abs. 1 StGB) durch Verbüßung der längeren Freiheitsstrafe schlechter gestellt werden würde".

Dieser Auffassung vermag sich der Oberste Gerichtshof mit Bezug auf die zur Zeit der bekämpften Entscheidung wirksam gewesene Rechtslage nicht anzuschließen.

Denn bis zum Inkrafttreten des StrÄG 1988 wurden die zur Entscheidung darüber, welche von zwei in Betracht kommenden Strafen die nach § 290 Abs. 2 StPO "strengere" sei, miteinander zu vergleichenden Sanktionen einer jeweils alle Aspekte, also Strafart, Strafmaß und bedingte Strafnachsicht, zusammenfassenden Gesamtbewertung unterzogen, bei der im Fall gegenläufig unterschiedlicher Faktoren - wie etwa beim Vergleich einer bedingten Freiheitsstrafe mit einer unbedingten Geldstrafe oder einer geringeren unbedingten mit einer höheren bedingten Strafe - der insgesamt dominierende Gesichtspunkt den Ausschlag gab. In diesem Sinn wurde aber nicht nur der bedingten Freiheitsstrafe (wegen des vergleichsweise gewichtigeren Übels-Charakters jener Strafart) im Verhältnis zur unbedingten Geldstrafe die Bedeutung einer insgesamt strengeren Unrechtsfolge beigemessen (SSt 43/58 = verst.Sen., SSt 46/73 uva), sondern gleichermaßen bei Sanktionen derselben Art, und zwar unabhängig von deren Ausmaß, der sofort vollstreckbaren Strafe (wegen der vergleichsweise stärkeren Fühlbarkeit des - sei es auch geringer dimensionierten - Strafübels) im Verhältnis zur bedingt nachgesehenen (12 Os 41/87); der bloßen Möglichkeit eines künftigen Vollzuges der höheren Strafe im Fall eines späteren Widerrufs der bedingten Nachsicht kam demgegenüber im Rahmen des Gesamtvergleichs kein entscheidendes Gewicht zu. Aus der in der Beschwerde zitierten, einen anderen Problemkreis betreffenden Judikatur ist insoweit nichts Gegenteiliges abzuleiten.

Mit Art II Z 46, 75 lit a StrÄG 1988 allerdings wurden §§ 295 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO - wonach auf Grund einer lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffenen Berufung "keine strengere" Strafe als die im angefochtenen Urteil ausgesprochene verhängt werden darf - dahin geändert, daß "jedoch" auf Antrag des Angeklagten oder mit seiner Zustimmung an Stelle einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden darf, die nicht bedingt nachgesehen wird.

Daraus - und zwar arg. "jedoch" als Gegensatz zu "keine strengere Strafe", wobei die daraus resultierende nunmehrige Legalbewertung der unbedingten Geldstrafe als im Verhältnis zur bedingten Freiheitsstrafe "strengere" Sanktion im Hinblick auf den nach wie vor evident gewichtigeren Übels-Charakter der Freiheitsstrafe augenscheinlich allein auf den Aspekt der Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht gemünzt ist - folgt in der Tat, daß sich das Verschlimmerungsverbot seit der in Rede stehenden Reform punktuell auf jedes einzelne Übelskriterium einer Sanktion erstreckt, also auf Strafart, Strafmaß und bedingte Strafnachsicht in jeweils gesonderter Bewertung, wobei aber dem Angeklagten die Möglichkeit eingeräumt ist, im Interesse einer von ihm angestrebten Milderung der Strafart prozessual ausnahmsweise auch eine teilweise Verschärfung der konkret über ihn verhängten Sanktion, jedoch nur in bezug auf deren sofortige Vollstreckbarkeit, zu beantragen oder in Kauf zu nehmen.

In den Materialien (JAB, 359 d.Beil. XVII. GP, 46 f.) hat der Gesetzgeber eben das unmißverständlich mit dem Hinweis darauf zum Ausdruck gebracht, daß dem Angeklagten durch die (im Bereich der §§ 290 Abs. 2, 293 Abs. 3 StPO gleichermaßen wirksame) Änderung der Bestimmungen über das Verschlimmerungsverbot die - durch die Verweigerung seiner (nur im zuvor relevierten Belang beachtlichen) Zustimmung zu einer teilweisen Verschärfung der von ihm bekämpften Sanktion realisierbare - Möglichkeit "eines in jeder Hinsicht lediglich auf seinen Vorteil ausgerichteten Rechtsmittels" offengehalten werden soll.

Aus dieser mit dem 1.März 1988 wirksam gewordenen Änderung der Rechtslage ist aber für die Annahme einer bei der bekämpften Entscheidung am 16.September 1986 unterlaufenen Gesetzesverletzung nichts zu gewinnen, sodaß die Wahrungsbeschwerde aus den dargelegten Erwägungen zu verwerfen war.

Anmerkung

E17647

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0150OS00014.89.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19890228_OGH0002_0150OS00014_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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