TE OGH 1989/3/14 2Ob524/89

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Veröffentlicht am 14.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Graf als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander T***, geboren am 18.März 1983, infolge Revisionsrekurses der Mutter Elfriede Gabriele T***, Angestellte, Hütteldorferstraße 150-158/14/5, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 12.Jänner 1989, GZ 47 R 857/88-51, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 27.Oktober 1988, GZ 7 P 160/87-47, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 18.3.1983 geborene Alexander T*** ist ein eheliches Kind der Elfriede und des Christian T***. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 30.7.1987 nach § 55a EheG geschieden. Anläßlich der Ehescheidung schlossen die Eltern am 30.7.1987 vor dem Bezirksgericht Döbling einen Vergleich, in dem sie unter anderem vereinbarten, daß die Elternrechte dem Vater allein zustehen (Punkt I) und daß der Mutter ein im einzelnen geregeltes umfangreiches Besuchsrecht eingeräumt wird (Punkt II). Dieser Vergleich wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5.10.1987 (ON 20) in Ansehung des Kindes pflegschaftsbehördlich genehmigt. In der Folge verweigerte der Vater der Mutter wiederholt die Ausübung ihres Besuchsrechtes im wesentlichen mit der Begründung, daß sich bei der Besuchsrechtsausübung auftretende Unzukömmlichkeiten zum Nachteil des Kindes auswirkten. Der Vater beantragte eine Einschränkung des Besuchsrechtes der Mutter (ON 26), die Mutter stellte mehrfache Anträge auf Durchsetzung des ihr eingeräumten Besuchsrechtes nach § 19 AußStrG.

Mit einem am 19.1.1988 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz stellte die Mutter den Antrag, die Elternrechte ihr zu übertragen, weil der Vater die Ausübung ihres Besuchsrechtes verhindere, das Kind gegen sie beeinflusse und es zeitweise von der Großmutter väterlicherseits beaufsichtigen lasse, die gegen die Mutter eingestellt sei (ON 29).

Am 7.6.1988 schlossen die Eltern vor dem Erstgericht einen Vergleich, mit dem sie das der Mutter zustehende Besuchsrecht neu regelten (ON 43). Am 27.9.1988 erklärte die Mutter vor dem Erstgericht, daß es bei der Besuchsrechtsausübung seit 26.8.1988 keine Schwierigkeiten mehr gebe; sie halte aber den Antrag, ihr die Elternrechte zu übertragen, aufrecht, weil die Erziehungssituation beim Vater nach wie vor unzulänglich sei (ON 46).

Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter, ihr die Elternrechte zu übertragen, ab.

Der eingeholte Bericht des Bezirksjugendamtes für den 19.Bezirk samt dem Gutachten des Psychologischen Dienstes lasse erkennen, daß der Vater allzusehr unter dem Einfluß seiner Mutter gestanden sei, dieser zu oft die Erziehung des Kindes überlassen habe, bereit gewesen sei, "bis zum letzten um sein Kind zu kämpfen" und durch seine negative Einstellung zur Ausübung des Besuchsrechtes das Kind fortwährend seelischen Konflikten unterworfen habe. Andererseits stelle nach dem Gutachten des Psychologischen Dienstes die Übertragung der Elternrechte eine schwer zu verkraftende Umstellung dar. Unter Abwägung aller Umstände werde geraten, das Kind beim Vater zu belassen, wobei dies nach Meinung des Jugendamtes davon abhängig zu machen sei, daß das Besuchsrecht funktioniere und der Vater von einer negativen Beeinflussung des Kindes absehe. Eine bereits getroffene Regelung der Elternrechte solle nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls oder zumindest aus besonders wichtigen Gründen abgeändert werden. Die Eltern hätten nach langen Streitigkeiten doch eine Einigung getroffen und es sei auf Grund der Tatsache, daß seit 26.8.1988 keine Schwierigkeiten mehr aufgetreten seien, anzunehmen, daß eine Beruhigung in der Situation des Kindes eingetreten sei. Wenn der Psychologische Dienst des Jugendamtes schon vor Erzielung der Einigung der Eltern unter Abwägung aller Umstände empfohlen habe, das Kind beim Vater zu belassen, müsse dies um so mehr für den Fall der Beruhigung der Situation gelten. Es müßte geradezu als Gefährdung des Kindeswohls angesehen werden, das nunmehr etwas beruhigte Kind aus dieser Situation wieder herauszureißen und einer schwer zu verkraftenden Umstellung zu unterwerfen.

Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs der Mutter gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß keine Folge.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, auch aus den Rekursausführungen der Mutter ergebe sich, daß das zugrundeliegende Problem in der Besuchsrechtsausübung wurzle. Daß eine gewisse Beeinflussung des Kindes durch den Vater bzw. die Großmutter väterlicherseits bestanden habe, ergebe sich auch aus der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes. In dieser Stellungnahme sei jedoch darauf hingewiesen worden, daß trotz der sich daraus ergebenden Probleme der Belassung des Kindes in der ihm gewohnten Betreuungssituation gegenüber einer erforderlichen Umgewöhnung bei einer Übertragung der Elternrechte an die Mutter der Vorzug zu geben sei.

Eine Änderung der Zuerkennung der Elternrechte setze ein Verhalten des berechtigten Elternteils voraus, das das Wohl des Kindes gefährde. Eine solche Änderung dürfe nur angeordnet werden, wenn sie im Interesse des Kindes dringend geboten sei, wobei bei Beurteilung dieser Frage grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen sei. Wenn die Elternrechte bereits einem Elternteil zuerkannt seien, sei ihre Übertragung an den anderen nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB möglich. Dies sei dann der Fall, wenn er seine Pflichten objektiv nicht erfülle oder subjektiv gröblich vernachlässige. Eine generelle Abwägung, welche Zuteilung dem Wohl des Kindes mehr entsprechen würde, habe somit dann, wenn eine Regelung, von der abgegangen werden solle, schon einmal erfolgt sei, nicht mehr zu erfolgen. Dem erziehungsberechtigten Elternteil stehe es auch zu, bei der Betreuung des Kindes dritte Personen beizuziehen, sodaß gegen den zeitweiligen Aufenthalt des Pflegebefohlenen bei der Großmutter väterlicherseits grundsätzlich keine Bedenken bestünden. Daß die Mutter ihr umfangreiches Besuchsrecht fallweise nicht ausüben habe können, sei allein kein Grund für eine Änderung der bestehenden Elternrechtsregelung. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter. Sie bekämpft sie aus den Rechtsmittelgründen der Nullität und der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Stattgebung des Antrages der Mutter, die Elternrechte ihr zu übertragen, abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist zurückzuweisen.

Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG findet im außerstreitigen Verfahren gegen bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.

Der im Rechtsmittel der Mutter behauptete Rechtsmittelgrund der Nichtigkeit liegt nicht vor. Die Nichtbeachtung von Neuerungen durch das Rekursgericht stellt grundsätzlich bloß einen Verfahrensmangel dar, der im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses höchstens dann aufgegriffen werden könnte, wenn er in seinen Auswirkungen einer Nichtigkeit gleichkäme (EFSlg.44.686, 52.747 uva). Dies trifft hier nicht zu. Auch Verstößen gegen die Stoffsammlungspflicht (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) kommt grundsätzlich nicht das Gewicht einer Nichtigkeit zu (EFSlg.52.802 ua). Auch derartige Verfahrensmängel können nur dann erfolgreich mit einem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn ihnen das Gewicht einer Nullität zukommt (EFSlg 44.682, 52.804 uva). Unter diesen Gesichtspunkten begründet die von der Mutter gerügte Unterlassung der Einholung eines kinderfachpsychologischen Gutachtens nicht den Rechtsmittelgrund der Nullität. Die Vorinstanzen haben sich unter Heranziehung anderer Beweismittel mit der Frage befaßt, ob das Wohl des Kindes durch seinen weiteren Verbleib beim Vater gefährdet wäre, und haben auf Grund der ihnen vorliegenden Verfahrensergebnisse diese Frage verneint. Der von der Mutter geltend gemachte Rechtsmittelgrund der Nullität liegt somit nicht vor.

Der im § 16 Abs 1 AußStrG normierte Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung nur gegeben, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg 44.642, 52.757 uva). Bei der Entscheidung über die Zuteilung der Elternrechte handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, deren offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann bejaht werden könnte, wenn die dafür maßgebenden Kriterien, insbesondere das Wohl des Kindes, nicht berücksichtigt worden wären (EFSlg 44.657, 52.781 ua). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil sich die Vorinstanzen, wie bereits ausgeführt, mit der Frage, ob das Wohl des Kindes durch seinen Weiterverbleib beim Vater gefährdet wäre, befaßt und diese Frage verneint haben. Die sachliche Richtigkeit dieser Beurteilung ist der Überprüfung im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses entzogen. Es liegt somit auch der Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht vor.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist daher mangels Vorliegens eines im § 16 Abs 1 AußStrG normierten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

Anmerkung

E16993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00524.89.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19890314_OGH0002_0020OB00524_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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