TE OGH 1989/3/21 11Os4/89

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Veröffentlicht am 21.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang H*** wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2, erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 13.Oktober 1988, GZ 7 Vr 901/86-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 StGB zu Punkt 4 des Urteilssatzes) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Punkten 1 bis 3 und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.August 1940 geborene (zuletzt beschäftigungslose) kaufmännische Angestellte Wolfgang H*** des Vergehens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB verurteilt. Ihm liegt zur Last, die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und nachangeführten Unternehmen einen 25.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt zu haben, indem er

1./ am 5.August 1985 in Rottal als Prokurist der Firma K*** Modevertriebs GesmbH & Co KG zur Bezahlung von Rechnungen der Firma I*** Schecks über 8.042 DM und 6.388 DM "ausstellte, diese jedoch selbst einlöste";

2./ am 6.August 1985 in Braunau am Inn als Prokurist der Firma K*** T*** F*** M*** GesmbH & Co KG Schecks über 43.540,12 S und 50.000 S sowie einen Bargeldbetrag von 5.680 S "als Zahlungen für Forderungen der Firma I*** deklarierte"; 3./ am 8.Oktober 1985 in Braunau am Inn im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Franz M*** als Prokurist der Firma K*** T*** F***

M*** GesmbH & Co KG 189.600 S an Erlös aus einem Grundstücksverkauf auf sein privates Konto überweisen ließ; 4./ am 4.November 1985 in Braunau am Inn als Prokurist der Firma K*** Modevertriebs GesmbH & Co KG Simbach sich Provisionen für den Abschluß von Versicherungsverträgen für Dienstnehmer in der Höhe von 650 DM "privat auszahlen ließ".

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen stieg der Angeklagte Wolfgang H*** im November 1984 in der von Franz M*** betriebenen Unternehmensgruppe zum Prokuristen der Firmen K*** T*** F*** M*** GesmbH & Co KG und K***

Modevertriebs GesmbH & Co KG auf. Nachdem er im Juni 1985 gemeinsam mit Franz M*** und Kurt S*** als weitere Gesellschafter die Firma K*** M*** T*** GesmbH gegründet und in diesem Unternehmen die Funktion eines Geschäftsführers übernommen hatte, kam es zunehmend zu einer Trübung seines Verhältnisses zu Franz M***. Um - so das angefochtene Urteil - seinen Einfluß innerhalb der Unternehmensgruppe zu stärken, fingierte der Angeklagte Verbindlichkeiten der Firma K*** M***

T*** GesmbH gegenüber der (von seiner Schwester Elke H*** geführten) Firma W. & E. D*** New York, indem er durch die den Punkten 1/ bis 3/ des Schuldspruchs zugrundeliegenden Manipulationen (die Scheckeinlösungen zu Punkt 2/ veranlaßte er durch die gutgläubige Firmenangestellte Sonja S***) die betreffenden Unternehmen um die jweils bezeichneten Beträge schädigte und dieses Geld als angebliche Zahlungen der Firma W. & E. D*** New York dem Konto der Firma K*** M*** T*** GesmbH zuführte. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zu der in Rede stehenden Firmengruppe per 31.März 1986 verfaßte Wolfgang H*** am (richtig:) 4. Dezember 1985 ein Schreiben, in dem er Franz M*** zum Anerkenntnis einer (Honorar-)Forderung der Elke H*** in der (dem Volumen der inkriminierten Transaktionen ungefähr entsprechenden) Höhe von 20.000 US-Dollar aufforderte. Der Angeklagte verantwortete sich im wesentlichen dahin, die Zahlungen auf das Konto der Firma K*** M*** T*** GesmbH seien von seiner Schwester Elke H*** (durch einen beauftragten, in den USA lebenden Freund namens Robert C***) geleistet worden, durch (vorgelegte) Bestätigungen eines amerikanischen Geldinstitutes über die Abhebung von jeweils 10.000 US- Dollar bescheinigt und hätten ihre Grundlage in einem Kooperationsvertrag zwischen den Firmen K*** M*** T*** GesmbH bzw. W. & E. D*** New

York. Diese Darstellung wie die weitere Behauptung des Angeklagten, mit den zu 1/ und 2/ des Schuldspruchs erfaßten Geldtransfers habe er tatsächliche Forderungen der Firma I*** beglichen, während er den zu Punkt 3 bezogenen Bargeldbetrag an Franz M*** persönlich als Schwarzgeld ausgehändigt habe, lehnte das Erstgericht vor allem deshalb als unglaubwürdig ab, weil sich die - von Franz M*** umfassend bestrittenen - Angaben des Angeklagten und seiner (in dem diesbezüglich angestrengten Zivilprozeß als Zeugin vernommenen) Schwester Elke H*** in wesentlichen Punkten widersprachen und wirtschaftlich unschlüssig waren, der (vom Angeklagten verfaßte und namens der Firmengruppe M*** ausschließlich von ihm selbst unterfertigte, dem Franz M*** nach dessen Angaben unbekannte) Kooperationsvertrag ein den in Rede stehenden Zahlungen nachfolgendes Datum (4.November 1985) aufwies, die verfahrensaktuellen Eingänge auf dem Konto der Firma K*** M*** T*** GesmbH zeitlich und

betragsmäßig mit den inkriminierten Geldabflüssen korrespondierten und letztlich in einem Schreiben der (nach der Urteilsbegründung allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit als "Scheinfirma" anzusehenden) Firma I*** mangelnder Zahlungseingang bestätigt wird.

Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch (sinngemäß nur) zu den Punkten 1/ und 2/ des Urteilssatzes mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu, soweit der Angeklagte im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) - sachlich schwerpunktmäßig als Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 - ein Eingehen der Urteilsbegründung darauf vermißt, daß die für die tatrichterliche Beweiswürdigung mitausschlaggebende (S 22, 23/II) und in der Hauptverhandlung verlesene (S 9/II) schriftliche Mitteilung der Firma I*** über den (mangels jedweder scheckmäßigen Tilgung) aufrechten Bestand ihrer Forderungen mit dem 30. Juni 1986 ein Datum aufweist, zu dem dieses (nach den Verfahrensergebnissen lediglich vom 10.Jänner 1985 bis zum 11. März 1986 registrierte - S 519/I) Unternehmen gar nicht mehr bestand. Kommt doch der Frage der Echtheit des in Rede stehenden Schreibens nicht nur bei isolierter Beurteilung seines inhaltsbezogenen Beweiswertes, sondern überdies im Zusammenhang mit nachstehenden Erwägungen wesentliche Bedeutung zu:

Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß die Firma K*** M*** T*** GesmbH ausschließlich mit Geldmitteln der Firma K*** Modevertriebs GesmbH & Co KG gegründet wurde (S 97, 525 ff/I) und der Angeklagte mit den dem Schuldspruch zugrundeliegenden, dem Konto des erstbezeichneten Unternehmens zugeführten Geldbeträgen verhältnismäßig kurze Zeit später ein im Geschäftsinteresse der Firma K*** T*** F***

M*** GesmbH & Co KG erwirktes Bankakkreditiv besicherte (ON 15, S 285 iVm ON 22, S 384 f/I), weshalb ihm eine Verfügung über dieses Geldvolumen entzogen war. Mag es auch im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit der Firma K*** M***

T*** GesmbH und der dementsprechenden vermögensrechtlichen Eigenständigkeit dieses Unternehmens (§ 61 GesmbHG) für die objektive Tatbestandsverwirklichung nach dem § 153 StGB unerheblich sein, ob bzw in welchem Zeitraum dem Angeklagten die Möglichkeit freien Zugriffs auf die inkriminierten Werte eröffnet war, so hätte es nach Lage des Falles zur gebotenen Auslotung der (nach dem Urteilssachverhalt wirtschaftlich nicht schlüssigen) subjektiven Tatkomponenten diesbezüglicher Beweisaufnahmen bedurft (die nach dem Akteninhalt indizierte, den Tathandlungen nachfolgende Verwendung der tatgegenständlichen Geldbeträge zur Besicherung eines Bankakkreditivs zugunsten des geschädigten Vermögensbereichs erweist sich unter dem Gesichtspunkt der inneren Tatseite strafbarer Untreue als nicht plausibel). Dies umso mehr, als mehrere (aktenkundige) Anhaltspunkte hinreichend Anlaß geben, auch die Überlegung in die Wahrheitsfindung miteinzubeziehen, daß der (noch in die Phase intakten Vertrauens zwischen dem Angeklagten und seinem Dienstgeber fallende) Vermögenstransfer (von der insolvenzbedrohten Firmengruppe des Franz M***) zu der (neu gegründeten) Firma K*** M*** T*** GesmbH allenfalls (als verdeckter Vermögensabfluß) vom umfassenden Einverständnis der ingerierten Unternehmensrepräsentanten (auch des Franz M***) getragen gewesen und vom Angeklagten in der Folge nach dem Bruch mit Franz M*** (siehe das Schreiben vom 4.Dezember 1985, S 17 ff/I) vor dem Hintergrund eines entsprechenden Wissens um rechtswidrige Geschäftspraktiken des Genannten der Durchsetzung eigennütziger Ziele zugrundegelegt worden sein könnte (vgl ua das Fehlen jedweder Geschäftstätigkeit der Firma K*** M***

T*** GesmbH - S 23/II, die Angaben des Zeugen Rudolf S*** über die Bereitschaft des Franz M*** zu ungesetzlichen wirtschaftlichen Sanierungsversuchen - ON 18, S 305 ff/I, die unterschiedlichen Rechtsgründe der behaupteten Forderung der Elke H*** im Schreiben vom 4.Dezember 1985 - "Honorar" - und im diesbezüglichen zivilgerichtlichen Verfahren - Vorleistungen in Geld - S 15 und 37 d.A 2 Cg 47/86 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, sowie die - aus der Sicht einseitig dolosen Vorgehens - nicht plausible Betrauung der Firmenangestellten Sonja S*** mit einzelnen Scheckeinlösungen im Zusammenhang mit dem Urteilsfaktum 2/).

Da dem angefochtenen Urteil - im Sinn des Beschwerdevorbringens - nicht zu entnehmen ist, daß die Tatrichter die erörterten (mit der Frage einer allfälligen Manipulation des relevierten Schreibens der Firma I*** im Kontext

erheblichen) Verfahrensergebnisse und die daran zu knüpfenden Überlegungen bei der Würdigung der Beweise mitberücksichtigt haben, haftet ihm (über den ausdrücklichen Einwand erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu den Punkten 1 bis 3 des Urteilssatzes zugrunde gelegten Tatsachen hinaus) eine Unvollständigkeit (Z 5) an, die ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf, in diesem Umfang eine Verfahrenserneuerung unvermeidbar macht (der damit in keinem sachlichen Zusammenhang stehende und vom - diesbezüglich im wesentlichen geständigen - Angeklagten nicht bekämpfte Schuldspruch zu Punkt 4 bleibt hievon unberührt).

Damit stand bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde fest, daß das Urteil spruchgemäß partiell aufzuheben und dementsprechend die Hauptverhandlung in erster Instanz neu durchzuführen sein wird (§ 285 e StPO). Auf Grund der (auch den Strafausspruch erfassenden) kassatorischen Entscheidung wurde die Berufung des Angeklagten gegenstandslos.

Auf die für den zweiten Rechtsgang maßgebliche Änderung in der sachlichen Zuständigkeit wird hingewiesen (Artikel XX Abs. 4, letzter Satz StRÄG 1987).

Anmerkung

E16964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00004.89.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19890321_OGH0002_0110OS00004_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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