TE OGH 1989/3/30 8Ob48/88

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Veröffentlicht am 30.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner, Dr. Huber und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***-W*** Handelsgesellschaft mbH & Co KG, 5301 Eugendorf 288, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Ernst C***, Rechtsanwalt, 4601 Wels,

Bahnhofstraße 10, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Walter F***, Schlossermeister, 4614 Marchtrenk, Roseggerstraße 104, wegen Erteilung von Informationen (Streitwert S 80.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Oktober 1988, GZ 4 R 240/88-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28. Juni 1988, GZ 9 Cg 70/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen

Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei stand mit dem Schlossermeister Walter F***, über dessen Vermögen vom Kreisgericht Wels zu S 23/87 am 7. April 1987 der Konkurs eröffnet wurde, in Geschäftsverbindung. Sie belieferte ihn mit Metallprofilen für den Fahrzeugbau, wobei sie sich - auch für den Fall der Weiterveräußerung - das Eigentum bis zur völligen Bezahlung vorbehielt und versprechen ließ, daß ihr Walter F*** alle zur Prüfung und Durchsetzung des (verlängerten) eigentumsvorbehalts erforderlichen Informationen gibt. Walter F*** blieb für die Lieferungen vom 3. Dezember 1986 bis 4. März 1987 S 282.276,30 zuzüglich Zinsen schuldig. Daraufhin nahm der Geschäftsführer der klagenden Partei Waren im Fakturenwert von S 99.367,56 zurück und stellte Walter F*** eine Gutschrift über S 79.496,04 aus. Im Konkurs des Walter F*** meldete die klagende Partei für die nicht bezahlten Warenlieferungen allerdings S 287.857,76 als Konkursforderung an, wovon der Masseverwalter S 188.490,76 als zu Recht bestehend anerkannte. Nach rechtskräftiger Erledigung des Prüfungsprozesses steht nunmehr fest, daß das Anerkenntnis des Masseverwalters die gesamte noch offene Kaufpreisforderung der klagenden Partei aus den Warenlieferungen an Walter F*** abdeckte.

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten als Masseverwalter im Konkurs des Walter F*** die Information darüber, an wen die von ihr an diesen seit 3. Dezember 1986 gelieferten Waren veräußert wurden und wann die jeweiligen Erwerber welchen Betrag dafür bezahlt haben. Sie begründet ihre Forderung im wesentlichen so: Es sei verlängerter Eigentumsvorbehalt dergestalt vereinbart worden, daß sich dieser im Falle der Weiterveräußerung der Ware oder eines Produkts, bei dem gelieferte Ware verarbeitet wurde, auch auf die hieraus resultierenden Forderungen erstreckt; diese Forderungen gelten sofort nach ihrer Entstehung als unwiderruflich an die Klägerin abgetreten. Es sei möglich, daß zumindest ein Teil der gelieferten Waren vor oder nach Konkurseröffnung weiterveräußert wurde und noch nicht oder schon bezahlt ist. Die Kenntnis dieser Umstände sei notwendig, um das Bestehen von

Aussonderungsbzw. Ersatzaussonderungs- und Absonderungsansprüchen präzise feststellen zu können. Der Masseverwalter sei an die vom Gemeinschuldner eingegangene diesbezügliche Verpflichtung in den Lieferverträgen gebunden. Diese seien beiderseits noch nicht vollständig erfüllt und damit ungeachtet des Konkurses über das Vermögen des Walter F*** aufrecht.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete gegen den Klageanspruch ein, daß der gegen den Gemeinschuldner erworbene Anspruch auf Informationserteilung im Konkurs nicht durchsetzbar sei; dieser könnte höchstens gemäß § 14 Abs 1 KO in Geld bewertet und als Konkursforderung geltend gemacht, also vorerst angemeldet werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, daß es die klagende Partei verabsäumt habe, ihren Anspruch auf Informationserteilung in Geld zu bewerten und im Konkurs des Walter F*** anzumelden. Die bezogenen Kaufverträge seien zwar nach wie vor aufrecht und damit auch vom Masseverwalter zu erfüllen, doch müßten im Konkurs des Schuldners alle Forderungen in Geld umgewandelt und angemeldet werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und erklärte die Revision für zulässig, weil zu den unten näher behandelten Fragen bisher nur eine Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des Erstgerichtes stünde der klagenden Partei - wäre der beiderseitige Erfüllungsanspruch aus den bezogenen Kaufverträgen offen - gemäß § 46 Abs 1 Z 4 KO eine Masseforderung gegen den Beklagten auf Erteilung der begehrten Auskünfte zu. Eine solche Forderung unterliege nicht der Anmeldung; sie sei vielmehr sofort und ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen. Eine Masseforderung wäre der Erfüllungsanspruch aber nur dann, wenn der Masseverwalter in die Kaufverträge eingetreten wäre (§ 46 Abs 1 Z 4 KO); dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Vielmehr sei der Masseverwalter vom Vertrag zurückgetreten, weil die klagende Partei ihre Ansprüche als Konkursforderung geltend gemacht und der Masseverwalter sie als solche anerkannt habe. Aus dem festgestellten Verhalten des Beklagten ergebe sich, daß dieser jede weitere Vertragserfüllung ablehnte und dies auch hinreichend deutlich erklärte. Dies habe zur Folge, daß die klagende Partei gemäß § 21 Abs 2 KO nur mehr Nichterfüllungschäden aus den Verträgen mit dem Gemeinschuldner geltend machen kann. Derartige Ersatzansprüche gingen jedoch auf eine Geldleistung und seien im Konkursverfahren anzumelden. Ehe dies nicht geschehen sei, scheide die Geltendmachung durch Klage gemäß §§ 102, 110 KO aus. Eine solche Klage könnte im übrigen nur auf Feststellung der strittigen Konkursforderung gehen; die Abweisung des Klagebegehrens sei daher zu Recht erfolgt. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die klagende Partei vertritt in der Revision den Standpunkt, daß ein konkludenter Rücktritt vom Vertrag weder durch sie selbst noch durch den Masseverwalter erfolgt sei. Ein solcher hätte ohne entsprechende Sachverhaltsfeststellung nicht angenommen werden dürfen. Ihr sei ohne die im Klagebegehren geforderten Informationen die Verfolgung von Aussonderungs- und Ersatzaussonderungsansprüchen nicht möglich. Die Informationserteilung stehe somit in unmittelbarem Zusammenhang mit Aussonderungs- oder Absonderungsrechten und werde daher durch die Konkurseröffnung nicht berührt. § 11 KO wäre daher auch auf den vorliegenden Anspruch auf Erteilung der entsprechenden Informationen analog anzuwenden. Den Ausführungen der klagenden Partei kommt auf Grund der nachstehenden Erwägungen im Ergebnis Berechtigung zu:

Nach den getroffenen Feststellungen hat der beklagte Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung im Konkurs des Walter F*** - von hier nicht relevanten Teilbeträgen abgesehen - die als Kaufpreisforderung angemeldeten Konkursforderungen der klagenden Partei als solche anerkannt. Die Anerkennung einer Kaufpreisforderung schließt aber notwendigerweise auch die Anerkennung des Bestandes des zugrundeliegenden Kaufvertrages in sich; wäre der beklagte Masseverwalter tatsächlich von dem Kaufvertrag oder von den Kaufverträgen zurückgetreten, dann bestünden auch keine anerkennungsfähigen Kaufpreisforderungen der Klägerin mehr, sondern nur Schadenersatzansprüche (§ 21 Abs 1 Satz 2 KO), die jedoch nicht geltend gemacht wurden, daher auch nicht anerkannt werden konnten und auch nicht anerkannt worden sind. Im Gegensatz zu dem in HS 1865 geschilderten Fall erstreckte sich das Anerkenntnis des Masseverwalters auf die gesamte relevante Kaufpreisforderung aus den unter Eigentumsvorbehalt verkauften Metallprofilen, so daß die Unterstellung eines schlüssigen gegenteiligen Verhaltens, nämlich eines Vertragsrücktrittes, hier nicht zulässig ist.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit § 21 KO im Sinne der bisherigen Rechtsprechung (vgl etwa JBl 1957, 218 mit Glosse von Demelius) auch für den unter Eigentumsvorbehalt erfolgten Verkauf von Gegenständen anwendbar ist, zumal diese Bestimmung voraussetzt, daß der Kaufvertrag bei Konkurseröffnung noch von keiner Seite voll erfüllt ist; tatsächlich hat aber der Verkäufer alle ihn treffenden Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt, wenn er dem Käufer den Besitz an der veräußerten Sache wenngleich unter Eigentumsvorbehalt übertragen hat. Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, KO9, Rz 18 zu § 17 dKO, der § 21 öKO entspricht, mit weiteren Nachweisen) versuchen die Unterstellung des Vorkaufes mit Eigentumsvorbehalt unter die erwähnte Leistungsstörungsregel des Konkursrechtes damit zu begründen, daß es nicht auf die Erfüllungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg ankomme, und meinen, der Verkäufer habe solange den Vertrag nicht erfüllt, als das Eigentum an der Sache nicht auf den Käufer übergegangen sei; dabei wird aber übersehen, daß der Verkäufer keine weiteren Erfüllungshandlungen schuldet und der Eigentumsübergang vereinbarungsgemäß ausschließlich von der Erfüllung der Zahlungspflicht des Käufers abhängt, worauf der Verkäufer keine Ingerenz hat. Von einem Vertragsrücktritt des beklagten Masseverwalters - den dieser übrigens gar nicht behauptet hat - kann aber nach der Aktenlage keine Rede sein, so daß die klagende Partei bei Zutreffen der von ihr behaupteten Sachverhaltsvoraussetzungen das Recht hat, im Sinne der folgenden Erwägungen vom beklagten Masseverwalter die zur Ausübung ihrer aus dem vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt zustehenden Rechte erforderlichen Informationen zu verlangen:

Der Klägerin steht nach dem eigenen Vorbringen angeblich der Eigentumsvorbehalt mit Verlängerung für den Fall der Weiterveräußerung der Vorbehaltssachen zu; sie behauptet, daß vom Eigentumsvorbehalt erfaßte Sachen möglicherweise teilweise vor und teilweise nach Konkurseröffnung weiterveräußert worden seien, und daß sie deshalb Anspruch auf Auskunft habe, um ihre Ersatzaussonderungs- und/oder Absonderungsansprüche auf die im voraus (offenbar sicherungsweise) abgetretenen Kaufpreisforderungen gegen Dritterwerber ausüben zu können. Dabei sind folgende Fallgruppen denkbar:

Wurde das Aussonderungsgut nach Konkurseröffnung (vom beklagten Masseverwalter) weiterveräußert, kommt der Frage wesentliche Bedeutung zu, ob die klagende Partei bisher vom Kaufvertrag bzw. von den Kaufverträgen zurückgetreten ist oder nicht. Ein solches Rücktrittsrecht kann sie unabhängig von der erfolgten Geltendmachung der Kaufpreisforderung im Konkurs immer noch ausüben. In diesem Fall hätte die klagende Partei einen Ersatzaussonderungsanspruch aufgrund des Surrogationsprinzips gemäß § 44 Abs 2 KO (vgl. Klang1 II/2 1002; SZ 34/113; SZ 37/91 ua). Andernfalls stünde der klagenden Partei auf Grund der (behaupteten) Vorausabtretungsvereinbarung ein Absonderungsanspruch an der Kaufpreisforderung der Masse gegen den bzw die Dritterwerber zu (vgl. SZ 7/178, 5 Ob 687/77 ua). Wurde das Vorbehaltsgut schon vor der Konkurseröffnung weiter veräußert, dann hätte die klagende Partei für den Fall der Richtigkeit ihres Vorbringens auf Grund der Vorausabtretungsvereinbarung (verlängerter Eigentumsvorbehalt) ebenfalls einen Absonderungsanspruch an den Kaufpreisforderungen gegen den bzw. die Dritterwerber. In all diesen Fällen wäre ihr der beklagte Masseverwalter im Sinne des Klagebegehrens auskunftspflichtig. Dieser Auskunftsanspruch der klagenden Partei ist nicht von § 14 Abs 1 KO erfaßt, weil er nicht als Konkursforderung qualifiziert werden kann, wie das Erstgericht meinte; vielmehr handelt es sich um die Beschaffung der für die Durchsetzung von Ersatzaussonderungs- und/oder Absonderungsansprüchen notwendigen Voraussetzungen, die gemäß § 11 KO ebenso wie diese Ansprüche selbst von der Konkurseröffnung nicht berührt sind.

Da sich die Vorinstanzen, von anderen Rechtsansichten ausgehend, mit den dargelegten Problemen nicht auseinandergesetzt haben, war die Rechtssache unter Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E17089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00048.88.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19890330_OGH0002_0080OB00048_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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