TE OGH 1989/4/6 7Ob555/89

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Veröffentlicht am 06.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Rosa B***, geboren am 19. August 1904, Pensionistin, Graz, Bauernfeldstraße 21, vertreten durch Dr. Robert Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 22. Dezember 1988, GZ 2 R 480/88-514, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Oktober 1988, GZ 13 Sw 91/84-506, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die im 85. Lebensjahr stehende Rosa B*** wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 2. Dezember 1975 wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche beschränkt entmündigt. Zu ihrem Beistand wurde der Rechtsanwalt Dr. Helmut C*** bestellt. Nach der vom Sachwalter für den Zeitraum 1. Jänner 1985 bis 31. Dezember 1985 vorgelegten, vom Erstgericht genehmigten Pflegschaftsrechnung betrug das Reinvermögen der Behinderten zum 31. Dezember 1985 S 6,322.021,92, davon Liegenschaftsvermögen im Werte von S 3,360.500,--. Die Pflegschaftsrechnung für das Jahr 1987 weist zum 31. Dezember 1987 ein reines Vermögen von S 6,953.474,84 aus.

Die anwaltlich vertretene Pflegebefohlene stellte am 26. Juni 1987 den Antrag auf Aufhebung der Sachwalterschaft und auf Enthebung des Sachwalters, da sie in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen und ihr Liegenschaftsbesitz ohnedies ordnungsgemäß von Liegenschaftsverwaltern betreut werde; sie beantragte ferner, "eventuell" die Befugnisse des Sachwalters in einem neu zu fassenden Beschluß genauestens umfänglich festzulegen. In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 1988 beantragte die Betroffene, ihr monatlich einen Betrag von S 20.000,-- zur Verfügung zu stellen, da sie mit dem ihr derzeit zur Verfügung gestellten Betrag von monatlich S 14.000,-- nicht das Auslangen finde. Nach Einholung des Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung änderte das Erstgericht die bisher bestandene Sachwalterschaft dahin, daß der Sachwalter gemäß § 273 Abs. 3 Z 2 ABGB die Vermögensverwaltung und die Vertretung der Betroffenen gegenüber Ämtern und Behörden zu besorgen habe, und daß die Betroffene innerhalb dieses Wirkungskreises des Sachwalters über den ihr monatlich zur Verfügung gestellten Betrag von S 14.000,-- frei verfügen könne; das Mehrbegehren von S 6.000,-- wies es ab. Die zweite Instanz gab dem Rekurs der Betroffenen nicht Folge. Die anwaltlich vertretene Betroffene bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit - ao. - Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

Auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen gilt § 16 AußStrG (NZ 1987, 95), so daß bei bestätigenden Entscheidungen der zweiten Instanz der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität zulässig ist.

Soweit sie dafür in Betracht kommen, gelten die Nichtigkeitsgründe der Zivilprozeßordnung auch für das Außerstreitverfahren; doch ist in ganz besonderen Fällen auch anderen als den durch sinngemäße Anwendung des § 477 ZPO als nichtig angreifbaren Verfahrensverstößen das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen. Verfahrensverstöße begründen eine Nichtigkeit jedoch nur dann, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind, wie etwa, wenn die dem Gericht iS des § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben ist, daß dadurch die Grundprinzipien des Verfahrens vollkommen außer Acht gelassen wurden. Einen derartigen Verfahrensverstoß macht die Betroffene nicht geltend. Nach § 250 Abs. 1 AußStrG hat das Gericht zweiter Instanz das Verfahren ....... zu ergänzen oder neu durchzuführen, wenn der Betroffene dies beantragt oder das Gericht dies für erforderlich hält. Die Betroffene hat einen derartigen Antrag in ihrem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes weder ausdrücklich, noch schlüssig gestellt. Wird in dem genannten Rechtsmittel ausgeführt, es werde notwendig sein, daß das Gericht ganz genau überprüft, ob wirklich die vom Sachverständigen im Befund angeführten Gründe so zwingend sind, daß eine Fortdauer der Sachwalterschaft notwendig sei, und weiter, es lasse der gesamte vom Sachverständigen erhobene Befund keineswegs überzeugend den Schluß zu, daß (die Betroffene) tatsächlich geistig beeinträchtigt sei und (ihre) Aufgaben nicht gänzlich allein besorgen könnte, bringt die Betroffene nicht Zweifel an der Richtigkeit des vom Sachverständigen erhobenen Befundes und damit den Wunsch nach einer Ergänzung des Sachverhalts zum Ausdruck, sie macht vielmehr Bedenken gegen das Zutreffen der daraus gezogenen Schlußfolgerungen geltend. Mit diesen Bedenken aber hat sich das Rekursgericht eingehend auseinandergesetzt, und es hat auch begründet, weshalb es seinerseits eine Verfahrensergänzung nicht für erforderlich hält.

Der Vorwurf einer Aktenwidrigkeit - die dann gegeben wäre, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt den Akteninhalt (also den Inhalt einer Parteienbehauptung, eines Protokolls, einer Aussage, einer Urkunde, eines sonstigen Beweismittels oder eines sonstigen Aktenstückes) unrichtig wiedergegeben und solcher Art ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen hätte - ist dem Revisionsrekurs nicht zu entnehmen.

Die Betroffene behauptet in ihrem Rechtsmittel aber auch nicht, daß die Entscheidung der zweiten Instanz offenbar gesetzwidrig sei. Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit. Offenbare Gesetzwidrigkeit kann schon begrifflich nicht vorliegen, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, außer die Entscheidung verstößt gegen eine klare Gesetzeslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechtes oder sie ist ganz willkürlich oder mißbräuchlich.

Bei dem bekämpften Beschluß handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. In ihren Rekursausführungen macht die Betroffene Bedenken gegen die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung geltend. Bei dieser Beurteilung haben die Vorinstanzen jedoch weder gegen die Grundprinzipien des Rechtes verstoßen, noch auch haben sie den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum mißbräuchlich angewendet oder sind willkürlich vorgegangen. Dem Revisionsrekurs kann ein Vorwurf in dieser Richtung auch nicht entnommen werden.

Da sohin keiner der in § 16 AußStrG genannten Rekursgründe vorliegt, war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E17380

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00555.89.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19890406_OGH0002_0070OB00555_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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