TE OGH 1989/4/12 3Ob501/89

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Veröffentlicht am 12.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Kredit- und Leasinggesellschaft m.b.H., Wien 1., Parkring 20, vertreten durch Dr. Raimund Gehart, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** D*** & CO Aktiengesellschaft, Salzburg, Griesgasse 11, vertreten durch Dr. Georg Reiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Erteilung der Zustimmung zur Ausfolgung eines Betrages von 348.000 S s.A, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. September 1988, GZ 3 R 156/88-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. März 1988, GZ 2 Cg 411/86-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 11.901,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.081,95 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die mit der klagenden Partei fusionierte

A***-M***-G*** Gesellschaft mbH (kurz AMG)

vermietete (verleaste) mit Vertrag vom 4.11.1981 einen LKW an die Wilhelm P*** Hoch- und Tiefbau Gesellschaft mbH & Co KG (kurz P*** KG).

Im Frühjahr 1985 bezeichnete sich die P*** KG gegenüber der beklagten Partei (oder deren Rechtsvorgängerin Bankhaus D*** & Co) als Eigentümerin des LKW, legte einen Vertrag vor, nach welchem sie den LKW gegen Eigentumsvorbehalt an die H*** E*** Gesellschaft mbH (kurz H***) verkauft habe und trat diesen Eigentumsvorbehalt der beklagten Partei ab, welche diesen Kauf dann finanzierte.

Am 17.7.1985 wurde über die Vermögen der P*** KG und der H*** das Konkursverfahren eröffnet. Im Einvernehmen mit allen Beteiligten wurde der LKW vom Masseverwalter um 348.000 S veräußert. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Frage, welchem der Streitteile ein Aussonderungsrecht am Erlös dieses LKW zusteht. Die klagende Partei begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Ausfolgung des Erlöses an sie zuzustimmen, und macht geltend, daß die beklagte Partei nicht gutgläubig gewesen sei. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, sie habe infolge der ihr vorgelegten Rechnung und der Übergabe aller Fahrzeugpapiere darauf vertrauen dürfen, daß die P*** KG Eigentümer des LKW gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Die AMG hatte den LKW im Jahr 1979 von einer A*** gekauft, die den PKW vom Hersteller erworben hatte. Als sie den LKW der P*** KG vermietete (verleaste) wurde der Einzelgenehmigungsbescheid entgegen der Branchenübung an die P*** KG übergeben. Darin schien seit 11.6.1982 die P*** KG als Zulassungsbesitzerin auf (früher nur die A***). Weshalb in diesem Fall von der sonstigen Übung abgewichen wurde, war nicht feststellbar.

Der beklagten Partei war im Zeitpunkt der Finanzierung des Kaufvertrages zwischen der P*** KG und der H*** nicht bekannt, daß beide Gesellschaften zahlungsunfähig waren und der Kaufvertrag nur zu dem Zweck einer Geldbeschaffung vorgetäuscht wurde. Der beklagten Partei wurde der Einzelgenehmigungsbescheid übergeben. Einen Kaufvertrag über den Erwerb des LKW durch die P*** KG ließ sich die beklagte Partei nicht vorlegen. Sie stellte auch über die Bonität der H*** keine Erhebungen an, wußte aber, daß die H*** eine 100 %ige Tochterfirma der P*** KG war. Zur Prüfung der Bonität der P*** KG gegen die der beklagten Partei schon erhebliche Forderungen zustanden begnügte sich die beklagte Partei mit der Vorlage älterer Bilanzen. Sie fragte nicht nach, weshalb die H*** als reine Bauträgergesellschaft den hier strittigen LKW - zugleich mit einigen weiteren LKW, die nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites sind - kaufen sollte. Eine Besichtigung des LKW nahm die beklagte Partei nicht vor. Es ist nicht feststellbar, ob am LKW Schilder angebracht waren, die auf das Eigentum der klagenden Partei hingewiesen hätten.

Die Vorinstanzen gingen in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß der beklagten Partei kein Gutglaubenserwerb nach § 366 HGB oder § 367 ABGB zugute komme, weil ihr grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Der Zulassungsbesitzer müsse nicht Eigentümer sein, gerade bei LKW sei auf einen möglichen Eigentumsvorbehalt oder einen Leasingvertrag Bedacht zu nehmen, weshalb Nachforschungen über den Erwerb verlangt werden müßten. Dazu kämen die hohen Verbindlichkeiten der P*** KG und der verdächtige Umstand des Verkaufes an die Tochterfirma.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Eigentumsrecht der klagenden Partei ist entgegen der Ansicht der beklagten Partei hinreichend dargetan. Das Erstgericht hat durch die in den rechtlichen Ausführungen enthaltene Formulierung, die klagende Partei habe einen lückenlosen Nachweis der Eigentumsübertragungen seit der Erstehung der Fahrzeuge bis zu ihr selbst hin. erbracht, die vermißte Feststellung über die vorgenommene Übergabe des LKW von der Erzeugerfirma an die A*** und von dieser an die klagende Partei getroffen. Die beklagte Partei hat diese ergänzende Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes im Berufungsverfahren nicht gerügt.

Die Vorinstanzen haben aber auch einen gutgläubigen Eigentumserwerb der Revisionswerberin mit Recht verneint: Der beklagten Partei war nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, daß der strittige LKW nicht der P*** KG gehörte und diese nicht befugt war, über den LKW für den Eigentümer (klagende Partei) zu verfügen (§ 366 Abs 1 HGB):

Grobe Fahrlässigkeit ist ein Verhalten, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maß verletzt wurde und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im besonderen Fall auch ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und ohne besondere Überlegung jedem einleuchtet (HS X, XI/19 mwN). Die weite Verbreitung des Eigentumsvorbehaltes, der immer häufiger vorkommende Abschluß von Leasingverträgen über Kraftfahrzeuge und auch die Möglichkeit von Diebstählen rechtfertigen verschärfte Anforderungen an den Erwerber eines Kraftfahrzeuges. Dieser darf sich nicht mit den Erklärungen seines Vertragspartners begnügen, Eigentümer des Kraftfahrzeuges zu sein oder über die Sache verfügen zu können; er ist vielmehr gehalten, das Eigentum oder die Verfügungsberechtigung durch das Verlangen nach Vorlage von Urkunden, insbesondere der Rechnungen und Zahlungsbelege, zu überprüfen. Die Unterlassung solcher Nachforschungen ist grob fahrlässig (Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 11 zu § 366 mwN).

Es ist richtig, daß in der Praxis im allgemeinen der Fall vorkommt, daß der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges nicht Einsicht in den Typenschein (Einzelgenehmigung) nimmt und so nicht erfährt, wer dort als Zulassungsbesitzer aufscheint (JBl 1988, 313 uva). Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß bei Einsicht in die Kraftfahrzeugpapiere weitere Nachforschungen in jedem Fall entbehrlich sind, oder daß nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt, wenn solche unterlassen werden. Wenn vielmehr besondere Umstände den Verdacht nahelegen, der Vertragspartner könne unredlich sein, besteht die genannte Nachforschungspflicht auch dann, wenn er im Typenschein (Einzelgenehmigung) als Zulassungsbesitzer eingetragen ist.

Der Typenschein (Einzelgenehmigung) gibt grundsätzlich nicht Aufschluß darüber, wer Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigter ist (ZVR 1977/104). Zwar ist gemäß § 37 Abs 2 KFG bei der Erteilung der Zulassung glaubhaft zu machen, daß der Antragsteller der rechtmäßige Besitzer des Fahrzeuges ist oder es auf Grund eines Abzahlungsgeschäftes im Namen des rechtmäßigen Besitzers innehat. Gemäß § 37 Abs 2 lit e KFG ist aber die Eintragung als Zulassungsbesitzer auch möglich, wenn sich der rechtmäßige Besitz nur auf Grund eines Bestandvertrages ergibt, in welchem Fall nur die Zustimmungserklärung des Bestandgebers zur beantragten Zulassung vorzulegen ist. Diese Bestimmung muß analog auch für einen Leasingvertrag gelten. Die Eintragung eines bestimmten Zulassungsbesitzers im Typenschein (Einzelgenehmigung) besagt also nicht, daß dieser auch zum Verkauf des Kraftfahrzeuges befugt ist, es kann sich vielmehr auch nur um einen aus einem Abzahlungsgeschäft Berechtigten, dem nur die Anwartschaft auf das Eigentum zusteht, oder einen Bestandnehmer oder Leasingnehmer handeln. Im vorliegenden Fall legten mehrere gewichtige Indizien eine besondere Vorsicht der kreditgebenden Bank nahe. Ihr war bekannt, daß die als Vorbehaltskäufer bezeichnete H*** eine 100 %ige Tochtergesellschaft der als Vorbehaltsverkäufer auftretenden P*** KG war, und daß die H*** als reine Bauträgergesellschaft an sich keinen Bedarf nach mehreren gebrauchten LKW haben konnte. Obwohl der beklagten Partei gegen die P*** KG schon erhebliche Forderungen zustanden, begnügte sie sich bei der Bonitätsprüfung mit der Vorlage älterer Bilanzen dieser Gesellschaft, während die finanziellen Verhältnisse der H*** überhaupt nicht untersucht wurden. Es lag daher der Verdacht nahe, die P*** KG wolle sich unter Vortäuschung eines Scheingeschäftes mit der H*** zwecks Umgehung einer Sicherungsübereignung ohne wirkliche Übergabe (die nach der eigenen Darstellung der beklagten Partei in der Revision nicht verwirklichbar gewesen wäre) Geld beschaffen. Dieser Verdacht ergibt sich nicht erst aus einer unzulässigen ex-post-Betrachtung; schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mußten der beklagten Partei infolge der gegebenen Umstände Bedenken kommen, ob hier ein im Handelsverkehr übliches, normales Kaufgeschäft zwischen zwei Handelspartnern zu finanzieren war. Die beklagte Partei hätte daher trotz der für sich allein nicht für ein Fremdeigentum sprechenden, dieses aber auch nicht ausschließenden Kraftfahrzeugpapiere die Vorlage von Nachweisen über den Eigentumserwerb durch die P*** KG (Rechnungen, Übergabsdokumente, Zahlungsbelege) verlangen müssen, und die Unterlassung dieser Nachforschungen war in Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine grobe Fahrlässigkeit. Die Bestimmung des § 15 Abs 5 KWG dient nur der Sicherung einer ausreichenden Kapitalausstattung der Kreditunternehmungen. Die Nichterreichung der dort genannten Wertgrenzen ist daher unerheblich, wenn es um die Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit bei einem Erwerb vom Nichteigentümer geht. Weil es somit schon an den Voraussetzungen des guten Glaubens nach § 366 Abs 1 HGB mangelt, muß nicht untersucht werden, ob der Eigentumserwerb der beklagten Partei nicht auch daran scheiterte, daß es vielleicht an einem gültigen Titel und einer wirksamen Erwerbsart mangelte, weil beide nur in der Form der Abtretung von Rechten aus einem unwirksamen Scheinvertrag gegeben waren. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E17880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00501.89.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19890412_OGH0002_0030OB00501_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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