TE OGH 1989/4/12 2Ob37/89

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Veröffentlicht am 12.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gustav G***, Landwirt, 3142 Persching Nr.1, vertreten durch Dr. Eduard Pranz, Dr. Oswin Lukesch und Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagten Parteien 1./ Alfred M***, Pensionist, Dr. Theodor-KörnerStraße 7, 3100 St.Pölten, 2./ G*** W*** V***-AG, Lobkowitzplatz 1, 1010 Wien, beide

vertreten durch Dr. Alfred Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen S 300.085,20 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. November 1988, GZ 17 R 223/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 29. August 1988, GZ 4 Cg 17/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 12.919,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.153,23 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 31.10.1987 lenkte Peter G*** den Mähdrescher des Klägers bei Tageslicht auf der 7,8 m breiten Asphaltfahrbahn (Fahrbahnbreite zwischen den weißen Randlinien 7 m) der Bundesstraße 1. Er hielt mit dem 3,14 m breiten und 10,3 m langen Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 25 km/h ein, die linke Fahrbahnbegrenzung befand sich höchstens 40 bis 50 cm links der durch eine Leitlinie gekennzeichneten Fahrbahnmitte. Peter G*** beabsichtigte, nach rechts in eine Feldzufahrt einzubiegen, setzte den rechten Blinker und bog ohne Beachtung des nachfolgenden Verkehrs nach rechts. Infolge der Bauweise des Mähdreschers (gelenkte Hinterachse) geriet dabei das linke Hinterende bis mindestens 1,6 m Entfernung zur linken Randlinie. Der Erstbeklagte fuhr mit seinem PKW in der selben Richtung mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 75 km/h und ordnete sich derart zum Überholen ein, daß der Seitenabstand seines PKW 60 cm zur linken Randlinie betrug. Dem Erstbeklagten stand eine freie Fahrbahn in einer Breite von mindestens 3 m zur Verfügung, die Sicht war für das Überholen ausreichend. Der PKW befand sich 35 bis 36 m hinter dem Heck des Mähdreschers, als dessen plötzliches Linksschwenken auffällig wurde. Der Erstbeklagte leitete sofort eine Notbremsung ein, konnte einen Anstoß aber nicht mehr verhindern. Ob die Blinkanlage am Dach des Mähdreschers eingeschaltet war, steht nicht fest.

Das Erstgericht wies die auf Ersatz des am Mähdrescher entstandenen Schadens gerichtete Klage ab. Es erachtete das Überholmanöver als zulässig. Der Erstbeklagte habe darauf vertrauen dürfen, daß der Lenker des Mähdreschers bei außergewöhnlichen Fahrmanövern besondere Vorsicht walten lasse, der Erstbeklagte habe nicht wegen des eingeschalteten rechten Blinkers mit einem Ausschwenken nach links rechnen müssen, zumal von einem durchschnittlichen Kraftfahrer eine Kenntnis des besonderen Bewegungsablaufes beim Einbiegen eines hinterachsgelenkten Mähdreschers nicht verlangt werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, erachtete diese für die rechtliche Beurteilung als ausreichend und führte aus, es habe keine unklare Situation bestanden, die ein Überholmanöver unzulässig gemacht hätte. Der Erstbeklagte habe darauf vertrauen dürfen, daß der Lenker des Mähdreschers ein Einbiegemaöver nur vornehmen werde, wenn dies ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich sei. Dem Erstbeklagten habe nicht bekannt sein müssen, daß ein Mähdrescher beim Rechtseinbiegen so weit nach links über die Fahrbahnmitte kommen werde. Das Verschulden am Unfall treffe den Lenker des Mähdreschers, der vor dem nur unter Linksausschwenken möglichen Rechtseinbiegen verpflichtet gewesen wäre, sich davon zu überzeugen, daß andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Es steht fest, daß der PKW bereits auf der linken Fahrbahnhälfte zum Überholen eingeordnet war, als das Heck des Mähdreschers nach links ausschwenkte. Die Revisionsausführungen, eine Feststellung wäre notwendig gewesen, ob dies der Fall gewesen sei, sind daher unverständlich. Wie lange der Einbiegevorgang des Mähdreschers dauerte und ob dieser hiebei angehalten werden mußte, ist rechtlich ohne Bedeutung, desgleichen wie lange am Mähdrescher der rechte Blinker in Tätigkeit war. Ein Verschulden des Erstbeklagten wäre nur dann anzunehmen, wenn der Überholvorgang unzulässig gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Erstbeklagte hatte ausreichende Sicht und zwischen dem langsam fahrenden Mähdrescher und dem linken Fahrbahnrand einen mindestens 3 m breiten Streifen zum Überholen zur Verfügung. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat der Erstbeklagte daher nicht gegen die Vorschriften der §§ 15 Abs 4 und 16 Abs 1 lit a StVO verstoßen. Der Umstand, daß es sich beim überholten Fahrzeug um einen Mähdrescher handelte, vermag daran nichts zu ändern, und zwar auch dann nicht, wenn der rechte Blinker schon vor dem Ausschwenken nach links betätigt worden sein sollte. Der Erstbeklagte mußte nicht wissen, daß ein Mähdrescher beim Einbiegen nach rechts derart weit wie hier geschehen nach links ausschert, überdies durfte er darauf vertrauen, daß der Lenker eines Fahrzeuges, das beim Einbiegen nach rechts weit nach links über die Fahrbahnmitte hinaus ausschwenkt, ein derartiges Fahrmanöver erst durchführt, nachdem er sich davon überzeugt hat, ob dies ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich ist.

Dem Erstbeklagten kann daher kein Verschulden angelastet werden, dieses trifft allein den Kläger, der sein Einbiegemanöver ohne Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr vorgenommen hat. Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17256

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00037.89.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19890412_OGH0002_0020OB00037_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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