TE OGH 1989/4/18 10ObS53/89

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Veröffentlicht am 18.04.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger (AG) und Dr.Manfred Dafert (AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef D***, 4716 Hofkirchen, Schallbach 10, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER B***, 1030 Wien, Ghegastraße 1,

vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3.November 1988, GZ 13 Rs 105/88-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 6.Mai 1988, GZ 26 Cgs 1137/87-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 1.September 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension ab.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1.September 1987 eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Es stellte fest, daß der am 22.März 1929 geborene Kläger noch alle leichten und mittelschweren Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen ohne Einhaltung von Arbeitspausen, die über das übliche Maß hinausgehen, verrichten kann. Arbeiten, die unter Haltungskonstanz durchgeführt werden müssen, länger dauernde Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten, die häufiges oder länger dauerndes Bücken bis zum Boden erfordern, sind nicht möglich.

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer der Liegenschaft "Braunsberger" in Schallbach 10. Dabei handelt es sich um einen eher mittelgroßen landwirtschaftlichen Betrieb, der seit 1. Juli 1987 an den Sohn des Klägers verpachtet ist. Mit Pachtverträgen aus den Jahren 1984 und 1985 wurden landwirtschaftliche Flächen zugepachtet, der Sohn des Klägers ist in die Pachtverträge eingetreten.

Unter Einbeziehung der Pachtflächen umfaßt der landwirtschaftliche Betrieb rund 58 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 0,49 ha Wald. Abgesehen von ca. 5 ha Wiesen- und Gartenflächen werden die landwirtschaftlichen Nutzflächen vorwiegend als Ackerland genutzt. Der gesamte Einheitswert einschließlich der Pachtflächen beträgt S 703.000. Bis zu seiner Augenoperation im Juni 1987 stellte der Kläger eine volle Arbeitskraft im Betrieb. Er leistete täglich 6 bis 8 Stunden Stallarbeit, und zwar Entmisten, Futterzubereitung, Einstreuen, Grasmähen, aber auch bei Arbeiten in der Außenwirtschaft, die im Laufe eines Jahres in einem solchen Betrieb anfallen, half er mit. Er arbeitete zumindest 60 Stunden pro Woche. Bereits vor der Operation hatte der Kläger Schwierigkeiten, gewisse Arbeiten durchzuführen, weil sein Sehvermögen schlecht war und auch sonst sein Gesundheitszustand ihm gewisse Arbeiten nicht mehr erlaubte. Seit der Augenoperation kann er keine Arbeiten mehr im landwirtschaftlichen Betrieb ausführen, solche wurden ihm von seinem Augenarzt auch ausdrücklich verboten. Da der Kläger in seinem landwirtschaftlichen Betrieb in den letzten 60 Kalendermonaten vor dem Stichtag eine volle Arbeitskraft stellte, war diese zur Aufrechterhaltung des Betriebes auch notwendig. Neben dem Kläger arbeiteten auch seine Ehefrau und sein Sohn Johannes, der die Landwirtschaftsschule absolviert hat und die Hauptarbeitskraft des Betriebes darstellt, in der Landwirtschaft mit. Im Betrieb des Klägers fallen überwiegend schwere Arbeiten an, weil sowohl die Futterzubereitung als auch das Entmisten, Einstreuen und die Siloentnahme händisch gemacht werden müssen und daher für den Kläger kaum Arbeiten übrig blieben, die seinem medizinischen Leistungskalkül entsprechen. Er muß daher in Zukunft durch eine Fremdarbeitskraft ersetzt werden, weil im täglichen Arbeitsprozeß durchwegs schwere Arbeiten anfallen, die der Kläger nicht mehr leisten kann. Die dadurch entstehenden Kosten einer Ersatzarbeitskraft erreichen den Betrag von S 243.880 jährlich. Diese Kosten können aus dem Betriebseinkommen nur zu 15,14 % abgedeckt werden. Bei Einstellung einer Ersatzarbeitskraft kann der Betrieb nicht mehr rentabel weitergeführt werden.

Der Kläger hat keine landwirtschaftliche Ausbildung. Er hat lediglich Fortbildungskurse besucht und bisher nur in kleinen und mittelbäuerlichen Landwirtschaften gearbeitet und nur in der Bewirtschaftung dieser Betriebsform Erfahrung in der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes gesammelt. Ein Betrieb, bei dem der Betriebsführer nur mehr Leitungsaufgaben ausführt, müßte so groß sein, daß zumindest 5 Fremdarbeitskräfte beschäftigt sind. Um einen solchen Betrieb erfolgreich führen zu können, ist mindestens die "mittlere Reife" und eine längere Praxis in einem solchen Betrieb notwendig. Beide Voraussetzungen fehlen dem Kläger. Er wäre nicht in der Lage, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, bei dem nur Führungsaufgaben, nicht aber seine persönliche Mitarbeit erforderliche wäre. Solche Betriebe sind in Oberösterreich auch nur sehr vereinzelt zu finden, ihre Zahl dürfte unter 50 liegen. Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht, der Kläger sei erwerbsunfähig im Sinne des § 124 Abs. 2 BSVG, weil seine in den letzten 5 Jahren erbrachte Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig gewesen sei, er diese Leistungen nicht mehr erbringen könne und die Kosten einer erforderlichen Ersatzarbeitskraft aus dem Betriebseinkommen nicht erwirtschaftet werden könnten. Der Kläger sei auch aufgrund seiner bisherigen Ausbildung nicht in der Lage, einen Betrieb zu führen, bei dem nur Führungsaufgaben, nicht aber persönliche Arbeitsleistung erforderlich wären.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, übernahm dessen Feststellungen und legte in rechtlicher Hinsicht dar, Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 BSVG liege vor, wenn der Versicherte den Betrieb ohne eigene Arbeitsleistung nicht mehr rentabel weiterführen könne und feststehe, daß er nicht in der Lage sei, mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten einen anderen Betrieb rentabel zu führen, der eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetze, wie sie für die Führung des bisherigen Betriebes notwendig gewesen seien, und in dem die nicht mehr zumutbaren Arbeiten durch Ersatzarbeitskräfte verrichtet würden. Eine Verweisbarkeit auf moderner eingerichtete Betriebe sei auszuschließen, wenn diese eine entsprechende technische Ausstattung hätten, deren produktiver Einsatz Kenntnisse voraussetze, über die ein kleiner oder mittlerer Landwirt in der Regel nicht verfüge. Der bisherige Wirtschaftsrahmen dürfe bei der Beurteilung der Verweisungsmöglichkeiten nicht überschritten werden. Da der Kläger weder über die erforderliche Ausbildung und die Kenntnisse eines Betriebsführers nur mit Leitunsaufgaben verfüge und ein solcher Betrieb mindestens so groß sein müsse, daß fünf Fremdarbeitskräfte beschäftigt würden, komme eine Verweisung nicht in Betracht. Der Kläger sei daher erwerbsunfähig im Sinne des § 124 Abs. 2 BSVG. Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der beklagten Partei kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, es wird daher auf dessen Ausführungen verwiesen (§ 48 ASGG).

Bei der Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 BSVG ist von jener Erwerbstätigkeit auszugehen, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Diese Tätigkeit ist auch für die Prüfung der Zumutbarkeit einer anderweitigen Erwerbstätigkeit als Vergleich heranzuziehen. Wenn die Revisionswerberin ausführt, der Kläger sei bereits vor seiner Operation wegen der Inanspruchnahme des Maschinenringes mit schweren Arbeiten nicht oder nur geringfügig belastet gewesen, so widerspricht dies den Feststellungen, daß der Kläger überwiegend schwere Arbeit und nur in geringem Umfang Arbeiten geleistet hat, die seinem medizinischen Leistungskalkül entsprechen. Sollte die Leistungsfähigkeit des Klägers, wie die beklagte Partei meint, schon vor der Augenoperation, wie nunmehr festgestellt, gewesen sein, so bedeute dies nur, daß der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit schon früher eingetreten wäre und der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet hat. Da feststeht, daß die volle Arbeitskraft des Klägers ebenso wie jene seines Sohnes zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war und deren Ausfall die Einstellung einer vollen Ersatzarbeitskraft mit unrentablen Kosten erfordert, gehen die Argumente der Revisionswerberin, es wäre eine "Umschichtung" in der Arbeitsteilung zwischen Vater und Sohn möglich, ebenso ins Leere wie die feststellungswidrige Behauptung, es könne mit nur fallweise beschäftigten Fremdarbeitskräften das Auslangen gefunden werden. In einem landwirtschaftlichen Betrieb, der nicht die Größe erreicht, daß mehrere Fremdarbeitskräfte beschäftigt werden müssen, aber fallen für den Betriebsführer, soll seine Arbeitskraft und jene der anderen Beschäftigten rationell und wirtschaftlich eingesetzt werden, jedenfalls auch in größerem Umfang schwere Arbeiten an, die der Kläger nicht mehr verrichten kann. Zu Recht haben die Vorinstanzen daher die Erwerbsunfähigkeit des Klägers bejaht, der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E17468

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00053.89.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19890418_OGH0002_010OBS00053_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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