TE OGH 1989/4/18 10ObS58/89

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Veröffentlicht am 18.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Angelberger (Arbeitgeber) und Dr. Manfred Dafert (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga R***, Pensionistin, 4040 Linz, Hagenstraße 44, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER

G*** W***, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86,

vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.November 1988, GZ 12 Rs 149/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. August 1988, GZ 15 Cgs 1014/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der beklagten Partei eine Erwerbsunfähigkeitspension, die zum 1.4.1987 mit 2.486 S monatlich festgesetzt wurde. Ihre Ehe war am 26.11.1970 geschieden worden. Ihr früherer Ehegatte verpflichtete sich anläßlich der Scheidung in einem gerichtlichen Vergleich, ihr einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 3.500 S zu bezahlen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1.1.1988 die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß bloß unter Berücksichtigung der eigenen Pension in der Höhe von 2.486 S monatlich und von weiteren 1.560 S monatlich zu bezahlen. Es stellte fest, daß der frühere Ehegatte der Klägerin ab 1.1.1988 als Angestellter ein monatliches Nettoeinkommen von 12.000 S bezog und daß er außerdem als Eigentümer eines Hauses Mieteinnahmen von rund 25.000 S im Monat erzielte, wobei diese Einnahmen jedoch durch "die Kosten" überstiegen werden, weshalb er aus dem Haus weder 1987 noch 1988 einen Gewinn erzielte.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage gemäß § 151 Abs 1 und 2 GSVG 13 % des Nettoeinkommens des früheren Ehegatten der Klägerin in der Höhe von 12.000 S monatlich zu berücksichtigen seien. Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Im Berufungsverfahren machte die beklagte Partei nur geltend, daß bei der Ermittlung des für die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Klägerin maßgebenden Nettoeinkommens ihres früheren Ehegatten auch dessen Einkünfte aus Vermietung berücksichtigt werden müßten. Das Berufungsgericht lehnte diese Ansicht im wesentlichen mit der Begründung ab, daß im Ausgleichszulagenrecht auch der Aufwand für die Schaffung einer Einkommensquelle das Einkommen mindere. Für den Anspruch auf Ausgleichszulage komme es nämlich nicht auf fiktive rechnerische Einkommensgrößen, sondern nur darauf an, über welche Mittel der Pensionsberechtigte tatsächlich verfüge. Nähere Feststellungen über die Kosten, welche die Mieteinnahmen übersteigen, seien deshalb nicht erforderlich, weil allfällige von einem Darlehen zu zahlende Zinsen und Rückzahlungsraten selbst dann von den Einkünften abzuziehen wären, wenn das Darlehen für den Kauf des Hauses aufgenommen worden wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Schon im Berufungsverfahren war und auch im Revisionsverfahren ist nicht strittig, daß der der Klägerin gegen ihren früheren Ehegatten zustehende Unterhaltsanspruch gemäß § 151 Abs 1 und 2 GSVG für die Ausgleichszulage mit 13 % des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners anzurechnen ist. Strittig war und ist nur die Höhe dieses Nettoeinkommens, wobei die beklagte Partei in der Revision die Rechtsansicht der Vorinstanzen nur unter dem Gesichtspunkt bekämpft, daß auch die Mieteinkünfte zu berücksichtigen seien. Sie begründet dies im wesentlichen damit, daß die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht durch Kreditrückzahlungen geschmälert werden dürfe, die der Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen dienen.

Der Begriff des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen, von dem bei der Feststellung der Ausgleichszulage gemäß § 151 Abs 1 und 2 GSVG (oder gemäß § 294 Abs 1 und 2 ASVG oder § 142 Abs 1 und 2 BSVG) ein bestimmter Hundertsatz wegen eines Unterhaltsanspruchs des Pensionsberechtigten anzurechnen ist, wird im Gesetz - anders als der des für die Ausgleichszulage anzurechnenden Nettoeinkommens des Pensionsberechtigten und des mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder der Ehegattin (vgl. § 292 Abs 3 ASVG, § 149 Abs 3 GSVG und § 140 Abs 3 BSVG) - nicht definiert. Da es sich um die Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruchs handelt, ist auf jene Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes und die hiezu ergangene Rechtsprechung Bedacht zu nehmen, aus denen sich der Unterhaltsanspruch ergibt. Aus der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als damaligem Höchstgericht zur Definition des Nettoeinkommens in den angeführten Bestimmungen der Sozialversicherungsgesetze, auf die sich das Berufungsgericht und die beklagte Partei in ihrer Berufung bezogen haben (zB SSV 13/86; SVSlg.24.731, 30.002, 30.706), ist daher für die hier zu lösende Frage nichts zu gewinnen, weil sie nur das für die Ausgleichszulage unmittelbar anzurechnende Nettoeinkommen zum Gegenstand hat; es muß auf diese Rechtsprechung deshalb nicht näher eingegangen werden. Soweit dies überblickt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof bisher zur Frage, ob die Zinsen und Rückzahlungsraten eines Darlehens, das zur Schaffung einer Einkommensquelle aufgenommen wurde, die für den Unterhaltsanspruch maßgebenden, aus dieser Quelle erzielten Einkünfte mindert, noch nicht Stellung genommen. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß diese Frage grundsätzlich zu bejahen ist, weil kein Grund besteht, Aufwendungen, die durch die Schaffung einer Einkommensquelle verursacht werden, anders als jene zu behandeln, die zu deren Erhaltung dienen. Eine Begrenzung der Berücksichtigung solcher Aufwendungen ergibt sich aus der für das Unterhaltsrecht allgemein anerkannten "Anspannungstheorie" (vgl. hiezu Pichler in ÖA 1976, 53 und in Rummel, ABGB, § 94 Rz 1 und § 140 Rz 6 je mwN). Sie erfordert es, daß der Unterhaltspflichtige auf andere Weise ein Einkommen zu erzielen versucht, wenn die ihm zufließenden Einkünfte für längere Zeit durch Aufwendungen aufgezehrt werden und er aus diesem Grund keinen Unterhalt leisten kann. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen etwas anderes gilt, weil dem Unterhaltspflichtigen ein Vermögen zur Verfügung stand, das er zur Schaffung der Einkommensquelle hätte heranziehen können, und er daher ein Darlehen nicht hätte aufnehmen müssen.

Das in der Revision gegen diese Ansicht vorgetragene Argument, die Berücksichtigung der angeführten Aufwendungen bewirke eine ungerechtfertigte Entlastung des Unterhaltspflichtigen, überzeugt nicht, weil dieser ja wegen dieser Aufwendungen über die Einkünfte nicht verfügen kann und für die Unterhaltsberechtigten durch die Schaffung der Einkommensquelle immerhin die Möglichkeit besteht, daß ihnen später wegen des dann vom Unterhaltspflichtigen erzielten Gewinnes überhaupt ein Unterhalt oder ein höherer Unterhalt zu zahlen ist. Mißbräuchen kann durch die "Anspannungstheorie" begegnet werden. Völlig am Kern der Sache geht das weitere in der Revision gebrauchte Argument vorbei, es würden Ertragsobjekte aus öffentlichen Mitteln finanziert, wenn man die Mieteinkünfte nicht berücksichtige. Da es sich um die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsanspruchs handelt, ist dies auf die Höhe des vom Unterhaltspflichtigen tatsächlich zu leistenden Unterhalts ohne Einfluß und es stehen diesem daher nicht mehr Mittel als bei Berücksichtigung der Mieteinkünfte zur Verfügung.

Hier ist nicht hervorgekommen, daß der frühere Ehegatte der Klägerin seine Pflicht zur "Anspannung" seiner Kräfte, die notwendig sind, um der Klägerin den ihr gebührenden Unterhalt leisten zu können, verletzte oder daß er das Haus, wenn es mit Hilfe eines Darlehens gekauft worden sein sollte, auch anders hätte erwerben können. Die Vorinstanzen sind daher mit Recht davon ausgegangen, daß bei der Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs der Klägerin, der für die Ausgleichszulage anzurechnen ist, die Mieteinkünfte ihres früheren Ehegatten nicht zu berücksichtigen sind, weil sie nach den - unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des Erstgerichtes die zur Erzielung der Einkünfte erforderlichen Ausgaben nicht übersteigen. Da für die beklagte Partei auch dann nichts gewonnen wäre, wenn dies darauf zurückginge, daß der frühere Ehegatte der Klägerin für den Kauf des Hauses ein Darlehen aufnahm, hat das Berufungsgericht zutreffend Feststellungen zu dieser Frage für entbehrlich angesehen, zumal die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz hiezu nichts vorgebracht hat.

Anmerkung

E17467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00058.89.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19890418_OGH0002_010OBS00058_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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